Projekt „Wildnispädagogik“In Düdelingen erlernen Kinder einen achtsamen Umgang mit der Natur

Projekt „Wildnispädagogik“ / In Düdelingen erlernen Kinder einen achtsamen Umgang mit der Natur
Zusammenkunft am Lagerfeuer: Hier treffen sich die einzelnen Gruppen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Futterglocken für Vögel herstellen, am Lagerfeuer kochen oder geräuschlos durch den Wald tapsen: In Düdelingen lernen die Schulkinder den Wald im Park Le’h auf eine ganz neue Art kennen. Dort befindet sich die einzige Waldschule Luxemburgs, die die Prinzipien der Wildnispädagogik befolgt.

Seit vergangenem Jahr läuft das Projekt. „Die Kinder sollen wieder eine Beziehung zur Natur aufbauen“, sagt Ben Wutz beim Besuch des Tageblatt in der Waldschule. Er ist Erzieher und der Verantwortliche des Projektes „Wildnispädagogik“ in der Düdelinger Waldschule. Draußen vor dem Schulgebäude, mitten im Park Le’h, nehmen an dem Tag 13 Kinder daran teil. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Während die einen eine eigene Blattpresse basteln, übt die andere Gruppe, möglichst geräuschlos durch den Wald zu schleichen. Später wird gewechselt. Ein brennendes Lagerfeuer lädt, bei knackigen 2 Grad Celsius, dazu ein, sich die Hände zu wärmen. Auf dem Feuer brutzelt Apfelkompott. Eine Gitarre liegt daneben. Auf ihr wird zum Abschluss des Tages das „Waldschoul“-Lied angestimmt.

Die Wildnispädagogik basiert auf dem Wissen von Naturvölkern und Ureinwohnern und auf deren Art, zu lernen. „Learning by doing“ statt Frontalunterricht steht hier an der Tagesordnung. Ein respektvoller Umgang mit der Natur soll von klein auf vermittelt werden. Konkret heißt dies für die kleinen Düdelinger, dass sie viermal im Jahr die Waldschule besuchen. Die Zyklen 1 bis 4 und Gruppen aus den „Maison relais“ erleben dann, was die Natur während der verschiedenen Jahreszeiten zu bieten hat. „Die Kinder sollen lernen, selbst Dinge auszuprobieren und eigene Erfahrungen zu sammeln“, sagt Laurence Schaul, eine der beiden Lehrerinnen, die das Projekt vor Ort in Musik umsetzen. Christiane Reding ist die zweite Lehrerin, die die Kinder mit in die Natur nimmt.

Dazu gehört, die Neugierde der Schüler zu fördern. Ein wichtiges Instrument sind Bestimmungsbücher. Zum Beispiel bestand eine Übung darin, die Ohren zu spitzen und nach dem Gezwitscher eines bestimmten Vogels „Ausschau“ zu halten. 48 Stunden später sollten die Schüler versuchen, das Geräusch genau dieser Vogelart an einer anderen Stelle in Düdelingen wieder herauszuhören. Ben Wutz zählt ein weiteres Beispiel auf: Ein anderes Mal gehen die Schüler mit einem Bestimmungsbuch durch den Wald und versuchen, die Pilzsorten, die sie vorfinden, einzuordnen.

Entschleunigung

Ein Kernthema der Wildnispädagogik ist die Entschleunigung des Alltags. „Die Kinder haben hier nicht den Stress, dass eine Übung innerhalb einer Stunde fertig sein muss“, erklärt Wutz. Sie sollen die Aufgaben gewissenhaft erledigen und sich die Zeit nehmen, die sie benötigen. Auch sei es nicht wichtig, wie beispielsweise eine Schnitzerei am Ende aussehe. „Hauptsache, die Kinder sind am Ende damit zufrieden“, sagt Wutz.

Routinen sind ein weiterer wichtiger Bestandteil des Konzeptes. Dazu gehören Sitzkreise, Spuren lesen oder auch das „Waldschoul“-Lied. Diese Routinen können später in der Schule und in den „Maison relais“ weitergeführt werden. Die Blattpresse, die die Kinder zuvor gebastelt haben, kann mit in den Unterricht genommen werden. Einmal pro Monat soll eine weitere Pflanze thematisiert werden.

Doch noch viele weitere Aktivitäten sollen die Kinder mit der Natur verbinden: Spuren lesen, Spiele, die die Wahrnehmung, den Gemeinschaftssinn und die Achtsamkeit fördern, aber auch lernen, Feuer anzuzünden, darauf zu backen und zu kochen. Im Frühjahr werden Cremes aus Spitzwegerich hergestellt und im Winter Futterglocken für die Vögel. Die verschiedenen Aktivitäten werden an das Alter der Kinder sowie an ihre persönlichen Bedürfnisse und Motivation angepasst.

Zum Abschluss des Tages wird das „Waldschoul“-Lied angestimmt, mit Ben Wutz an der Gitarre
Zum Abschluss des Tages wird das „Waldschoul“-Lied angestimmt, mit Ben Wutz an der Gitarre Foto: Editpress/Alain Rischard

Laurence Schaul betont die gute Zusammenarbeit zwischen den Lehrern und Erzieher. Die beiden Gruppen hätten einen unterschiedlichen Hintergrund und verschiedene Arbeitsweisen. Während der Ausarbeitung des Konzeptes sind diese zwei Seiten zusammengekommen und haben sich in der Mitte getroffen, sagt die Lehrerin.

Ben Wutz hat eine Weiterbildung von 150 Stunden im Bereich der Wildnispädagogik. Die Lehrkräfte haben eine Weiterbildung von 30 Stunden. 22 Schulklassen nehmen in diesem Schuljahr an dem Projekt teil. Innerhalb einer Stunde waren alle Termine ausgebucht. Ziel für das nächste Jahr ist es, das Angebot auszubauen und zusätzliche Gruppen bilden zu können.

Mit diesem Projekt haben Ben Wutz und Laurence Schaul selber wieder eine engere Verbindung zur Natur gebildet. „Ich war früher nicht gerade jemand, der mit Büchern durch den Wald lief“, verrät Ben Wutz lachend. Heute aber interessiert er sich viel mehr dafür und versucht etwa selbst, Pilze zu bestimmen. Laurence Schaul war vorher bereits viel mit ihrem Hund im Wald unterwegs. Doch auch bei ihr gab es eine Veränderung: Sie nimmt die Natur jetzt ganz anders wahr.