Wolfgang Mayer hat den Kommentar-Button auf seinem Facebook-Profil deaktiviert. Der Top-Manager des oberösterreichischen Familienunternehmens Backaldrin, das weltweit Mischungen für Backwaren wie den auch außerhalb Österreichs bekannten „Kornspitz“ vertreibt, sieht sich in sozialen Medien mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert. Die beziehen sich nicht auf seinen Job bei Backaldrin, sondern auf den als russischer Honorarkonsul. Vor dem Überfall auf die Ukraine kolportierte Mayer das russische Narrativ von der NATO-Bedrohung Russlands, pries Kremlchef Wladimir Putin in Interviews als friedfertigen Weltpolitiker, mit dem „sicher gut zu verhandeln ist“ und empfahl die Lektüre von Daniele Gansers Buch „Illegale Kriege: Wie die NATO-Länder die UNO sabotieren“. Der von „Russia Today“ viel zitierte Schweizer Historiker hat den seiner Meinung nach 2014 von den USA in Kiew organisierten „Putsch“ zur „Wurzel des Ukraine-Krieges“ erklärt.
Naive Russophilie
Manager wie Mayer hat Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wohl mitgemeint, als er der Wirtschaftskammer kürzlich vorhielt, diese habe Putin einen „roten Teppich mit Schleimspur“ ausgerollt. Der türkise Kammerpräsident Harald Mahrer protestierte lautstark, doch Österreichs Außenwirtschaftspolitik kennzeichnet tatsächlich eine naive, wenn auch bisher lukrative Russophilie gepaart mit generöser Nachsicht für russische Vergehen. Diese beruht auf einem Gründungsmythos der Zweiten Republik, deren Souveränität auch als Produkt weinseeliger Heurigenstimmung in den Verhandlungen mit Stalin dargestellt wird.
Obwohl die Realität des Pokers um die Freiheit eine brutalere war, fördert die sympathische Legende bis heute eine in der Alpenrepublik weit verbreitete Verniedlichung russischer Machtpolitik. Ein Jahr nach Putins Krim-Annexion etwa scherzte Mahrers Vorgänger Christoph Leitl in Wien mit Staatsgast Putin unter den Augen des darob nur belustigten Bundespräsidenten Heinz Fischer über eine Aufteilung der unter den Habsburgern teilweise österreichischen Ukraine. Noch am Tag vor der russischen Invasion im Nachbarland würdigte Leitl den Kremlchef als „genialen politischen Schachspieler“. Um die Welt ging im August 2018 das Bild vom Kniefall Karin Kneissls (FPÖ) nach einem Tanz mit Putin, der mit Saphir-Ohrringen im Wert von 50.000 Euro als Geschenk extra zur Hochzeit der damaligen Außenministerin in die Südsteiermark gereist war.
Hintertriebene Diversifizierung
Erst jetzt wird die Kritik an der auf allen Ebenen grassierenden Putin-Begeisterung lauter. Auch aus der Wirtschaft. Österreich sei gezielt in eine Abhängigkeit von Russland gelenkt worden, sagt Gerhard Roiss. Der 2015 geschasste Ex-Chef des teilstaatlichen Energiekonzerns OMV wirft den Akteuren vor, „ihre eigenen finanziellen Interessen über jede Moral gestellt“ zu haben. Roiss hatte nur umsetzen wollen, was seit ersten Druckabfällen in der Gazprom-Pipeline im Zuge des russisch-ukrainischen Konfliktes im Winter 2005/6 eigentlich Credo der Bundesregierung war: Diversifizierung der Anbieter. Roiss diversifizierte, setzte unter anderem auf das EU-Land Rumänien, wo der größte Gasfund in der Konzerngeschichte gelang.
Doch laut Roiss gab es andere Ziele: „Die OMV sollte Basis dafür sein, die wechselseitigen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Russland zu vertiefen. Da wurde kräftig lobbyiert.“ Rainer Seele passte besser in dieses Konzept. Der Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer riss als neuer OMV-Boss das Ruder herum: „Man soll nur auf einer Hochzeit tanzen“, fand Seele und verkaufte Assets in Rumänien, der Türkei und Pakistan. Die OMV-Anteile an Ölplattformen in der Britischen Nordsee gingen an Gazprom, in der Ostsee finanzierte die OMV mit einer Milliarde Euro Gazproms umstrittene Nord-Stream-2-Pipeline mit. Dieses Investment wurde nun ebenso wie jenes in sibirische Gasfelder abgeschrieben.
