Neben dem berühmten, inzwischen 76-jährigen Emerson Fittipaldi gibt es eine ganze Reihe von Menschen mit dem gleichen Familiennamen, die im Motorsport aktiv sind oder waren. So der Bruder Wilson, der ebenfalls in den Siebzigern Formel 1 fuhr. Dann dessen Sohn Christian, der in den 90ern Formel 1 fuhr und danach bei den IndyCars und IMSA-Prototypen erfolgreich war. Emersons Enkel Enzo fährt im Red-Bull-Kader aktuell Formel 2 und dessen Bruder Pietro ist gleich an mehreren Fronten aktiv. Wir haben uns mit ihm über seine verschiedenen Rennaktivitäten unterhalten.
Tageblatt: Herr Fittipaldi, Sie waren über die letzten Jahre in ganz vielen Serien unterwegs. Welche Rennen bestreiten Sie diese Saison?
Pietro Fittipaldi: Ich fahre die komplette WEC-Saison in einem LMP2 Oreca des Teams Jota mit meinen dänischen Teamkollegen David Hennemeier-Hansson und Oliver Rasmussen. Daneben bestreite ich noch die vier Langstreckenrennen der IMSA-Serie in Daytona, Sebring, Watkins Glen und Petit Le Mans, im Oreca LMP2 des Rick Ware Racing Teams.
Die LMP2-Kategorie in der WEC ist dieses Jahr noch härter umkämpft als die Jahre zuvor. Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Ja, in dieser Klasse liegen alle sehr eng zusammen. In der einen Trainingssitzung kannst du Erster oder Zweiter sein und bei der nächsten bist du nur Achter oder Neunter. Die meisten Qualifying-Runs bislang bin ich gefahren. In Sebring und Le Mans starteten wir jeweils als Zweite und unsere Rennpace war bei allen Rennen bislang gut (Anm. d. Red.: aber durch die eine oder andere Kleinigkeit hat es dann in den Rennen noch nicht zu einem Sieg gereicht).
Können Sie uns etwas über die vergangenen Jahre sagen, als Sie von den brasilianischen Stockcars über die DTM, IndyCars bis zur Formel 1 überall unterwegs waren?
Ja, mein Karriereverlauf ist schon etwas verrückt. Nachdem ich 2017 die Formel-V8-3,5l-Championship gewonnen hatte, bekam ich mehrere Angebote, sodass ich 2018 in der WEC (LMP1) und bei den IndyCars gefahren bin. Leider hatte ich aber schon Anfang Mai 2018 beim WEC-Qualifying in Spa einen schweren Unfall, bei dem ich mir einen Beinbruch zugezogen habe. Schon nach zwei Monaten aber war ich einigermaßen fit, um wieder ins Cockpit zu steigen. Ich bin dann in der IndyCar-Serie gestartet und habe dort mit meinem immer noch gebrochenen Bein meine besten Ergebnisse bislang eingefahren. Dadurch habe ich wohl die Aufmerksamkeit des Haas-F1-Teams geweckt und wurde zu einem Test eingeladen. Dies war Ende 2018 in Abu Dhabi. Bei diesem Formel-1-Test war mein Bein immer noch nicht ganz fit, deswegen bin ich mit einer Carbonschiene gefahren. Ich habe dies natürlich keinem gesagt und die Schiene unter meinem Rennoverall versteckt gehalten. Ich wollte einfach die Chance, ein Formel-1-Auto zu testen, nicht verpassen. Da man fand, dass ich bei diesem Test einen guten Job gemacht habe, wurde ich 2019 als Test- und Ersatzfahrer des Haas-Teams eingestellt, wo ich seither ganz viel Entwicklungs- und Simulatorarbeit verrichte. Zusätzlich bin ich in dem Jahr die ganze Saison für das belgische Audi-Privatteam WRT in der DTM gefahren. Des Weiteren habe ich die 500 Meilen von Indianapolis bestritten, wo ich zum Rookie des Jahres gekürt wurde. Letztes Jahr bin ich in der ELMS gefahren und habe das 24-Stunden-Rennen von Le Mans zum ersten Mal bestritten. Dieses Jahr habe ich das Glück, mit Jota in der WEC zu fahren, was eine große Chance für mich ist, da es ein großartiges und erfahrenes Team ist.
Pietro, lassen Sie uns über die F1 reden. Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen?
Die ist ausgezeichnet. Nico habe ich erst dieses Jahr kennengelernt. Ich wusste also nicht, was mich erwartet, aber Nico ist ein cooler, witziger Typ und ich arbeite sehr gut mit ihm zusammen. Kevin kenne ich schon sehr lange, er ist ein guter Freund von mir und mit ihm funktioniert die Zusammenarbeit auch sehr gut. Bei meinen beiden Formel-1-Renneinsätzen hat er mir übrigens durch seine große Erfahrung viel geholfen.
