Die neue Haftanstalt Uerschterhaff ist künftig nur Untersuchungshäftlingen vorbehalten, die auf ihren Prozess warten oder sich gerade in einer Verhandlung befinden. 300 Insassen werden in dem hochmodernen Sicherheitskomplex untergebracht, womit das Gefängnis in Schrassig mit seinen derzeit mehr als 520 Häftlingen deutlich entlastet wird. Ab diesem Zeitpunkt werden dort nur noch verurteilte Verbrecher ihre Haftstrafe absitzen. Die freigesetzten Mittel sollen integral in den Aufbau einer modernen Infrastruktur fließen, die den Resozialisierungsgedanken in den Mittelpunkt stellt und den Anforderungen eines Strafvollzuges im 21. Jahrhundert gerecht wird.
Die Schlüssel der neuen Haftanstalt für Untersuchungshäftlinge erhält die Gefängnisverwaltung am 1. Januar 2022. Bis dahin gehören die Gebäude am Uerschterhaff offiziell noch der „Administration des bâtiments publics“. Anschließend werden sämtliche Bereiche getestet, bevor das Gefängnis am 20. September in Anwesenheit zahlreicher Ehrengäste, darunter auch Großherzog Henri, offiziell eingeweiht wird. Die ersten Häftlinge ziehen am 1. Oktober kommenden Jahres ein. Bis Januar 2023 soll die Strafvollzugsanstalt in Schrassig dann nach und nach entlastet werden.
Bis dahin aber bleibt noch genug zu tun: So sehen sich die Behörden aktuell mit Lieferengpässen konfrontiert, etwa was Bildschirme anbelangt. Doch Legil zeigt sich zuversichtlich. Dass die Einrichtungen rechtzeitig fertig werden, davon ist der Direktor der Gefängnisverwaltung überzeugt. Man wolle aber auch sicherstellen, dass sämtliche Systeme und Abläufe auf Herz und Nieren geprüft werden.
Computer oder Statisten
Allein die Tests sollen einige Monate in Anspruch nehmen. Schließlich handelt es sich um ein System, das auf den modernsten Sicherheitstechnologien gründet. „Die Sicherheit, Türen, Kameras, Lichter … alles wird elektronisch gesteuert. Das müssen wir gründlich testen, bevor wir die ersten Untersuchungshäftlinge aufnehmen“, unterstreicht Legil. Dabei will die Gefängnisverwaltung hauptsächlich auf Programme der Hersteller zurückgreifen, die alle möglichen Szenarien durchspielen. Anfängliche Pläne, den Gefängnisalltag mit Statisten zu simulieren, wurden indessen hintenan gestellt. Die Idee sei zwar noch nicht ganz vom Tisch, jedoch könnten die Versicherungen den Behörden einen Strich durch die Rechnung machen, weswegen man vorwiegend auf informatische Hilfsmittel zurückzugreifen gedenkt.
Auch was die Bewegungsabläufe angeht, wird man nichts dem Zufall überlassen. So sind in einer Haftanstalt etwa sämtliche Gehwege vorgezeichnet, damit sie überall von Kameras aufgefasst werden. Diese Abläufe müssen laut Legil noch definiert und einprogrammiert werden. Mit dem Vorteil, dass die Gehwege im Vergleich zur Haftanstalt in Schrassig viel kürzer ausfallen.
Wegen der vielen Sicherheitstüren und Schließmechanismen brauchen Wärter dort mehr als 20 Minuten, um einen Häftling von einem Ende des Gefängnisses zum anderen zu begleiten. Im Schnitt absolviert ein Wärter in Schrassig bis zu 18 Kilometer am Tag. Es sind dies Bewegungsabläufe, die mit einem hohen Zeit- und Personalaufwand verbunden sind. Das wollen die Behörden in Sanem nun verhindern, indem sie nicht nur auf kurze Wege setzen, sondern auch auf eine gewisse Autonomie.
Durch die Automatisierung der Türen etwa können sich die Untersuchungshäftlinge künftig im Uerschterhaff viel freier bewegen. Nur noch in Ausnahmefällen werden sie von Wärtern begleitet, sondern vielmehr von Kameras. Dafür werden sie mit einem Badge ausgestattet, der den Zugang zu erlaubten Arealen regelt. So sollen sich Untersuchungshäftlinge bekanntlich nicht mit Komplizen absprechen können. Ein Badge kann so programmiert werden, dass sich zwei oder mehrere Betroffene nicht über den Weg laufen können.
