Eine erste Liste von Gegenzöllen auf Produkte im Wert von 21 Milliarden Euro, darunter etwa Jeans und Motorräder, war bereits gebilligt worden, sie ist derzeit aber noch ausgesetzt. In den vergangenen Wochen hatte die EU-Kommission eine weitere Liste mit US-Produkten im Wert von insgesamt rund 72 Milliarden Euro vorbereitet. Diese beiden Listen wurden den Diplomatenangaben zufolge nun zusammengefasst.
Insgesamt fiele die Reaktion der EU damit aber deutlich geringer aus als die US-Zölle. US-Präsident Donald Trump hat für den 1. August Aufschläge in Höhe von 30 Prozent auf die meisten europäischen Lieferungen angekündigt. Diese würden nach Einschätzung aus Brüssel europäische Waren im Wert von 370 Milliarden Euro treffen.
Trump sagte am Mittwoch, es würden weiterhin „ernsthafte Verhandlungen“ mit der EU geführt. Er stellte geringere Zollsätze in Aussicht, „wenn sie zustimmen, die Union für US-Unternehmen zu öffnen“. Nähere Angaben machte der US-Präsident nicht. Er fordert regelmäßig, dass die EU mehr US-Waren kauft. Außerdem sind ihm EU-Vorschriften für Verbraucher-, Klima- und Datenschutz sowie in Wettbewerbsfragen ein Dorn im Auge.
Zuletzt schien es in den Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington Fortschritte zu geben. Etwa könnte es nach Angaben mehrerer Diplomaten auf US-Zölle in Höhe von 15 Prozent und zahlreiche Ausnahmen hinauslaufen. Wie auf der anderen Seite das EU-Zollniveau aussehen würde, blieb allerdings weitgehend unklar. Die Zeitung Financial Times hatte am Mittwoch unter Berufung auf übereinstimmende Quellen berichtet, dass eine Einigung zwischen den USA und der EU auf Zölle in Höhe von 15 Prozent bevorstehe. Mehrere Produkte, etwa Flugzeuge, Alkohol und medizinische Geräte, sollten von Zöllen befreit werden.
Merz und Macron drohen mit Gegenmaßnahmen
Gleichzeitig mehrten sich Stimmen, die ein härteres Auftreten gegenüber Trump forderten. Die Bundesregierung sei bereit, „neue Maßnahmen zu entwickeln“, sagte etwa Regierungssprecher Stefan Kornelius nach einem Treffen von Bundeskanzler Friedrich Merz mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Deutschland hatte sich bislang für ein verhältnismäßig vorsichtiges Vorgehen stark gemacht, während Frankreich eher für Härte plädierte.
Der Vorsitzende im Außenhandelsausschuss des EU-Parlaments, Bernd Lange, hat vor einer Einigung mit den USA im Zollstreit nach dem Vorbild der in dieser Woche verkündeten Einigung mit Japan gewarnt. „Der so genannte US-Japan-Deal ist ja im Grunde kein Deal“, sagte Lange dem Nachrichtenportal The Pioneer. „Hier sind nicht zwei zusammengekommen und haben partnerschaftlich ein Ergebnis erzielt. Das ist Erpressung gewesen.“ Japan sei „extrem abhängig vom Export von Automobilen in die USA“. US-Präsident Donald Trump habe das ausgenutzt und Tokio habe 15 Prozent Basis-Zölle auf alles akzeptiert. Deshalb könne diese Vereinbarung keine Grundlage für eine mögliche Einigung zwischen den USA und der Europäischen Union sein.
Am Tag zuvor hat US-Finanzminister Scott Bessent von „guten Fortschritten“ gesprochen. Die Verhandlungen liefen besser als zuvor, sagte er dem Sender Bloomberg TV anlässlich einer neuen Verhandlungsrunde zwischen EU-Handelskommissar Maros Sefcovic und US-Handelsminister Howard Lutnick. Die Zeit drängt: Ab August sollen US-Zölle von 30 Prozent auf europäische Waren fällig werden. Trump hatte die Frist für Verhandlungen Anfang Juli bis dahin aufgeschoben. Ein EU-Kommissionssprecher sagte, mit den USA gebe es sowohl auf Beamten- als auch auf politischer Ebene „intensive Kontakte“.
US-Finanzminister Bessent sieht Washington in dem Konflikt mit den Europäern am längeren Hebel. Jede Eskalation im Handelsstreit werde die EU härter treffen, betonte er. Die von den Europäern vorbereiteten Gegenzölle bezeichnete er als Verhandlungstaktik. „Das würde ich an ihrer Stelle auch tun“, unterstrich er.
In Brüssel sind auch weitergehende Maßnahmen, die aber bisher abgelehnt wurden, in Arbeit, falls der Handelsstreit eskaliert. Die Kommission könnte gegen US-Dienstleister und Digitalkonzerne vorgehen und hätte damit ein weit mächtigeres Druckmittel gegen die Trump-Regierung in der Hand. (AFP)
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