Sara Wolf kam eigens mit ihrer 17-jährigen Tochter aus Israel, um der Stolpersteinverlegung in Esch und in Schifflingen beizuwohnen. Denn die Steine erinnern auch an ihre 1942 in Auschwitz ermordeten Verwandten, das Ehepaar Heinrich und Johanna Nussbaum (geb. Schmitz) sowie dessen 1932 geborenen Sohn Marcel. In einer ergreifenden Rede las Sara Wolf den letzten Brief vom zehnjährigen Marcel vor und betonte, dass die Fackel der Erinnerung an die nächste Generation weitergegeben werden muss. Das letzte Lebenszeichen von Johanna, Heinrich und Marcel Nussbaum sind ihre Namen auf der Transportliste des Zuges Nummer 30 von Drancy bei Paris nach Auschwitz am 9. September 1942.
In einer bewegenden Zeremonie fand am vergangenen Freitag eine Gedenkfeier auf dem Escher Synagogen-Platz im Beisein zahlreicher Gäste, u.a. des Schifflinger Bürgermeisters Paul Weimerskirch, des Escher Kulturschöffen Pim Knaff, des Escher Rabbiners Alexander Grodensky und des Präsidenten der „Frënn vum Resistenzmusée“, Jim Goerres. Begleitet wurde die Feier durch musikalische Einlagen des Cellisten André Mergenthaler mit ausgewähltem Repertoire: gleich zu Beginn das Werk „Kol Nidrei“ von Max Bruch, das auf dem jüdischen Gebet „Kol Nidre“ basiert, das am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertages, dem Jom Kippur, gesprochen wird. Nach den sehr persönlichen, sogar betroffenen Reden der geladenen Gäste und der Nationalhymne begaben sich die Teilnehmer zu den letzten Wohnsitzen der Opfer des NS-Regimes, um die Stolpersteine in den Bürgersteig einzulassen.

Normalerweise verlegt der deutsche Künstler Gunter Demnig, der die Stolperstein-Aktion in den 90er-Jahren ins Leben gerufen hat, die in Handarbeit hergestellten Messingtäfelchen selbst. Doch Pandemie-bedingt hatte der Künstler sein Kommen abgesagt. Die Verlegung der Steine wurde deshalb sowohl in Esch als auch in Schifflingen von den jeweiligen Gemeinden übernommen.
Bei jedem Stein, der stellvertretend für das jeweilige Opfer mit entsprechender Andacht ins Trottoir eingelassen wurde, lasen Historiker des Escher Resistenzmuseums Biografie und Schicksal der ehemaligen Bewohner vor. Dies wurde in Esch von Elisabeth Hoffmann und in Schifflingen von Jérôme Courtoy vorgenommen. Dazu sprach der Rabbi ein Gebet. Weiße Rosen wurden von den Teilnehmern auf den Täfelchen niedergelegt und die Vertreter der Gemeinde legten einen Kranz nieder. Es war ein berührender Moment.

Erst wenige Minuten nach der Verlegung blieben schon die ersten Passanten stehen, hielten an und schauten sich die in Messing eingravierten Namen genau an. Die meisten der Menschen wurden Opfer des Holocausts und der menschenverachtenden Rassenideologie der Nazis. Andere waren Widerständler. Sie wurden vertrieben, deportiert oder ermordet. Die Stolpersteine, die am Freitag vor den letzten Wohnstätten verlegt wurden, sollen an sie, die vor nicht allzu langer Zeit noch unter uns lebten, erinnern.
Das „Musée national de la Résistance“ bietet Gedenk- und Stolperstein-Rundgänge in Esch und Schifflingen an. Weitere Infos unter: www.mnr.lu oder per E-Mail an [email protected].

De Maart
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