Ein semi-schiefer Akkordeon-Ton hier, eine Vorführung von Akrobatik an Tüchern, bunte Gesichter überall dort, wohin es die Blicke treibt: Im Garten des städtischen „Zirkusschapp“ (26, Avenue Pasteur) war in den vergangenen Wochen so einiges los. Die Artistentruppe von „Zaltimbanq’“ verzauberte hier nämlich ihr Publikum auf ganz besondere Manier. Während im Sommer normalerweise kleine Turner und Jongleure die Halle der Luxemburger Zirkusschule füllen, mussten sämtliche Freizeitaktivitäten für Kinder aufgrund der Pandemie abgesagt werden. Ein schwerer Schlag für Clowns, Akrobaten und Co., die ihr Engagement dem gemeinsamen Schaffen gewidmet haben. Doch als Artist ist man es gewohnt, alternative Wege zu finden – und so entstand die Idee für eine Show der besonderen Art. „Da unser alljährliches Chapiteau im großen Zelt auf Kirchberg im Mai ausgefallen ist, waren wir natürlich alles andere als ausgepowert – und so lag die Überlegung nahe, doch noch etwas Artistisches auf die Beine zu stellen. Vor fünf, sechs Jahren haben wir schon darüber gesprochen, unseren Garten hier auf Limpertsberg für Vorstellungen einzurichten, und nun haben wir uns einfach gesagt, dass man eigentlich gar keine Bühne oder Belichtung benötigt – ein Publikum und die Lust, etwas vorzuführen, reichen völlig aus“, so Irina Chechulina, Animateurin der Zirkusschule.

An fast jedem sonnigen Wochenende fand sich also eine Gruppe aus acht Artisten zwischen Pflaumen- und Birnenbäumen zusammen, um im kleinen Kreis ihre Zuschauer zum Lachen zu bringen. Auch am gestrigen Sonntag war es wieder Zeit für eine Vorstellung. „La variété des belles choses“ war dabei nicht nur das Motto des Spektakels, sondern auch die Botschaft, die Zaltimbanq’ nach außen tragen möchte: „Wir wollen etwas Positives zeigen, damit die Menschen die schwere Zeit der letzten Monate für einen kurzen Augenblick vergessen können und mal raus aus ihrem Alltag kommen“, sagte Chechulina. Sie selbst unterhielt die Zuschauer als geschminkte Clown-Dame mit dem Namen „Animatrix“ und schlüpfte zur Begeisterung ihres Publikums in unterschiedliche Rollen. Der Persona-Wechsel von orientalischer Bauchtänzerin über Sekretärin mit Hut bis hin zur wilden Löwin ließ dabei nicht nur Kinderaugen strahlen, sondern sorgte auch bei den anwesenden Erwachsenen für herzhafte Lacher.
Clownerie, Jonglieren und Akrobatik
Ähnlich skurril gestalteten sich die Nummern von Jongleur „Jonn Happi“ aus dem Norden des Landes und Blumenflüsterin „Clochette“, die bewaffnet mit löchrigen Wasserbehältern im „grande finale“ des Spektakels versuchte, ihre geknickte Sonnenblume wieder zum Leben zu erwecken. Insgesamt acht Artisten präsentierten bei der Veranstaltung ihre Kreativität auf dem Rasen und entlockten Jung und Alt so manches Grinsen. Neben größtenteils witzigen Nummern wurde auch echte Akrobatik geboten. Eine Premiere lieferte dabei die Aerial-Silk-Künstlerin Morgane, die sich grazil an ihren Vertikaltüchern hochhangelte, um dann im spektakulären „Drop“ wieder schwebend über dem Boden zu landen. Begleitet wurden die Einlagen jeweils von drei Live-Musikern, die mit Trompete, Gitarre und Akkordeon für die nötige Spannung sorgten.
Man benötigt eigentlich gar keine Bühne oder Belichtung – ein Publikum und die Lust, etwas zu zeigen, reichen völlig aus
Auch Tänzerin und Akrobatin Philomène Authelet war Teil der einstündigen Performance und verlieh der Show mit ihren gewagten Figuren auf dem Handstandständer die richtige Portion Nervenkitzel. Die 26-Jährige ist seit zwei Jahren in der Zirkusbranche tätig und hatte eigentlich geplant, ihren nächsten Karriereschritt an einer spezialisierten Schule im kanadischen Montreal zu machen. „Kurz vor Corona habe ich an mehreren ‚Auditions‘ im Ausland teilgenommen, doch ich wurde nirgends angenommen. Die Tatsache, dass ich nun hier an den Shows teilnehmen durfte, hat mir enorme Hoffnung gegeben. Ich wollte schon immer Artistin sein und ‚La variété des belles choses’ hat mir dies trotz allem ermöglicht“, so Philomène. Die Zeit der Quarantäne war für die junge Künstlerin nicht immer leicht, dennoch haben die Stunden zu Hause ihr dabei geholfen, sich selbst ein Stück weit wiederzufinden: „Aufgrund von Corona hatte ich viel Zeit zum Nachdenken und so habe ich gemerkt, dass es für mich wichtig war, mich erst einmal wieder zu erden, vielleicht außerhalb einer Schule einfach mal anzufangen und an meiner Technik zu arbeiten, um diese zu perfektionieren.“

