Am 22. und 23. März stand Luxemburg ganz im Zeichen der Solidarität: Zum 20. Mal fand der „Relais pour la vie“ der Fondation Cancer statt – ein bewegendes Event, das Krebspatientinnen, Überlebende, Angehörige und Unterstützerinnen zusammenbrachte, um gemeinsam Stärke zu zeigen.
In der Coque und online vereinten sich mehr als 15.000 Teilnehmende rund um ein Ziel: Hoffnung schenken, erinnern, gemeinsam kämpfen. Dabei wurde rund um die Uhr ein symbolischer Staffelstab weitergegeben – sei es beim Gehen, Laufen oder Radfahren.
Die feierliche Eröffnungszeremonie am Samstagabend mit offiziellen Reden, berührenden Zeugnissen und der traditionellen „Survivor & Caregiver Tour“ mit mehr als 200 Teilnehmenden bildete den Auftakt. Am Sonntag erzeugte die „Cérémonie des bougies“ einen Moment des Gedenkens und der Zuversicht – hunderte Kerzen brannten für geliebte Menschen und all jene, die mitten im Kampf gegen den Krebs stehen.
Hinter all diesen Momenten stehen persönliche Geschichten – mutige Stimmen von Menschen, die den Krebs überlebt haben. In den folgenden Porträts erzählen sie, was der „Relais pour la vie“ für sie bedeutet und wie sie gelernt haben, wieder ins Leben zu finden.
„Ich habe nie Angst vor dem Tod gehabt“ – Roberta Alberotanza überlebt drei Krebserkrankungen

Roberta Alberotanza, 76, ehemalige Kulturkoordinatorin der italienischen Botschaft in Luxemburg, ist dreifache Krebsüberlebende. „Ich hatte drei verschiedene Krebsarten – ein Melanom, akute myeloische Leukämie und vor vier Jahren ein Sarkom in der Gebärmutter. Und trotzdem: Ich habe nie Angst vor dem Tod gehabt.“ Ihre Stimme bleibt ruhig, ihre Worte bestimmt.
Ihr erster Krebs kam mit 36 – in einer Zeit des Umbruchs. „Ich war mitten in der Scheidung. Es war eine unglaublich belastende Phase. Und ich bin überzeugt, dass mein Körper auf diesen seelischen Schmerz mit Krankheit reagiert hat.“ Das Melanom an ihrer Ferse wurde rechtzeitig entdeckt. „Mein Körper hat sich gewehrt. Er hat eine Art Schutzschicht um den Tumor gebildet. Die Ärzte sprachen von einem medizinischen Wunder.“
Später, während eines Arbeitsaufenthalts in Marseille, kam die Leukämie. „Ich war so erschöpft, dass ich nicht mal mehr die Treppe zu meiner Wohnung hochkam. Ich hatte nur noch 70.000 Blutplättchen.“ Es folgten 42 Tage Intensivstation. „Die Ärzte sagten mir: Vor zehn Jahren wären Sie gestorben. Heute haben wir Sie retten können.“
Trotz der Rückschläge blieb ihr Lebenswille ungebrochen. „Ich arbeite heute noch zehn Stunden am Tag. Wenn ich nicht gehen muss, geht es mir gut“, sagt sie mit einem Lächeln. Beim „Relais pour la vie“ lässt sie sich im Rollstuhl über die Strecke schieben – „mit drei Fahnen: italienisch, luxemburgisch, europäisch“: „Ich will zeigen, dass man überleben kann.“
Ihr Rat an andere? „Medizinische Kontrollen sind wichtig. Lasst euch testen! Hört auf euren Körper. Und vor allem: Habt Lust zu leben. Diese Kraft ist stärker, als man glaubt.“
„Wir haben jeden Tag gehofft“ – Sara Lopes über den Kampf ihres Sohnes gegen den Krebs

