Donnerstag30. Oktober 2025

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Belval„Go with the flow“ – Wie Luxemburgs Studierende und Lehrende ihre Zukunft mit Künstlicher Intelligenz sehen

Belval / „Go with the flow“ – Wie Luxemburgs Studierende und Lehrende ihre Zukunft mit Künstlicher Intelligenz sehen
Wer sich noch informieren will, kann die „Studentefoire“ auch heute, am 31. Oktober, auf dem Campus Esch-Belval besuchen Foto: Carole Theisen

Zwischen Uni-Ständen und Karriereflyern auf der „Studentefoire“ auf Belval ist eines klar: Die Zukunft steht im Zeichen Künstlicher Intelligenz. Kaum jemand kommt noch ohne sie aus – doch die Meinungen darüber, ob das ein Fortschritt oder ein Risiko ist, gehen weit auseinander. Das Tageblatt hat sich umgehört: Wie verändert sie Studium, Beruf, Denken?

„Es ist nicht möglich, KI zu vermeiden. Man muss mit dem Fluss gehen – aber richtig schwimmen lernen“, sagt Antonella Perucca, Mathematikerin an der Universität Luxemburg. Für sie ist der Einzug der Algorithmen kein Grund zur Panik, sondern ein Weckruf zur Selbstreflexion. „Die mathematischen Grundlagen, kritisches und logisches Denken – das sind Kompetenzen, die auch in Zukunft bleiben. KI kann unterstützen, aber sie darf das Denken nicht ersetzen.“

Trotz dieser Gelassenheit reguliert auch die Uni inzwischen den Umgang mit Chatbots und Textgeneratoren. „Wir führen bei Abschlussarbeiten zum Beispiel mündliche Prüfungen ein, um sicherzugehen, dass Studierende wirklich verstehen, woran sie arbeiten“, erklärt Perucca. Sie sieht KI nicht als Feind, sondern als Werkzeug – „ein ,Asset‘, solange man überprüft, was sie liefert.“

Sprachen bleiben menschlich

Jessica Kreins ist Sprachlehrerin am „Institut national des langues“
Jessica Kreins ist Sprachlehrerin am „Institut national des langues“ Foto: Carole Theisen

Ein paar Stände weiter, beim „Institut national des langues“, klingt die Haltung weniger optimistisch. Lehrerin Jessica Kreins beobachtet, wie KI das Klassenzimmer längst infiltriert hat. „Ich bekomme Hausaufgaben, die perfekt formuliert sind – C2-Niveau. Dabei ist der Lernende erst auf B1. Das merkt man sofort. Früher war das nicht so.“ Trotzdem glaubt sie nicht an das Ende des Sprachenlernens. „Eine Sprache funktioniert über Kommunikation. Und Kommunikation ist menschlich. Menschen brauchen Menschen.“

Kreins fürchtet eher um die Berufe, in denen Sprache Ware geworden ist. „Bei Übersetzern, Textern und auch Journalisten wird die KI sicher stärker eingreifen. Ich hoffe nur, dass der kritische Gedanke bleibt – das Nachdenken über etwas, das keine Maschine kann.“

Serge Benassutti lehrt Kino und Audiovisuelles im BTS-Lehrgang des „Lycée des arts et métiers“
Serge Benassutti lehrt Kino und Audiovisuelles im BTS-Lehrgang des „Lycée des arts et métiers“ Foto: Carole Theisen

Im Film- und Audiovisionsbereich sieht Serge Benassutti vom „Lycée des arts et métiers“ die Dinge pragmatisch. „KI ist jetzt auch im Video angekommen. Sie kann Szenen verlängern, Hintergründe generieren, Fehler retuschieren.“ Für ihn ist das kein Weltuntergang, sondern ein Werkzeug für Kreative. „Die Guten werden damit noch besser – die Schlechten bleiben schlecht. Wer Bilder im Kopf hat, kann sie jetzt schneller umsetzen.“ Gleichzeitig warnt er: „Film entsteht aus Begegnung. Wenn alles vor dem Bildschirm passiert, fehlt das Menschliche, das Unvorhersehbare – die Fehler, aus denen Kunst entsteht.“

