Avis zum StaatshaushaltHandwerkskammer: „Die Regierung hat keine andere Wahl“

Avis zum Staatshaushalt / Handwerkskammer: „Die Regierung hat keine andere Wahl“
Tom Wirion: „Vorsicht ist das Gebot der Stunde. (…) Die Situation ist sehr ungewiss. Es gibt derzeit vielerorts keine idealen Lösungen.“ Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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In ihrem Avis zum kürzlich vorgestellten Staatshaushalt für 2023 hat die „Chambre des métiers“ überraschend wenig Kritik geäußert. Kurzfristig sehen die Vertreter des Handwerks keine Alternative zu den Finanzplänen der Regierung. In einigen Punkten machen sie jedoch Verbesserungsvorschläge.

„Es ist in der Tat ein sehr schwieriges Umfeld“, so Tom Wirion gleich zu Beginn der Vorstellung des „Avis“ der Handwerkskammer zum geplanten Staatshaushalt für 2023. Nachdem der Staat erst viel Geld aufbringen musste, um Haushalte und Betriebe im Rahmen der Covid-Krise zu stützen, seien gleich darauf der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise gefolgt. Gleichzeitig gelte es noch, die Energiewende zu finanzieren, sagt der Direktor der Handelskammer.

In den kommenden Jahren (bis 2026) hat die Regierung geplant, jedes einzelne Jahr mit Defizit abzuschließen, so Norry Dondelinger weiter. Nach einem Defizit von 2,3 Milliarden 2020, soll 2023 ein Minus von 1,8 Milliarden Euro in den Büchern stehen. In den beiden folgenden Jahren soll sich das Defizit auf immer noch fast eine Milliarde Euro belaufen. „Problematisch ist, dass das alles durch Schulden finanziert werden muss“, so der Chefvolkswirt der Kammer.

Mit den steigenden Schulden erhöhen sich auch die Zinszahlungen: Im Jahr 2021 waren insgesamt 118 Millionen Euro fällig, im Jahr 2026 werden es voraussichtlich 440 Millionen sein. Gleichzeitig gehen auch im Bereich der Sozialversicherungen die Überschüsse zurück, warnt er. Wegen der alternden Bevölkerung steigen die Ausgaben für Renten und Gesundheit. Langfristig sei das System so „nicht tragfähig“, so Dondelinger. Zwar sollen insgesamt auch die Einnahmen steigen, doch die Ausgaben legen zweimal schneller zu, bemängelt er.

Ein „schwieriges Gleichgewicht“

Für die Regierung sei es ein „schwieriges Gleichgewicht“, das man finden müsse, sagt Wirion. Die Hilfen für Haushalte und Betriebe seien notwendig – gleichzeitig gelte es, die Staatsfinanzen gesund zu halten. Da in der Vergangenheit jedoch nicht genügend Reserven angelegt wurden, sehe auch die Handwerkskammer heute keine Alternative zu steigenden Staatsschulden. „Es geht darum, das Schlimmste zu verhindern“, so Dondelinger.

Gleichzeitig bleibe das Umfeld sehr ungewiss, so der Chefvolkswirt weiter. „Vor allem die Inflation bleibt eine große Unbekannte.“ Eine dritte Indextranche im Jahr 2023, wie zuletzt von Statec prognostiziert, sei noch nicht einmal im Staatshaushalt 2023 eingeplant. Dabei sei im Tripartite-Abkommen vorgesehen, dass der Staat sie – falls fällig – übernehmen würde. Für das Jahr 2024 wünscht sich die Kammer zudem ein „Phasing-out“ der Tripartite-Maßnahmen. Kein abruptes Ende.

Dass die Investitionen des Staates auch weiterhin hoch bleiben sollen, findet die Kammer gut. Auch die angekündigten Maßnahmen zum Vorantreiben des Energiewandels, wie auch zur Stützung der Wettbewerbsfähigkeit, begrüßt die Kammer. Sie hätte sich jedoch mehr Informationen zu den Plänen erhofft. Im Bereich des Wohnungsbaus wünscht sie sich eine größere Einbindung des Privatsektors.

