
Einer der vielen Vorteile unserer Wein-Serie ist, dass uns alle Winzer, mit denen wir bisher gesprochen haben, eine Verköstigung ihrer edlen Tropfen angeboten haben. Doch der Tropfen kann noch so edel sein, das Gespräch noch so gesellig: Wenn wir neben unserer Hobbywinzerei auch noch eine Zeitung produzieren wollen, müssen wir manchmal auf den „Patt“ verzichten. Wein ohne Alkohol wurde uns bisher noch nicht angeboten. Die Frage stellt sich also: Warum sollten wir diesen nicht einfach selbst produzieren?
Die Antwort unserer Parzellen-Patentante Corinne Kox: „Ich bin kein Fan, aber das heißt nicht, dass ihr es nicht machen dürft.“ Theoretisch wäre es also möglich – die Winzerin rät allerdings davon ab. Gründe dafür gibt es mehrere. Zum einen kann das Traubengetränk ohne Alkohol geschmacklich nicht mit dem Original mithalten. Der Grund: „Du verlierst den Charakter des Weines und du hast keinen Abgang“, erklärt uns Paul Thill vom luxemburgischen Weinbauinstitut (IVV). Seine Begeisterung für dieses Produkt hält sich ebenfalls in Grenzen.

Alkoholfreier Wein wird zunächst wie herkömmlicher Wein hergestellt, bevor ihm der Alkohol durch Vakuumdestillation bei niedriger Temperatur entzogen wird. Dieses Verfahren soll mehr Aromastoffe erhalten, während der Alkoholgehalt auf maximal 0,5 Prozent reduziert wird. Laut europäischem Lebensmittelrecht dürfen Sekt, Wein oder Bier als „alkoholfrei“ bezeichnet werden, wenn sie höchstens 0,5 Volumenprozent Alkohol enthalten. Trotz niedriger Temperaturen verliere man bei der Produktion die „alkoholgebundenen Aromen“, sagt Thill. Deswegen benutzen Winzer besonders aromastarke Rebsorten, die den fehlenden Geschmacksträger Alkohol ausgleichen sollen.
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Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
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„Kein Mega-Boom“

Dennoch steigt die Nachfrage nach entalkoholisiertem Wein. Laut dem Deutschen Weininstitut (DWI) lag der Anteil von alkoholfreiem Wein 2022 in Deutschland zwar nur bei einem Prozent des gesamten Weinkonsums, bei Sekt waren es jedoch schon fünf Prozent. Das DWI prognostiziert für diese Segmentsparte jedenfalls weiterhin Wachstum. Vor allem junge Menschen würden immer öfter auf Alkohol verzichten. „Es ist kein Mega-Boom – die große Industrie erhofft sich sehr viel davon, weil der Weinkonsum zurückgeht“, sagt hingegen Paul Thill. Tatsächlich gebe es in Luxemburg bisher nur zwei Produzenten: Vinsmoselle und Domaine Schlink. Doch trotz der Zuwächse bleibt der Markt klein. „Man kommt von Null“, so Thill.
Bier hat da 20 Jahre Vorsprung, das ist eine andere Qualität.
Das Sortiment wächst vor allem in Deutschland weiter an. „Es gibt viel mehr Produkte, aber die Qualität geht runter, weil sie einfach mehr Zucker hinzufügen“, kritisiert Thill. Gerade beim Wein sei es schwierig, die verloren gegangenen Aromen zurückzugewinnen. Um dieses Problem zu lösen, würden hauptsächlich die großen Industriebetriebe momentan viel forschen. „Bier hat da 20 Jahre Vorsprung, das ist eine andere Qualität.“ Beim Schaumwein sieht er mehr Potenzial: „Der desalkoholisierte Schaumwein ist schon ein gutes Produkt. Es hat noch eine gewisse Spritzigkeit. Das trinkt sich gut, wenn es kalt ist.“
Energieintensive Produktion
Corinne Kox sieht in der Produktion allerdings noch ein weiteres Problem: „Dem Wein den Alkohol zu entziehen, kostet enorm Energie. Das ist ein Industrie- und kein Artisanalprodukt.“ Der Wein muss für diesen Prozess nach Deutschland transportiert, dort in Flaschen abgefüllt und anschließend wieder zurückgebracht werden. Ein Aufwand, der sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich fragwürdig ist. Durch diese zusätzlichen Schritte kostet der Wein nämlich üblicherweise auch mehr.
„Es gibt so gute Produkte ohne Alkohol, dann brauchen wir keinen Wein ohne Alkohol.“
Entalkoholisierter Wein ist also teurer in der Produktion, schlechter für die Umwelt und schmeckt üblicherweise nicht so gut wie der normale Wein. Hinzu kommt: Auch die Philosophie vieler Winzer passt nicht zu dieser Art der Produktion. Für uns bedeutet das: Der entalkoholisierte Wein ist für die Domaine Tageblatt keine Option – zumindest so lange sich die Prozesse nicht verbessern. Oder in den Worten unserer Parzellen-Patentante: „Es gibt so gute Produkte ohne Alkohol, dann brauchen wir keinen Wein ohne Alkohol.“
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