Editorial„Heescheverbuet“: DP-Rat stänkert in Luxemburg-Stadt gegen die Justiz – und sorgt so für den nächsten Tiefpunkt

Editorial / „Heescheverbuet“: DP-Rat stänkert in Luxemburg-Stadt gegen die Justiz – und sorgt so für den nächsten Tiefpunkt
Vor dem Rathaus wurde demonstriert, drinnen wurde ein neuer Tiefpunkt erreicht Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Diskussionen um das „Heescheverbuet“ haben am Montag einen neuen Tiefpunkt erreicht. Es geht schon lange nicht mehr um die Bettler, wobei sich die Frage stellt, ob es der Regierung und dem städtischen Schöffenrat überhaupt jemals um sie ging. Doch mittlerweile geht es nicht einmal mehr um Recht und Ordnung. Das Bettelverbot ist einzig und allein zu einem politischen Machtspiel geworden, in dem so ziemlich alle Mittel recht zu sein scheinen.

Das jedenfalls lässt eine Aussage von Claude Radoux vermuten.

Es ist nicht das erste Mal, dass der DP-Rat durch mehr oder weniger kuriose Aussagen im Gemeinderat auffällt. Als Mitglied einer Mehrheitspartei ist es auch nicht immer einfach, auf sich aufmerksam zu machen. Konnte man über Aussagen wie „jeder hat ein Recht auf einen Parkplatz vor der Haustür“, als es über einen abgetrennten Radweg in der rue des Aubépines ging, noch einfach den Kopf schütteln, so kann man sich nach Radoux’ Auftritt am Montag nur noch an den selbigen fassen. Er nahm sich gleich die Staatsanwaltschaft zur Brust, deren Vertreter wiederholt darauf hingewiesen haben, dass die juristische Grundlage für das Bettelverbot fehlt. „Wenn die Staatsanwaltschaft Politik machen will, soll sie sich zur Wahl stellen“, meinte Radoux am Montag und zeigte damit, was er davon hält, wenn eine Instanz wie die Staatsanwaltschaft versucht, den Rechtsstaat zu schützen.

Bislang haben DP und CSV in der Debatte um das Bettelverbot immer wieder die gleichen Argumente gebetsmühlenartig wiederholt, auch dann, wenn sie bereits von mehreren Seiten widerlegt wurden. Dass Blau-Schwarz mittlerweile derart mit dem Rücken zur Wand stehen, dass gegen die Justiz geschossen werden muss, lässt tief blicken. Um recht zu behalten, wird nicht einmal mehr davor zurückgeschreckt, den Rechtsstaat oder zumindest einen Teil seiner Vertreter anzugreifen.

Die Staatsanwaltschaft hat in der Debatte um das Bettelverbot keine Politik gemacht, doch vielleicht sollten Volksvertreter wie Claude Radoux, die offensichtlich Politik machen wollen, sich so langsam wieder auf die Grundprinzipien unserer Demokratie zurückbesinnen.

Der Streit um das „Heescheverbuet“ droht weiter auszuarten und ist längst zu einem Armdrücken auf Kosten unserer Debattenkultur geworden, das auch nicht vor dem Rechtsstaat haltmacht. Die Regierung wäre gut beraten, Tacheles zu reden und die Justiz in Schutz zu nehmen vor verbalen Angriffen aus der Politik. Das Problem dabei: Regierungsvertreter wie Léon Gloden sind mit dem schlechten Beispiel vorangegangen und haben für solche Angriffe Tür und Tor geöffnet.

Premier Luc Frieden gibt sich gerne als Kapitän, der sich nicht scheut, auch mal mit der Faust auf den Tisch zu hauen – der Moment ist gekommen, das zu tun. Aber nicht, indem Frieden dekretiert, worüber nach seinem Gusto bitte schön im Land gesprochen werden soll. Sondern, um unsere Demokratie zu schützen. Auch vor den Politikern aus seinen Reihen und jenen der Koalition. So weit ist es leider schon gekommen.

liah1elin2
4. Februar 2024 - 13.14

@Leila Nehme Ihre Kritik gerne entgegen und denke, dass gegensätzliche Auffassungen gut für eine Demokratie sind. Bin seit gut 55 Jahren ein sehr politischer Mensch, viele Systeme auf der Welt erlebt und ja es kann sein, dass ich auf gewisse Erscheinungen die einer Demokratie unwürdig sind, überspitzt reagiere. Wir müssen unserem Rechtsstaat Sorge tragen. Beste Grüsse aus Echternach.

