Das Atelier ist grell beleuchtet. Denn Guillaume Becker muss genau sehen, was er macht. Auf seinem Arbeitstisch liegt ein Eisvogel, der Bauch ist aufgeschnitten. Daneben eine Tabakdose. Der Inhalt ist allerdings nicht zum Rauchen da – sondern zum Ausstopfen. Denn Becker ist Tierpräparator für das Naturmuseum. Der einzige in Luxemburg.
Derzeit arbeite er nur an kleinen Vögeln, entschuldigt sich Becker. Damit man genauer sieht, was er macht, geht er zu einer Tiefkühltruhe. Sein Atelier ist ein abgesonderter Raum in einer Lagerhalle, die vollgepackt ist mit Kisten, ausgestopften Tieren und Knochen. Dort steht auch die Truhe. Er kramt einen Waschbären und einen Polarfuchs hervor, die zu einem Ball zusammengerollt sind. Nicht das ganze Tier, sondern die Haut und das Fell. Jetzt ist nur noch Geduld gefragt. Damit er sein Handwerk demonstrieren kann, müssen die Tiere auftauen.

Herkunft der Kadaver
Die meisten toten Tiere, die Becker erhält, stammen aus Luxemburg oder der Großregion. Entweder erhält er sie frisch – dann sind sie erst seit kurzem tot. Oder sie sind tiefgekühlt. Waschbären werden oft Opfer von Autounfällen. Der Polarfuchs stammt aus einem deutschen Zoo. Das Telefongespräch kann man sich in etwa so vorstellen: „Also, ich habe das und das, interessiert Sie das?“, sagt Becker. Dann entscheidet er, ob er den Kadaver haben will – und macht sich auf den Weg, ihn einzusammeln.
Letztens hat Becker zwei tote Dingos aus dem Bettemburger Park abgeholt, die an Altersschwäche gestorben sind. „Das sind seltene Tiere“, sagt er. In der Sammlung des Museums gab es vorher keine. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem Wildtierpflegezentrum in Düdelingen. „Sobald sie tote Tiere haben, legen sie die ins Gefrierfach“, sagt Becker. „Wir haben dort ein Fach, auf dem Museum steht.“

Manchmal muss Becker sich auch aktiv auf die Suche machen. Etwa, wenn eine Ausstellung ansteht. „Wir kennen durch den Kontakt zwischen den Museen und durch private Kontakte eine ganze Menge Leute“, sagt er. Normalerweise findet er so immer, was er braucht. Wenn es sich um geschützte Arten handelt, kann es aber schnell kompliziert werden. Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen regelt den Handel mit Wildtieren. Aber: Wenn etwas legal gejagt werden darf, darf es auch importiert werden. Becker hatte vor seiner Zeit beim Museum mal einen Eisbären auf dem Tisch liegen. Ein Jäger wollte den präservieren lassen.
Beckers Werdegang
Gelernt hat Becker sein Handwerk von seinem Vater, der als selbstständiger Tierpräparator tätig war. Eine Ausbildung gibt es in Luxemburg nicht. In Frankreich gibt es zwar eine Prüfung, die die Eignung für den Beruf prüft. Die hat er auch absolviert. „Aber eigentlich kann man nur lernen, indem man es macht und jemand anderen dabei beobachtet“, sagt Becker. 2020 wurde er dann vom Naturmuseum angestellt. Die Stelle wurde eigens für ihn geschaffen. Davor war er ebenfalls selbstständig.