Gabriel ist zwei Jahre alt, als die ersten Symptome auftauchen: Rückenschmerzen, Fieber, Schlafprobleme. Die Ärzte tappen im Dunkeln – bis eines Tages alles sehr schnell geht. „Um 16 Uhr nachmittags wurde er ins MRT geschickt. Um 19 Uhr abends lag er schon im OP-Saal“, erzählt seine Mutter Sara Lopes. Die Diagnose: ein metastasierender Medulloblastom – ein bösartiger Hirntumor.
Was folgt, ist ein Albtraum: acht Operationen, 40 Chemo-Sitzungen, 60 Hochdosisbehandlungen, über 50 Narkosen – in einem isolierten Zimmer in Paris, fern von zu Hause. „Wie erklärt man einem zweijährigen Kind, dass es das Zimmer nicht verlassen darf? Dass es jeden Tag gestochen werden muss?“
Gabriel verliert Gewicht, kann nicht mehr laufen, nicht mehr sprechen. Nach der Behandlung muss er alles neu lernen: krabbeln, gehen, kommunizieren. „Er hat uns jedoch nie vergessen. Seine Erinnerung blieb intakt.“ Die linke Körperhälfte bleibt auch heute noch geschwächt. „Er läuft heute noch nicht richtig. Aber er kämpft. Jeden Tag.“ Trotzdem schöpft Sara Kraft aus kleinen Fortschritten. „Er geht wieder zur Schule. Er läuft ohne Rollator. Und er lacht wieder.“
Was ihr hilft? Hoffnung – trotz aller Prognosen. „In Paris sagten sie anfangs, dass er kaum eine Chance hat. Und trotzdem lebt er. Sie sagen heute noch: ‚Wir hätten nicht gedacht, dass wir ihn wiedersehen.‘“
Ihre Botschaft an andere Eltern: „Nie die Hoffnung verlieren. Nicht auf Statistiken schauen. Nicht googeln! Jeder Tag zählt. Und manchmal – manchmal passieren Wunder.“
„Es war alles zu viel – aber ich bin noch da“ – Candida Aires Rei ringt bis heute mit der psychischen Belastung ihrer Krebserkrankung

Zwei Tage nach dem Urlaub beginnt es: ein starker, stechender Schmerz unter dem Arm. Candida tastet selbst – und spürt einen Knoten. Ihre Gynäkologin reagiert sofort. Die Mammografie und erste Ultraschalluntersuchung zeigen: nichts.
Doch Candida bleibt hartnäckig, zeigt dem Radiologen die Stelle. Dann wird er bleich. „Ich habe das in meiner ganzen Karriere noch nie erlebt“, erklärt der Arzt. Dann geht alles schnell – Biopsie. Diagnose: Brustkrebs. Ein sieben Zentimeter großer Tumor, aggressiv, fortgeschritten. „In dem Moment fühlte ich mich verloren“, erzählt sie. „Ich habe sofort an meine Tochter gedacht. Was wird mit ihr, wenn ich sterbe?“
Eine Mastektomie folgt im November 2022, danach sechs Monate Chemotherapie und Bestrahlung. „Erst dort habe ich realisiert, dass meine Brust wirklich weg ist. Und dass Menschen mich anders anschauen.“
Neben der körperlichen Belastung kommt auch die seelische – Depressionen, Erschöpfung, Schmerzen überall. Auch heute, in Remission, kämpft Candida mit Spätfolgen. „Ich kann nicht mehr acht Stunden arbeiten. Ich bin vergesslich. Mein ganzer Körper ist müde.“ Viele Behördenwege, vor allem als Mitinhaberin eines Unternehmens, erschweren die Situation. Unterstützung seitens des Systems fehlt oft.
Doch Candida gibt nicht auf. Sie ist in psychologischer Begleitung, geht Schritt für Schritt. Und sie findet klare Worte für andere: „Tastet euch ab. Hört auf euren Körper. Und sucht euch Menschen, die wirklich für euch da sind. Es müssen nicht viele sein – aber ehrliche.“
„Es hat meine Sicht aufs Leben verändert“ – Diane Muschang über Krankheit, Mut und Selbstbestimmung

Mit 48 Jahren erhält Diane Muschang die Diagnose Brustkrebs. Es ist ein Moment, der alles verändert – nicht nur medizinisch, sondern auch persönlich. „Ich war vorher nicht besonders sozial“, erzählt sie. „Ich hatte meine Familie, meine Eltern – das war’s. Aber plötzlich kamen so viele Menschen auf mich zu, haben mir Mut gemacht. Das war unglaublich. Ich habe gemerkt, wie viel Unterstützung da war. Und das hat mir richtig gutgetan.“
Nach der Diagnose folgt eine intensive Zeit: Operation, Chemotherapie, Bestrahlung, sieben Jahre Hormontherapie. Körperlich meistert Diane vieles erstaunlich gut, doch seelisch gerät ihr Leben aus dem Gleichgewicht – nicht zuletzt, weil ihr damaliger Ehemann mit ihrer neuen Offenheit nicht umgehen kann. „Er hat nicht verstanden, warum ich plötzlich so viele soziale Kontakte hatte“, sagt sie. „Und irgendwann stellte sich heraus, dass er seit sechs Monaten eine andere Beziehung führte.“
Sie zieht klare Konsequenzen, reicht die Scheidung ein – und kümmert sich gleichzeitig um ihre alternden Eltern. Trotz allem verliert Diane nicht ihren Lebensmut. Die Krankheit hat sie wachgerüttelt. „Ich glaube fest daran, dass Seele und Körper zusammenhängen. Wenn es der Seele nicht gut geht, zeigt sich das irgendwann im Körper. Der Krebs war wie eine Botschaft: So kann es nicht weitergehen.“
Auch nach dem Ende der Therapien bleibt die Angst – vor Rückfällen, vor Kontrollterminen. „Jede Kontrolle ist Stress.“ Aber Diane bleibt kämpferisch.
Ihr stärkster Antrieb? „Man darf die Lebensfreude nicht verlieren. Auch nicht nach der Chemo. Gerade dann nicht.“
Kim Schortgen: „Ich habe alles alleine gemacht – aber heute weiß ich: Das muss man nicht“

