Samstag15. November 2025

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BalkanIllegal errichtete Wohnkomplexe erhöhen das Risiko bei Erdbeben

Balkan / Illegal errichtete Wohnkomplexe erhöhen das Risiko bei Erdbeben
Antakya im Süden der Türkei: Auch Pfusch am Bau führte dazu, dass einige Häuser schneller einstürzten als andere Foto: Sameer Al-Doumy/AFP

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Die Erdbebenkatastrophe in der Türkei löst auf dem Balkan nicht nur Mitgefühl, sondern auch Sorgen aus. Denn ähnlich wie in der Türkei sind viele Wohnkomplexe in den letzten Jahren von regierungsnahen Baulöwen keineswegs immer nach Vorschrift aus dem Boden gestampft worden.

Die überstürzte Flucht nach Montenegro misslang. Schon am Flughafen von Istanbul nahm die türkische Polizei am 10. Februar Mehmet Yasar Coskun fest, den Eigentümer des 2013 errichteten Luxuskomplexes „Renaissance Residence“ in Antakya. Als besonders erdbebensicher waren die 249 Nobelappartements des Wohnturms den Käufern angepriesen worden. Doch bei dem Erdbeben am 6. Februar stürzte der zwölfstöckige Komplex wie ein Kartenhaus in sich zusammen: Das angeblich sicherste Gebäude der Stadt wurde für seine rund 1.000 Bewohner zum Massengrab.

Nicht nur, weil der inhaftierte Baulöwe auch im montenegrinischen Budva einen Appartementblock errichten ließ, lösen die Erdbeben in der Türkei auf dem Balkan außer Mitgefühl auch Sorgen aus. Denn auch dort sind Großprojekte von regierungsnahen Baulöwen keineswegs immer nach Vorschrift aus dem Boden gestampft worden: Wie erdbebensicher die oft nachträglich per Bestechung legalisierten Neubauten sind, wird sich erst im Ernstfall weisen.

So starke Erdstöße wie in der Türkei seien in Montenegro zwar nicht zu erwarten, sagt Jadranka Mihaljevic vom Seismologischen Institut in Podgorica. Doch falls den Adria-Staat ein derart starkes Beben erschüttern sollte, wären die Folgen katastrophal. Es seien Verstöße gegen die Bauvorschriften, nicht gut geplante oder abgeänderte Bauprojekte sowie schlecht unterhaltene Gebäude, „die bei Erdbeben für Gefahren sorgen“, warnt die Seismologin.

Immense Bestechungsgelder

Dabei gelten die nach den Erdbebenkatastrophen im mazedonischen Skopje (1963) und im bosnischen Banja Luka (1969) stark verschärften Bauvorschriften in den ex-jugoslawischen Staaten bis heute eigentlich als vorbildlich. Doch nicht nur im Kriegsjahrzehnt der 90er-Jahre und nach der Jahrtausendwende wurden viele Gebäude ohne Baugenehmigung errichtet. Allein in Serbiens Hauptstadt Belgrad sind laut Recherchen der BIRN-Agentur seit 2015 mindestens 300 größere Wohnkomplexe mit über 450.000 Quadratmeter ohne Baugenehmigung errichtet – und erst nachträglich legalisiert worden.

Selbst nach Abzug der Kosten für die immensen Bestechungsgelder für korrupte Würdenträger und Beamte seien die Profite bei illegalen Bauprojekten „dreimal so hoch“, erklärt ein Bau-Unternehmer gegenüber dem Portal krik.rs das übliche Geschäftsmodell: „Mit offizieller Genehmigung kannst du nur ein Objekt mit begrenzter Quadratmeterzahl bauen. Illegal kannst du das ganze Grundstück voll bauen, wie du willst. Es bestehen dann keinerlei Regeln.“

Doch die höheren Profite der Bauunternehmer und tiefen Taschen korrupter Entscheidungsträger drohen im Katastrophenfall auf Kosten der Sicherheit der Bewohner zu gehen. „Wie sicher sind wir im Fall eines Erdbebens?“, fragt sich besorgt die Belgrader Zeitung Blic. Ein „kleines Risiko“ bestehe bei Gebäuden „aus den goldenen Bauperiode zwischen den 60er-Jahren bis 1990“, so die Zeitung. Als „mittel“ bewertet das Blatt das Risiko in Gebäuden, die vor 1960 oder „mit weniger Stahlbeton“ errichtet worden seien. Ein „riesiges Risiko“ wittert Blic bei aufgestockten und „wild“ errichteten Gebäuden sowie bei „Neubauten zweifelhafter Investoren“.