Drei Stunden Dachbesuch
Ein weiteres Novum ist der Freigang. Dieser soll in beiden Anstalten nicht nur auf drei Stunden angehoben werden, sondern in Sanem auch in luftigen Höhen stattfinden. Tatsächlich müssen die Insassen auf das Dach ausweichen. Aus Platzgründen sei es nicht möglich gewesen, so Legil, den Hof für Freigänge im Erdgeschoss anzulegen. So soll unter anderem vermieden werden, dass unerlaubte Gegenstände und Substanzen über die Mauer in die Haftanstalt gelangen.
Die Untersuchungshäftlinge werden ab dem 1. Oktober 2022 nach und nach im Uerschterhaff „einziehen“. „Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder alle Untersuchungshäftlinge aus Schrassig in einer Nacht und Nebelaktion nach Sanem zu überführen oder die Anstalt nach diesem Stichdatum sukzessive mit neuen Untersuchungshäftlingen zu belegen“, so Legil. Aus Sicherheitsbedenken und aus logistischen Gründen habe man sich für Letzteres entschieden. Auf diese Weise soll die Zahl der Untersuchungshäftlinge in Schrassig bis Januar 2023 auf ein Minimum abgebaut werden.
„Ab diesem Zeitpunkt haben wir dann nur noch die Hälfte der Häftlinge in Schrassig. Einen Block können wir dann sofort schließen. Die dadurch frei gestellten Wärter können dann anderen Aufgaben zugeordnet werden“, meint Legil. Dringend notwendig seien etwa Verbesserungen der Haftbedingungen von Frauen, Jugendlichen, Ersttätern und älteren Häftlingen sowie bessere Rahmenbedingungen für unbewachte Besuche.
Alles neu bis 2037
Als allererstes werde man einen ganzen Block nur für weibliche Häftlinge einrichten sowie eine Abteilung für Senioren. Tatsächlich werden immer längere Strafen ausgesprochen, auch werden die Verbrecher bei ihrer ersten Tat immer älter. Weiter geplant ist auch ein sogenannter „weißer Block“ mit strengsten Kontrollen für Abhängige und Häftlinge, die freiwillig nicht (mehr) mit Drogen in Kontakt kommen wollen, ein Block für Ersttäter sowie Abteilungen für unbelehrbare Wiederholungstäter und Häftlinge, die vor sich selbst oder Mitinsassen geschützt werden müssen. Geplant sind auch fünf Zellen für Risiko-Häftlinge, die den Bedingungen eines Hochsicherheitstraktes entsprechen. „Wir hoffen, dass wir diese Zellen nie gebrauchen müssen, doch wir wollen vorbereitet sein“, betont Legil.
In Planung seien auch angebrachte Räume für unbewachte Besuche. Und das sowohl für Häftlinge, die lediglich ihren Partner empfangen wollen, als auch für Insassen mit Kindern mitsamt einem kleinen Areal an der frischen Luft. In Sanem können entsprechende Räumlichkeiten ab dem 1. Oktober 2022 genutzt werden. Für Schrassig ist noch kein Zeitplan vorgesehen. „Doch es bestehen bereits Pläne“, versichert Legil. Denn: Auch wenn unbewachte Besuche ohne Kinder seit dem 1. November auf Druck von außen wieder eingeführt werden konnten, seien die Bedingungen aktuell noch fragwürdig, wie der Direktor zugibt.
Bis 2037 laufen die Erneuerungspläne für die Strafvollzugsanstalt in Schrassig. Was die Behörden aber nicht daran hindert, die Anstalt mittelfristig in die Sicherheitskategorie 3 überzuführen: ein Gefängnis, das den meisten Häftlingen innerhalb der Gitter und Mauern eine weitläufige Bewegungsfreiheit gewährleistet. Aktuell handelt es sich bei Schrassig um ein Gefängnis der Kategorie 2. Die offene Vollzugsanstalt in Givenich hingegen wird der Sicherheitskategorie 4 zugeordnet.
„Es wird immer gesagt, die Reform des Luxemburger Strafvollzuges gründe auf der neuen Haftanstalt in Sanem. Mit der Eröffnung des Uerschterhaff aber erschließen sich auch für Schrassig ganz neue Perspektiven“, betont Legil im Gespräch mit dem Tageblatt.
De Maart

Freigang auf dem Gefängnis Dach um Helikopter schnell und sicher zu erreichen, oder ?