„Ich schreibe so schnell, wie ich rede“

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Als Finny Cazzaro den Festsaal im CIPA „Op der Léier“ betritt, bringt sie eine Welle an positiver Energie mit sich. Sicheren Schrittes schreitet sie auf die vorne im Saal eingerichtete Bühne zu. Heute ist ihr großer Tag. Ihr zweites „Kind“, wie sie ihr Buch gerne nennt, ist auf der Welt und wurde am Mittwoch der Öffentlichkeit vorgestellt.

Dass Finny, geboren als Joséphine, am 1. Juni ihren 99. Geburtstag gefeiert hat, ist ihr definitiv nicht anzusehen. Die gebürtige Escherin sprüht vor Lebensenergie, und das trotz der heißen Temperaturen. Ihr zweites Buch, das sie am Mittwoch vorgestellt hat, war eigentlich gar nicht geplant: „Ich wollte nach ‚Bonz ënnen, Bonz uewen‘ den Stift niederlegen. Aber ich vertrage die Langeweile einfach nicht“, lacht sie. Sie wagte den Versuch, ein zweites Buch zu schreiben. „Du kriss et vläicht nach fäerdeg“, dachte sie sich – und siehe da, „Licht und Schatten“ liegt druckfrisch auf dem Verkaufstisch.

Der Kriminalroman handelt von einer verworrenen Familiengeschichte, spannend und klug erzählt. Selbstkritisch sagt die Autorin lachend: „Die Geschichte ist etwas kompliziert. Ich glaube fast, man muss sie zweimal lesen, um alles zu verstehen.“ Gelächter im Saal, und das nicht zum letzten Mal an diesem Nachmittag. Finny versteht sich darin, anderen Menschen ein Lachen ins Gesicht zu zaubern.

Ihre Inspiration sind die vielen Bücher, die sie in ihrem Leben bereits gelesen hat. „Wenn meine Mutter mich hochgeschickt hat, um die Betten zu machen, dann versteckte ich mich immer in einer Ecke und las“, erzählt sie aus ihrer Jugend. Am liebsten lese sie bis heute Krimis und historische Romane. Auch in Hörbuchform. Dokumentarfilme schaue sie sich auch gerne an.

Mit der Hand geschrieben

Was denn ihr Geheimnis sei, fragt sie Claude Gerin, Direktor des CIPA „Op der Léier“. „Ich habe kein Geheimnis. Ich bin schließlich Geschäftsfrau – hätte ich eins, dann hätte ich es längst verkauft“, witzelt die Seniorin. „Wenn es einem gutgeht, gibt es keinen Grund, nicht glücklich zu sein. Man darf nicht zu viel verlangen und muss sich ab und zu selbst eine Freude machen.“

Den Schreibprozess vergleicht Finny mit einer Schwangerschaft. Während der kreativen Phase ist die Geschichte das Erste, woran sie beim Aufwachen denkt und das Letzte, was ihr vor dem Schlafengehen durch den Kopf geht. Schreiben tut sie noch mit der Hand.
Dabei sind ihre Gedanken manchmal schneller als ihre Hand: „Ich schreibe so schnell, wie ich rede! Ich kann meine Schrift am Ende selbst nicht mehr lesen“, gibt sie zu. Aber dafür hat sie ihre gute Freundin, die ihre Texte am Computer abtippt. Sie hat offenbar kein Problem mit dem Entziffern von Finnys Schrift.

Ihr erstes Buch hat die Seniorin mit 96 veröffentlicht. „Es war mein Vater, der mir immer gesagt hat: ‚Kind, du erzählst gute Geschichten, du musst ein Buch schreiben.'“ Das wollte sie dann auch noch unbedingt tun, bevor sie stirbt. Als ein Freund von ihr „Bonz ënnen, Bonz uewen“ zum ersten Mal gelesen hat, schrie er sie an: „Wéi kann een nëmmen esou topesch sinn a mat esou engem Talent waarden, bis een al ass!“, erinnert sie sich grinsend. „Aber im Alter ist doch alles noch schöner“, lautet ihre Antwort.

„Das dritte Buch ist fast fertig“

Finny hat mit zwei Büchern aber immer noch nicht genug: „Jamais deux sans trois! Das dritte Buch ist fast fertig“, kündigt die Rentnerin an und verrät auch schon den Titel: „Was wäre wenn …“ „Die Idee entstand, als ich mit einer Freundin hier im Cactus Lalleng war“, erzählt sie. Weil Finny bereits etwas müde war, wartete sie im Auto auf ihre Freundin, die ihre Einkäufe erledigte. „Ich beobachtete eine Frau, die gerade ihre kleine Tochter in den Kindersitz setzte. Sie war ganz hektisch. Erst vergaß sie, den Kofferraum zu schließen, dann bemerkte sie, dass sie den Einkaufswagen noch nicht zurückgebracht hatte. Sie stieg aus und brachte diesen zurück, ließ den Schlüssel allerdings stecken und ihre Tochter im Auto“, erinnert sie sich. Finny malte sich aus, was denn jetzt wäre, wenn …

Das dritte und letzte Buch soll im nächsten Jahr veröffentlicht werden. „Dann bin ich hundert Jahre alt und zu hundert Prozent zufrieden mit meinem Leben!“, sagt die 99-Jährige mit einem Lächeln im Gesicht. „Schatten und Licht“ erhalten Sie im CIPA „Op der Léier“ und in anderen Servior-Häusern. Wo genau, erfahren Sie auf der Internetseite www.servior.lu. Preis: 11 Euro.

Laird Glenmore
7. Juni 2018 - 12.02

Alle Achtung da kann man nur Gratulieren und hoffen das man in dem Alter auch noch so FIT ist. Ich wünsche der Dame noch ein langes Leben und beste Gesundheit.