Ein Leben als Zirkuskünstler
Zwischen ihren Auftritten mit Zaltimbanq’ hat sich Philomène darauf konzentriert, andere im Sport zu coachen, Flexibilitätskurse zu geben und Massagen anzubieten. Der Kontakt zu anderen Artisten der Truppe hat die junge Frau geprägt und ihr neue Energie für die Zukunft gegeben: „Die Zeit zusammen ist einfach unglaublich und extrem menschlich. Vor und nach jeder Show ermutigen wir uns gegenseitig und geben uns Halt, denn wir alle leben für die Kunst.“ Vielleicht war es auch genau diese Einstellung, die schlussendlich doch zum Happy End geführt hat, denn kürzlich wurde die Artistin von der Tanz- und Akrobatikkompanie des Belgiers Alexander Vantournhout angenommen. Sie wird sich somit ab November in ein neues Abenteuer stürzen. Bis dahin gilt Philomènes Aufmerksamkeit jedoch noch voll und ganz Zaltimbanq’, wie sie verrät: „Es macht enormen Spaß und jede Vorstellung ist anders, da jedes Mal neue Leute hinzustoßen.“ Am kommenden Wochenende stehen so etwa Fußball-Freestyler Sven Fielitz und eine Feuerkünstlerin auf der Gästeliste, um die bestehende Truppe zu ergänzen.
Die Shows bereitet jeder übrigens für sich zu Hause vor – nur wenige Male wurde gemeinsam geprobt, um vor allem die Synchronizität mit der Band zu gewährleisten. „Wir sind nach und nach zu einem Ganzen zusammengewachsen“, meint Philomène. Corona hat ebenfalls beim Zirkus seine Spuren hinterlassen, auch wenn das alles vergessen ist, sobald die Artisten die Bühne betreten. „Shows über Zoom oder Skype haben wir zwar auch gemacht, es ist aber einfach etwas ganz anderes, wenn Publikum da ist und man den direkten Kontakt zu den Leuten hat“, so Irina. Genau aus diesem Grund ist es der Leitung von Zaltimbanq’ ein wichtiges Anliegen, ab Dienstag die Einschreibungen für das kommende Zirkus-Schuljahr wieder zu eröffnen, um spätestens im Oktober auch wieder so richtig durchstarten zu können. Bis es allerdings so weit ist, gilt es, sich noch mal ordentlich auf die letzte Ausgabe von „La variété des belles choses“ vorzubereiten, um am kommenden Samstag einen gebührenden Abschluss einer doch noch gelungenen Saison zu feiern.
Infos zur Show
Am 5. September finden um 11.00, 14.00 und 17.00 Uhr die letzten Aufführungen von „La variété des belles choses“ im Garten des „Zirkusschapp“ statt. Anmeldung unter [email protected] oder per SMS an die Nummer 691 819 111. Alle weiteren Infos gibt es unter www.zaltimbanq.lu.
De Maart












Ohne Zelt und ohne Maske. Dabei hätten sie doch die Hälfte der Clownschminke sparen können und die rote Nase kann man auch auf die Maske kleben.