17. Dezember 2025 - 6.35 Uhr
„Dachte, wir hätten es endlich geschafft“Henri Bressler arbeitet seit den 80er-Jahren auf ein Sportmuseum hin
Henri Bressler fährt mit dem Zeigefinger über eine metallische Fahrradfigur, die er im Wohnzimmer auf einem Regal platziert hat. „Es geht“, sagt er lächelnd und blickt zu seiner Frau. Diese hat das Zwiebelschälen in der Küche für einen Moment unterbrochen, um zu erzählen, wie viele Stunden die Haushaltshilfe in der Vergangenheit nur für das Abstauben der Hunderten Statuetten und Fahrrad-Figurinen benötigt hätte. „Ich bin froh, dass meine Frau dieses Hobby akzeptiert hat. Andere hätten wohl immer wieder gefragt, was ich mit dem ganzen Kram vorhätte. Dieses Verständnis ist wichtig.“
Einfühlungskraft und Anteilnahme. Davon beweist seine Frau in den letzten Tagen immer wieder die nötige Portion. Das gescheiterte Sportmuseum-Projekt auf der „Rout Lëns“, das aufgrund juristischer Bedenken zurückgezogen wurde, hinterlässt bei Sportfan Henri Bressler nämlich große Trauer und Enttäuschung. „Ich mache mir Gedanken“, berichtet der 84-Jährige. „Wie geht es weiter? Es muss unbedingt ein Konzept ausgearbeitet und ein Platz für dieses Museum gefunden werden.“
Auch der Standort sei für den Erfolg ein entscheidender Faktor. „Das Museum sollte nicht in einem Sportkomplex untergebracht sein, sondern ein separates Gebäude sein“, findet Bressler. Er selbst hat diese Erinnerungskultur in den eigenen Wänden untergebracht.
Das politische Interesse war zwar da, aber es ging nie wirklich weiter
Bressler nennt seine spektakuläre, persönliche Sammlung eine „Zusammenarbeit“. Jedes Zimmer, jede kleinste verwinkelte Ecke des Einfamilienhauses – sogar das Büro seiner Frau – ist eine Fundgrube für Schätze vergangener Sportmomente. „Wenn meine Kinder oder Enkel etwas entdecken, rufen sie mich gleich an und fragen, ob es mich interessieren würde“, gibt der ehemalige Lehrer sichtlich stolz zu Protokoll. Der Blick wandert zu seiner Frau. Diese erwidert rasch: „Oder sie kaufen es einfach, ohne nachzufragen.“
Mittlerweile hat das Paar beschlossen, es aus gesundheitlichen Gründen etwas ruhiger mit der Gartenarbeit angehen zu lassen. Früher erinnerten draußen selbst die Blumentöpfe und Dekorationen an das familiäre Faible für den Radsport.

Das Sammelfieber hat ein Onkel dem 84-Jährigen in Form eines Briefmarkenalbums vererbt. „Als Kind hatte ich damals aber schon vorher damit begonnen, Bilder aus den Verpackungen von Kaugummi oder Schokolade zu sortieren. Dann kamen die besagten Briefmarken hinzu – und irgendwann auch der Wunsch, alles Mögliche über den Luxemburger Sport zu sammeln.“
Die Begeisterung für Bewegung und die Leidenschaft für das Sammeln ziehen sich wie ein roter Faden durch sein Leben. 1981 lässt Bressler seine erste Karriere als Lehrer hinter sich und nimmt einen Posten im Sportministerium an. Der damalige Sportkommissar Georges Lanners hat klare Vorstellungen: Bressler soll den Freizeitsport voranbringen und wird später zum Verantwortlichen für das nationale Sportkulturerbe ernannt: Die „Sauvegarde du patrimoine sportif“ wird im Rahmen einer Ausstellung erstmals offiziell als Ziel verankert.
Im Nationalen Sportinstitut INS wird später eine Sammlung zum Thema Radsport und den Luxemburger Helden präsentiert. „Aus der ersten Idee war etwas viel Größeres entstanden. Es wurde intensiv für das Archiv gesammelt, mit dem Plan, diese Dinge später in einem nationalen Sportmuseum auszustellen. Alle Privatpersonen, die Objekte für die Ausstellung zur Verfügung gestellt hatten, bekamen damals als Gegenleistung ein Diplom.“
Bei Sportminister Marc Fischbach sprang der Funke über. Er sah im Budget weitere Ressourcen für den Ankauf von Material vor. „Irgendwann platzte das INS aus allen Nähten. Es war einfach kein Platz mehr.“
Unverwirklichtes Museum: Politik und Probleme
Heute wird dieses historische Wertmaterial in Contern zwischengelagert. „Die Basis für ein Museum ist da, es fehlt bloß das Gebäude …“, formuliert es Bressler. Sichtlich enttäuscht über die neuesten politischen Entwicklungen, schwelgt er in Erinnerungen: „Es gab bereits Ausstellungen, die wir gemeinsam mit Verbänden und Gemeinden organisiert hatten, etwa vor dem ‚Grand départ‘ der Tour de France 1989. Im Rahmen des Kulturjahres 1995 war das Thema eine Retrospektive des Sports. Ich selbst hatte damals schon an Seminaren im Ausland teilgenommen und Museen besucht, um Ideen zu sammeln und Konzepte zu vergleichen. Das politische Interesse war zwar da, aber es ging nie wirklich weiter.“