Sie sind die zwei Rennen nach Romain Grosjeans Feuerunfall als Ersatzfahrer eingesprungen und das Team war mit Ihren Leistungen ganz zufrieden. Warum haben Sie anschließend keinen festen Fahrerplatz bekommen, als Nikita Mazepin aus bekannten Gründen letztes Jahr sein Haas-Cockpit verlor?
2021 ist das Haas-Team mit zwei Rookies (Red.: Mazepin und Schumacher) an den Start gegangen und das Auto war auch nicht besonders gut. Somit wurden die Ziele, die das Team sich damals gesetzt hatte, nicht erfüllt. So hat Haas sich dann 2022 dazu entschieden, den Platz einem erfahrenen F1-Piloten in der Person von Kevin Magnussen zu geben. Natürlich war dies sehr enttäuschend für mich, da ich wusste, dass ich bereit war für dieses Cockpit. Dies konnte ich bei meinen Trainingseinsätzen und den beiden Rennen für Haas beweisen. Das 2022er-Auto kam übrigens meinem Fahrstil sehr entgegen. Aber ich verstehe und respektiere die Entscheidung von Haas und versuche jetzt, dem Team bestmöglich mit meinen Aufgaben als Ersatz- und Testfahrer weiterzuhelfen. Außerdem erlaubt mir Haas, in anderen Serien an den Start zu gehen, was mir sehr wichtig ist. Als Rennfahrer will man natürlich nicht nur testen, sondern Rennen fahren und Haas gibt mir die Möglichkeit, in der WEC und der IMSA zu fahren und dort mein Können unter Beweis zu stellen.
Wo sehen Sie eigentlich Ihre Zukunft – eher im Langstreckensport oder bei den Formelwagen?
Ehrlich gesagt, am liebsten würde ich überall fahren (lacht). Als Rennfahrer möchte ich so viele und so lange Rennen fahren wie nur möglich. Die WEC bietet mir sehr viele Möglichkeiten. Vielleicht ergibt sich ja durch meine Einsätze dieses Jahr in der LMP2 die Gelegenheit, in Zukunft ein Hypercar zu fahren. Könnte ich ein Cockpit in der IndyCar-Serie bekommen, wäre dies natürlich auch genial. Das ist aber sehr schwierig und leider konnte ich mir noch keine komplette Saison bei den IndyCars finanzieren, da du dort sehr viele Sponsorengelder benötigst. Ich bin dort bislang immer nur Teileinsätze gefahren. So habe ich mir z.B. im ersten Jahr, als Romain Grosjean in Amerika fuhr, ein Cockpit mit ihm geteilt. Er fuhr die Rundkurse und ich die Ovale.
Das führt zu meiner nächsten Frage. Der Name Fittipaldi ist durch Ihren Großvater sowohl in der Formel 1 als auch bei den IndyCars sehr bekannt, hilft dies nicht bei der Sponsorensuche?
Die Sponsorensuche wird immer schwieriger. Sponsoren wollen etwas für ihr Geld bekommen. Ihnen ist es sehr wichtig, dass du im medialen Bereich sehr präsent bist und du viele Klickzahlen und Follower aufweisen kannst. Das ist auch ein Grund, warum ich mit meinem Bruder Enzo zusammen auf YouTube und Tiktok sehr aktiv bin und wir unseren „Fittipaldi Brothers“-Kanal mit inzwischen mehr als 119.000 Abonnenten haben. Das klassische Sponsoring von großen Firmen, das es noch in den Neunzigern und Zweitausendern gab, ist heute viel schwieriger geworden.
Sie sind die Class1-Autos der DTM gefahren, heute fährt die Serie mit GT3-Autos. Könnte Sie dies reizen, eventuell in die DTM zurückzukehren?
Die DTM ist immer noch eine sehr starke Meisterschaft und ich bin ein Racer und möchte alles Mögliche fahren. Wenn sich also diese Möglichkeit ergeben würde und ich die nötige Zeit dazu hätte, würde ich dies tun – mit Sicherheit!
Steckbrief
Name: Pietro Fittipaldi da Cruz
Geboren: 25.6.1996 in Miami (USA)
Nationalität: Brasilianer/Amerikaner
Karrierestationen:
2011-12: Nascar Whelen All-American Series
2013-15: Formel 4 / Formel Renault / FIA-Formel 3
2016-17: Formel V8 3,5l – Champion 2018
2018: IndyCar & WEC
seit 2019: Formel 1 / IndyCar / DTM / Stockcar Brasil / WEC / ELMS / IMSA
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