Auch wenn dies alles auf Kosten des Schuldenstandes passiert, „so gibt es in Krisenzeiten keine Alternativen dazu“, sagt Dondelinger. Vor allem, wenn die Nachfrage der Privathaushalte nun zurückgehen sollte, dann sei es wichtig, dass der Staat einspringt, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Etwas mehr „Selektivität“ hätte man sich jedoch im Bereich der Deckelung des Gaspreises vorstellen können, auch um das Sparen beim Verbrauch attraktiver zu machen. Etwa eine Begrenzung auf 80 Prozent des Verbrauchs vom Vorjahr.

Nicht der Moment für eine große Steuerreform

Was die viel diskutierte große Steuerreform anbelangt, so ist die Handwerkskammer ebenfalls einer Meinung mit der Regierung. Dieses unsichere Umfeld sei „nicht der richtige Moment“ dazu, sagt Wirion. „Auch das müsste wieder über Schulden finanziert werden“, so Dondelinger. „Es wäre doppelt schlecht für die Staatsfinanzen: weniger Einnahmen und höhere Zinszahlungen auf den Schulden.“ Zudem würde eine Anpassung der Steuertabellen an die Inflation den derzeit gebeutelten niedrigen Einkommen nur wenig helfen, da diese eh bereits nur wenig Steuern zahlen.

Dass die Regierung „punktuelle Maßnahmen“ angekündigt hat, etwa um gewisse Investitionen steuerlich attraktiver zu machen, begrüßt die Kammer. Sie hätte jedoch mehr Details erwartet. Gleichzeitig wünscht sie sich ein weiteres Voranschreiten des Prozesses der Digitalisierung beim Staat, wie auch eine weitere Vereinfachung der Prozeduren. Beides könne den Bedarf an neuen Mitarbeitern beim Staat dämpfen. Kein anderer Sektor habe zuletzt mehr neues Personal eingestellt, hebt die Kammer hervor.

Fachkräftemangel, Prospektion und Ausbildung

Des Weiteren erklärten die Vertreter des Handwerks am Mittwoch, dass es wichtig wäre, die Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit stärker zu informieren, zu sensibilisieren und zu fördern. Zwar sei im Bereich der erneuerbaren Energien bereits viel passiert, so Gilles Reding, doch könne man noch manches tun. Etwa die Produktions-Kapazitäts-Schwelle, bei der es Hilfen für Fotovoltaikanlagen gibt, erhöhen. Auch Subsidien für Batterien befürwortet die Kammer.

Im Bereich der Elektromobilität sieht sie ebenfalls Spielraum für einen Ausbau der Unterstützungen, etwa für Investitionen in die Infrastruktur. Zudem plädiert sie dafür, auch für andere Energieformen, wie etwa grünen Wasserstoff oder Biotreibstoffe, offenzubleiben.

Ein weiteres Thema für das Handwerk ist die Aus- und Weiterbildung. In allen Bereichen befürchtet man, in absehbarer Zeit mit einer Knappheit an Fachkräften zu kämpfen zu haben. Es gelte, die Schulen wieder näher an die Betriebe zu bringen, sagt Marc Gross. Das Handwerk solle attraktiver vermarktet werden und nicht nur nach einem schulischen Scheitern in Betracht gezogen werden. Es solle wieder „mehr Wert auf manuelle Kompetenzen, wie auch auf eine frühere Orientierung in den Schulen“ gesetzt werden. Daneben wünscht sich der Sektor eine Vereinfachung der Verfahren, um Mitarbeiter aus Drittländern anstellen zu können, und einen Aktionsplan, um in Drittländern nach Kandidaten für das Handwerk in Luxemburg zu werben. Man brauche eine „Strategie für Talente“.

Sobald die Zeit der Krisen jedoch vorbei sei, müsse die Regierung zudem versuchen, finanzielle Reserven anzulegen, hebt die Kammer hervor. In den vergangenen Zeiten des guten Wirtschaftswachstums war das versäumt worden.

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