So auch, als auf den allerersten Bauplänen der Coque ein Archivraum und Platz für eine Bibliothek vorgesehen waren. Später wurde das Thema wieder zur Aktualität, als sich die Verwirklichung des Velodroms in Mondorf andeutete. „Als man dachte, es könnte etwas werden, gab es immer wieder unerwartete Schwierigkeiten.“ Die Gefühlslage beschreibt er mit den Worten: „Ech si verdrësslech.“
Die Enttäuschung kann Bressler nicht verbergen. Der Perfektionist zeigt auf eine durchsichtige Mappe, die neben seinem Schreibtisch liegt. Er zieht zuerst das Foto, dann die offiziellen Dokumente heraus: Das Bild aus dem Sommer 2025 zeigt ihn an der Seite von Ex-Sportminister Georges Mischo. Beide halten eine Konvention in den Händen: Bresslers Privatsammlung soll irgendwann einmal dem Sportministerium für das Museum zur Verfügung gestellt werden. „Wenn meine Kinder und Enkel etwas behalten wollen, können sie das selbstverständlich tun, aber was sollen sie mit all diesen Sachen anfangen?“, fragt er, ohne eine Antwort zu erwarten.
Historischer Archivkeller
Während in den oberen Etagen vor allem Miniatur-Fahrräder, besondere Medaillen und Fotos aus vergangenen Tagen die Wände schmücken, ist der Keller als Schatzkammer eines detailversessenen Archivisten zu verstehen. Jeder Luxemburger Radprofi hat in Bresslers Büro, auf etwa 15 Quadratmetern neben der Garage, (mindestens) einen eigenen Ordner mit dem eigenen Profilfoto als Erkennungsmerkmal. Zeitungsausschnitte, Fotos und Dokumente werden dort täglich – seit Jahren – in Plastikfolien einklassiert. „Das ist bei der Aufbewahrung essenziell.“
Die dazugehörige Literatur ist aufgrund des präzisen Ordnungssystems und der Beschriftung leicht zu finden. In greifbarer Nähe zum Pult sind zudem Wörterbücher in mehreren Sprachen untergebracht. Man spürt förmlich noch immer die Freude, wenn Bressler über das Schreiben von Biografien und Sportbüchern spricht. Charly Gaul, mit dem er zwölf Jahre lang zusammengearbeitet hat, François Faber, Nicolas Frantz oder Acacio da Silva: Über sie alle hat Bressler recherchiert, gelernt und geschrieben. „Man kann die Stunden nicht ausrechnen, die ich hier verbracht habe.“
Für seine Kollektion ist ihm kein Weg zu weit, kein Abend zu lang. Hunderte von Fahrrad-Figuren kamen im Hause Bressler über die Jahre zusammen. Ob beim Schlendern über Antiquitätenmärkte oder Geschenke: Jedes Objekt, jedes Plakat und jeder Zeitungsausschnitt haben ihren besonderen Platz.
Noch ein Funken Hoffnung

Er zieht weitere Bücher aus dem Regal, erzählt von Kollegen, mit denen er zusammengearbeitet hat. Anekdoten inklusive. „Irgendwann einmal gab es eine Überschwemmung in den Büroräumen der Pulvermühle, wo ich damals gearbeitet habe. Die Alzette war derart schnell gestiegen, dass ich im INS angerufen und alle Kollegen einbestellt habe, um zu helfen. Es musste schnell gehandelt werden, denn wir hatten viele Papierdokumente gelagert. Zum Glück gab es damals kaum Schaden.“
Zu den schönen Momenten, an die sich Bressler gerne erinnert, gehören die Visiten prominenter Gäste, die er im Privatmuseum begrüßen durfte. „Ein paar Radfahrer waren schon mal hier. Insgesamt pflegte ich immer gute Kontakte, da ich bei vielen Rennen vorbeischaute.“ Aus gesundheitlichen Gründen muss Bressler inzwischen kürzertreten, verfolgt die Aktualität aber noch in den Medien oder auf dem Bildschirm. Dort erfährt er Anfang Dezember, dass wieder ein Museum-Projekt scheitert.
Die Idee dieses nationalen Sportmuseums ist ein Teil meines Lebens. Da das Projekt wieder auf Eis liegt, zweifle ich inzwischen, ob ich die Eröffnung irgendwann noch miterleben werde. Es macht mich traurig, aber komplett aufgegeben habe ich die Hoffnung noch nicht.
Die niederschmetternden Entwicklungen wühlen ihn auf. „Diesmal hatte ich wirklich große Hoffnung. Ich dachte, wir hätten es endlich geschafft. Die Idee dieses nationalen Sportmuseums ist ein Teil meines Lebens. Da das Projekt wieder auf Eis liegt, zweifle ich inzwischen, ob ich die Eröffnung irgendwann noch miterleben werde. Es macht mich traurig, aber komplett aufgegeben habe ich die Hoffnung noch nicht.“ Dabei denkt Bressler – wie so oft – in erster Linie nicht einmal an sich selbst: „Wir wären es den Spendern schuldig, die ihre Objekte nicht nur zum Lagern abgegeben haben. Diese verdienen es, dass ihre Stücke ausgestellt werden.“
Man kann sich für Bressler, und im Sinne der nachfolgenden Generationen, nur wünschen, dass die neue Sportministerin das genauso sieht.

De Maart

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