Mit 50 nimmt Kim Schortgen zum ersten Mal am Mammografie-Screening teil. „Ich bin adoptiert, ich kannte keine Familiengeschichte. Mein Arzt hatte mich oft geschickt – aber ich bin nie gegangen.“ Doch beim Screening wird etwas entdeckt – klein, fast unsichtbar, aber gefährlich. Die Diagnose folgt: ein hochaggressiver Brustkrebs. Schnell wird klar, dass eine Mastektomie notwendig ist, gefolgt von Chemo- und Immuntherapie. „Hätte man den Tumor nicht gefunden, wäre meine Prognose sehr schlecht gewesen.“
Emotionen überrollen sie wie eine Welle: „Ich habe in der Weihnachtszeit angefangen, mein Testament zu schreiben. Ich war 50, mein Kind stand am Anfang der Uni, meine Mutter ist allein – das war einfach nicht vorgesehen.“
Doch nach außen gibt sie sich stark. „Ich habe niemanden mitgenommen zu Terminen, nie jemandem etwas aufgebürdet. Ich habe immer gesagt: Ich mache das alleine.“ Aber innerlich bricht sie oft zusammen. „Ich saß zu Hause, habe geweint, wollte Stühle gegen die Wand schlagen – hätte ich nur die Kraft gehabt.“
Heute rät sie anderen: Hilfe annehmen. „Ich habe alles selbst gemacht, obwohl man mir in der Klinik Unterstützung angeboten hatte.“ Erst Jahre später nimmt sie diese an. „Es hätte vieles leichter gemacht.“
Heute arbeitet Kim wieder als Schulpsychologin – reduziert, aber erfüllt. Sie hat gelernt, auf sich selbst zu achten. „Ich wähle heute selbst, wofür ich Energie habe. Ich muss nicht überall dabei sein. Und ich habe Frieden damit und mit mir selbst geschlossen.“
„Man hat keine Zeit, nachzudenken“ – Maria-José Gonzalez über Angst, Stärke und das Leben nach dem Krebs

Als bei einer Routine-Mammografie zwei verdächtige Stellen auftauchen, beginnt für Maria-José Gonzalez eine Zeit voller Unsicherheit. „Ich musste fast einen Monat auf die Biopsie warten. Diese Wochen waren die schlimmsten – mit dieser ständigen Angst im Nacken“, erzählt sie. „Ich habe nachts wachgelegen und gedacht: Vielleicht sagen sie mir bald, dass ich nur noch wenige Monate zu leben haben.“
Die Diagnose bestätigt den Verdacht: zwei aggressive Tumore, Grad 3. Kurz vor der geplanten Operation zeigt ein Scan, dass auch ein Lymphknoten befallen ist – die Behandlung beginnt mit Chemotherapie. „Als endlich etwas passierte, war ich fast erleichtert. Ich fühlte mich nicht mehr ohnmächtig. Man tut etwas – das gibt Kraft.“
Die 64-jährige Maria-José erhält wöchentliche Chemotherapie, kombiniert mit Immuntherapie. Sie verliert ihre Haare, ihren Geschmackssinn – aber nicht ihren Lebensrhythmus. „Ich konnte weitermachen. Das war wichtig für mich.“
„Körperlich geht es mir heute gut“, sagt sie. „Aber ich fühle mich verändert. Man ist nicht mehr dieselbe Person. Ich lebe heute bewusster – Tag für Tag.“ Der Blick auf den eigenen Körper ist ambivalent. „Ich fühle mich ein wenig entstellt. Ich habe eine große Narbe – aber das wird nicht so bleiben.“ Eine Rekonstruktion ist geplant.
Was sie getragen hat? Ihre Familie. „Mein Mann und meine Familie waren sehr positiv. Er hat gesagt: Wir schaffen das gemeinsam. Und das haben wir.“
De Maart






































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