Blitzbesuch bei Putin
„Wir haben das Risiko unterschätzt, das sich mit Russland ergibt“, muss der seit einem halben Jahr amtierende Seele-Nachfolger Alfred Stern jetzt einen teuren Ausrutscher auf der Schleimspur zugeben. Noch teurer wird es für alle Österreicher, wenn sich die EU tatsächlich zum Gas-Embargo gegen Russland durchringen sollte. Niemand weiß, woher dann die fehlenden vier Fünftel des Gasverbrauches kommen sollen. Deshalb wehrt sich Wien noch heftiger als Berlin gegen ein Auffahren dieses schwersten aller Sanktionengeschütze gegen Putin. Deshalb flog Nehammer am Montag als erster EU-Regierungschef seit Kriegsbeginn nach Moskau, um bei Putin von niemandem sonst gesehene Friedenschancen auszuloten. Und deshalb nahm er mit diesem Blitzbesuch auch das Risiko in Kauf, dass Österreich, trotz hinter verschlossen Türen geäußertem Klartext zu russischen Kriegsverbrechen, in den Verdacht einer in dieser Situation unangebrachten Äquidistanz gerät.
Demokratur-Sehnsucht
Die politische Verantwortung für die Gas-Abhängigkeit ist offenkundig. Der durch einen Syndikatsvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten als zweitgrößtem Shareholder zur Dominanz aufgewertete Staatsanteil an der OMV wurde in der Zeit der Fixierung auf Russland vom damaligen ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling verwaltet, der im Jahr 2018 wenige Monate nach seinem Abgang einen Gazprom-Beratervertrag für Nord Stream 2 bekam.
„Wir haben nun nicht mehr nur Oligarchen aus dem Osten, wir haben längst auch kleine Austro-Oligarchen“, sagt Ex-OMV-Boss Roiss und meint damit neben Schelling vor allem den seinerzeitigen Vorsitzenden der staatlichen Beteiligungsgesellschaft ÖIAG, Siegfried Wolf. Der ist, wie Seele, Träger des russischen Freundschaftsordens, Aufsichtsratschef der infolge der Sanktionen geschlossenen Sberbank Europe und Teilhaber am russischen Automobilbauer GAZ des Oligarchen Oleg Deripaska, für den Wolf 2018 bei Kanzler Sebastian Kurz vor dessen USA-Reise für eine Aufhebung der US-Sanktionen interveniert hatte.
Vor allem ist der bestens in der ÖVP vernetzte Investor ein Bewunderer Putins, den er oft getroffen und dabei eigenen Angaben zufolge auch so weltbewegende Probleme wie „Wenn man nicht schwul ist, ist man nicht in“ besprochen hat. Der Kremlchef sei „ein sehr, sehr, sehr korrekter Mann“, hatte Wolf vier Monate nach der Krim-Annexion in einem Interview gesagt und Putins „Leadership“ als Vorbild für die EU gepriesen: „Da würde ich mir ein bissl mehr russische Demokratur wünschen.“
Ringen um Gas-Zuteilung
So manche Russland-Freundschaft ließ der Ukraine-Krieg in die Brüche gehen. Hans Unterdorfer, Chef der Tiroler Sparkasse, setzte mit seinem Rücktritt als russischer Honorarkonsul in Innsbruck ein Zeichen. Sein oberösterreichischer Kollege Wolfgang Mayer hält weiter die Stellung – und lobbyiert schon bei Kanzler Nehammer mit Blick auf drohende Gas-Rationierungen für ausreichende Zuteilungen an die Bäckereibranche, sollte es demnächst mangels Russengas zu erhöhter Rutschgefahr auf der eigenen Schleimspur kommen.
De Maart
Und Deutschland mit seinem ,Mann im Kreml ,Gerd Schröder?
Weitergeführt von Mutti aus der Uckermark- mit ihrer Politik der kleinen Schritte hat Scholz jetzt alle Hände voll um aus der Misere rauszukommen.