Leila
2. Februar 2024 - 15.06

liah1elin2 Sie haben Recht und ich meine Ruhe! Es ist sinnlos, mit rechthaberischen Leuten zu argumentieren, die Scheuklappen auf haben und persönlich werden. Dazu dieses Zitat: "Dumme Menschen argumentieren endlos lange weiter, um ja auf ihrem Standpunkt zu beharren, völlig unabhängig von den validen Argumenten des Gegenübers."

liah1elin2
2. Februar 2024 - 14.05

@Leila Da hätte ein CSV Minister einmal vorausschauend agieren können und all die Ihnen unerwünschten Bettler wären nie in Luxi angekommen. Regierungen, egal welcher Couleur sind leider höchst selten vorausschauend und sie reagieren dann meistens nur. Die Reaktion von Herrn Gloden war einfach nur dumm.

Leila
1. Februar 2024 - 10.43

...Und warum hat sich von 2009 bis 2013 der CSV Justizminister Biltgen der Problematik nicht angenommen? Ganz einfach - weil die Menge der Bettler damals noch überschaubar war! Leider nimmt es mit den "Tagestouristen" überhand, die zwar arme Opfer ihrer eigenen Landsleute sind, aber nicht jeder Bürger ist bereit, deren "Wohltäter", die sie mit falschen Versprechen aus ihrem Elend ins reiche Ausland gelockt haben um sie danach zu versklaven, ihr Luxusleben zu finanzieren! Ist das wirklich so schwer zu verstehen? Hat absolut nichts mit fehlender Empathie zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand!

liah1elin2
31. Januar 2024 - 13.43

@Wagner Und warum hat sich von 2009 bis 2013 der CSV Justizminister Biltgen der Problematik nicht angenommen? Es war massig Zeit dafür!! Anscheinend war kein politischer Wille dazu da. Warte gespannt auf Beispiele für Eingriffe der Gambia Regierungen, die demokratiegefährlich und autoritär waren. Und wenn Leute über Stromer klettern müssen wie Sie schreiben, warum diese nicht als Menschen ansehen und ev Hilfe anbieten. Empathie scheint immer mehr zu einem Fremdwort zu werden.

Bis bald Zuhause, es….
31. Januar 2024 - 13.39

….sind die Grünen und Roten Gutmenschen, die es nicht verkraften die Wahlen verloren zu haben. Sie hatten lange genug Zeit das Problem zu lösen. In den meisten Hauptstädten und kleineren Orte in Europa sind die Bettler aus dem Zentrum verbannt. Hier in Wien sieht man keine, sogar im Zentrum von Milano sind keine. Real gesehen scheint es ein Luxemburger Problem zu sein.

Wagner
31. Januar 2024 - 9.11

Das ganze Ausland lacht, weil wir keine andere Probleme haben als Betteln. Und der Opposition die 10 Jahre hatte um das Problem zu lösen, fällt nicht Gescheiteres ein als den Demokratieuntergang heraufzubeschwören. Viel gefährlicher für die Demokratie waren die autoritären Eingriffe der vorigen Regierung ins Privatleben der Bürger! Das Gesetz war technisch schlecht gemacht, wie so viele in den letzten Jahren, aber das Ziel war richtig; fragen sie die Bürger die jeden Tag über Stromer klettern müssen um aus dem Haus zukommen oder auf der Strasse angepöbelt werden.

Robert Hottua
30. Januar 2024 - 23.22

Gegen die seit 1945 in Luxemburg vorherrschende Sprach- und Straflosigkeit bezüglich der Zerstörung der Grundprinzipien des demokratischen Rechtsstaates muss endlich juristisch vorgegangen werden. MfG Robert Hottua

liah1elin2
30. Januar 2024 - 17.18

@Beat Mosimann Na ja, in der Regierung hatte die damalige Innenministerin dem Anliegen der Stadt Luxemburg nicht stattgegeben. Der jetzige Innenminister sitzt mit seinem vorschnellen Entscheid nun tief in der Tinte, daher würde ich dies als Oppositionspartei auch auskosten. So deppert in die Falle zu tappen wie Herr Gloden ist schon bemerkenswert. Es fehlt dieser Regierung schlicht an Fingerspitzengefühl und sozialer Kompetenz. Besten Grüsse aus dem nahen Echternach.

Beat Mosimann
30. Januar 2024 - 16.30

@ liah 1 / Es sieht ganz so aus. Ich finde nur die Opposition sollte es besser wissen und produktive Oppositionsarbeit leisten anstatt rum zu stänkern und die Bevölkerung zu spalten. Beste Grüsse aus Luxemburg.

liah1elin2
30. Januar 2024 - 12.14

Das erste grosse Geschäft der neuen Regierung und schon im Clinch mit der unabhängigen Justiz, die den Gesetzen verpflichtet ist. Das darf doch nicht der Regierungsstil sein, ohne Empathie gegen berechtigte Anliegen vorzugehen. Es ist erbärmlich erleben zu müssen, wie sich Luxi weiterhin lächerlich macht und wie suffisant dass Thema im Ausland kommentiert wird. Die Opposition hat den Ball dankbar aufgenommen und wird ihn nicht flach halten bei einer solch perfekten Vorlage. Sieht nach einem gewaltigen Eigentor des neuen Luc aus.