Dann zieht er einen ungewöhnlichen Vergleich: „Ich sehe das ein bisschen wie in der Holzwerkstatt. Vielleicht machen irgendwann weniger Leute Möbel, weil nicht genug Nachfrage da ist. Gleichzeitig gibt es wieder mehr, die ganz eigene Tische bauen – handgemacht, individuell, für eine kleine Kundschaft, die das Persönliche sucht. So wird es auch mit KI sein. Viele werden schnell Inhalte auf gutem Niveau produzieren können. Aber es wird immer Menschen geben, die das Extra, das Menschliche wollen.“

Zwischen Skepsis und Pragmatismus

Aissatou Barry (l.) macht sich keine Sorgen um KI
Aissatou Barry (l.) macht sich keine Sorgen um KI Foto: Carole Theisen

Zwischen diesen Einschätzungen bewegen sich die Schüler und Studierenden – neugierig und erstaunlich abgeklärt. Aissatou Barry, 22, will später im sozialen Bereich arbeiten. „KI macht mir keine Angst. Sie braucht mich. Wenn ich ihr nichts gebe, kann sie nichts von mir lernen.“

Sie glaubt nicht, dass Algorithmen die menschliche Arbeit in sozialen Berufen ersetzen können. „Wir brauchen Menschen. Im Gesundheitswesen kann KI helfen, Operationen präziser zu machen, ja. Aber sie kann nie den Menschen ersetzen, der da steht, zuhört, fühlt.“ Barry nutzt KI trotzdem im Alltag – ganz selbstverständlich. „Sie hilft mir bei Schularbeiten“, sagt sie. „Und wenn ich eine E-Mail schreiben muss, frage ich, wie ich das formulieren soll.“

Ava Dundon, Julie Pia, Anita Schumacher und Noémie Holtzmer sind sich der Auswirkungen von KI bewusst und sind positiv eingestellt
Ava Dundon, Julie Pia, Anita Schumacher und Noémie Holtzmer sind sich der Auswirkungen von KI bewusst und sind positiv eingestellt Foto: Carole Theisen

Noémie Holtzmer möchte Psychologie studieren. Für sie bringt KI keine Bedrohung, sondern mehr Arbeit: „Je weiter KI sich entwickelt, desto mehr ziehen sich Menschen zurück. Viele sind einsam. Das heißt: mehr psychische Probleme, mehr Bedarf an Psychologen.“ Dass Menschen eines Tages mit Chatbots über ihre Sorgen sprechen, hält sie für unwahrscheinlich. „Wir brauchen den menschlichen Kontakt. Mit einer Maschine würde ich nicht reden.“ Ihre Freundinnen Ava Dundon und Pia Julie interessieren sich für Kriminologie – und sehen in der Technologie eher ein Werkzeug als eine Konkurrenz: „KI kann helfen, Daten schneller zu analysieren, Fingerabdrücke auszuwerten oder Fälle zu dokumentieren. Das spart Zeit.“

Ihre Freundin Anita Schumacher will in Richtung Management gehen und zeigt sich realistischer. „Maschinen ersetzen schon heute viele Jobs. Trotzdem bleibe ich überzeugt, dass Handwerk und Kreativität ihren Wert behalten. Es wird immer Menschen geben, die etwas Echtes wollen.“

Andere betrachten die Entwicklung mit nüchterner Distanz. Der 23-jährige José Ramos, angehender Ingenieur, sagt: „Ich sehe KI als Hilfe. In der Elektrotechnik kann sie Prozesse effizienter machen. Aber sie braucht Energie – und genau die will ich produzieren.“

Luana will Jura studieren und sieht KI als Bereicherung in diesem Feld
Luana will Jura studieren und sieht KI als Bereicherung in diesem Feld Foto: Carole Theisen

Schülerin Luana, die sich für Jura interessiert, spürt die Ambivalenz: „Positiv ist, dass KI uns Arbeit abnehmen kann. Negativ, dass sie uns vielleicht auch Chancen wegnimmt. Doch wir nutzen KI jetzt schon jeden Tag in der Schule. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich einfach – und bekomme sofort eine Antwort.“

Zwischen Euphorie und Skepsis entsteht ein neues Verhältnis zur Technik: pragmatisch, aber nicht resigniert. KI ist hier kein futuristisches Monster, sondern längst Alltag. Schülerin Aissatou Barry bringt es beiläufig auf den Punkt: „Wir werden vielleicht fauler – aber bestimmt auch klüger.“