Vor Becker hat jemand anders für das Museum als Präparator gearbeitet – jedoch nur nebenbei und nur einmal pro Woche. Becker arbeitet in Vollzeit, er kann sich ganz auf seine Aufgaben konzentrieren. Neben dem Präparieren von Tieren ist er für die Sammlung verantwortlich. In Absprache mit dem Kurator und dem Direktor entscheidet er, welche Tiere darin aufgenommen werden.
Nur die wenigsten Tiere schaffen es in die permanente oder in eine temporäre Ausstellung. Der Großteil geht in die Sammlung. „Das ist auch eine wissenschaftliche Sammlung“, sagt Becker. Forscher können vorbeikommen, wenn sie sich etwas anschauen wollen. Deswegen nimmt er auch von jedem Tier eine DNA-Probe. Das letzte Standbein ist die Bildung. Die Präparate werden in Schulen benutzt, um Kindern die Tiere zu zeigen.
Arbeit als Tierpräparator
Bevor die ausgestopften Tiere in die Sammlung gelangen, ist viel Arbeit erforderlich. Zuerst müssen die toten Tiere vorbereitet werden. Das Waschbär- und Polarfuchsfell sind mittlerweile aufgetaut. Becker nimmt den Kleinbären in die Hand. „Eigentlich ist das hier geschlossen“, sagt er. Er zeigt auf den Bauch. Zuerst muss einem toten Tier die Haut abgezogen werden – und dafür die Unterseite mit einem Schnitt geöffnet werden. Das Fell lässt er natürlich dran. Aber sämtliche Fett- und Muskelreste müssen von der Innenseite der Haut entfernt werden. „Alles organische Material, das verrotten kann, muss weg“, sagt Becker.
Dann ist Waschen angesagt. Die Blutreste müssen entfernt werden, bevor die Haut gegerbt werden kann. Das macht Becker entweder selbst – oder er schickt sie zu einem Gerber in Frankreich. Die Haut wird eingeweicht und bestmöglich von Hand und dann maschinell gereinigt. Dann wird sie in ein Bad eingelegt, mit verschiedensten Chemikalien. Damit wird sichergestellt, dass sich die Haare nicht lösen und nichts verfault. Wie lange dieser Prozess dauert, hängt immer ein bisschen von den Tieren ab, sagt er. Meistens sind es um die 15 Tage.

Bevor Becker das Tier in Form bringen kann, muss er manchmal noch Näharbeiten verrichten. Denn kleine Löcher sind schnell passiert. Auch beim Waschbär war das der Fall. „Alles muss gut und so fein wie möglich sein“, sagt er. Dann holt er eine Form aus PU-Schaum hervor, die einen Wachbären nachbildet. Die anatomisch korrekten Formen kann er bestellen, dafür gibt es Kataloge. Dort kann er zwischen zig verschiedenen Haltungen aussuchen. Aber ganz genau passen tun sie nicht immer, manchmal muss er selbst Hand anlegen. „Im Grunde ist es wie Bildhauerei“, sagt er. Er schneidet dann Stücke ab, oder fügt welche dazu. Dann beendet er die Demonstration und zieht die Haut über die Form – und voilà! Fast steht ein lebensechter Waschbär im Raum.
Zukunftssorgen
Becker ist auch für Instandhaltung zuständig. Es gibt viele Feinde, die sich ihm in den Weg stellen wie Staub und Schädlinge. Aber auch Museumsbesucher. „Beschädigungen durch die Besucher im Museum kommt sehr häufig vor“, sagt er. Wenn ein Exponat einmal kaputt ist, kann er es reparieren. „Das Problem ist, wenn es einmal, zweimal, dreimal, viermal kaputt ist, dann ist es nach einer Weile hinüber.“ Theoretisch zumindest können die präparierten Tiere uralt werden: Das Älteste im Naturmuseum ist von 1870.
Das sind nicht die einzigen Sorgen, die Becker plagen. „Es sieht sehr schlecht aus“, sagt er zur Zukunft seines Berufs in Luxemburg. Während der Beruf in den USA beliebt ist, gibt es in Europa immer weniger von seiner Zunft. Für die Museen und die Forschung ist das ein Problem. Mögliche Alternativen wie eine digitale Sammlung oder ein Foto, das kann man nicht anfassen, sagt Becker. „Daran wird sich nie etwas ändern, das kann das Echte nicht ersetzen.“

Jedem sein Beruf! Für mich wären die Produkte jedoch nichts, weil ich nur makabre Staubfänger darin sehe. Manche lassen ihre innig geliebten Haustiere ausstopfen, ich schaue mir lieber Fotos oder Videos von meinen gegangenen Tieren an, wenn mir danach ist.