Montag10. November 2025

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Cloche d’Or„Frau ohne Furcht und Tadel“: Enkelinnen erzählen in neuem Buch von ihren Großmüttern

Cloche d’Or / „Frau ohne Furcht und Tadel“: Enkelinnen erzählen in neuem Buch von ihren Großmüttern
Mit „Eis Groussmammen“ geben die „Femmes pionnières“ der Leserschaft einen Einblick in vergangene Zeiten Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ob ruhig, energiegeladen oder durchsetzungsstark: 15 Autorinnen zeichnen im Buch „Eis Groussmammen“ die Charakterzüge und Familiengeschichten ihrer Großmütter nach. Das Tageblatt hat sich mit drei von ihnen unterhalten.

„Les grands-mères ont plus d’influence qu’on ne le pense sur la personnalité de leurs petits-enfants.“ Dieses Zitat des ehemaligen französischen Justizministers Robert Badinter steht nicht umsonst im Vorwort des Sammelwerks „Eis Groussmammen“. 15 Politikerinnen, Schriftstellerinnen und Journalistinnen zeichnen in diesem Buch diverse Familiengeschichten nach – von der Herausforderung der damaligen Lebensverhältnisse über Beziehungen bis hin zu emotionalen Erlebnissen.

Der gemeinnützige Verein „Femmes pionnières du Luxembourg“ stellte das Buch am Donnerstagmorgen in der „Librairie Ernster“ im Einkaufszentrum „Cloche d’Or“ vor. Zehn der 15 Autorinnen gaben den Anwesenden dabei einen Einblick in vergangene Zeiten. „Wir wurden alle geprägt von den Dingen, die unsere Großmütter uns auf den Weg gegeben haben“, sagt Joëlle Letsch, Präsidentin der „Femmes pionnières“. Diese seien nicht unbedingt alle positiv. Dennoch sind die Frauen sich einig, dass ihre Großmütter eine wichtige Rolle gespielt haben und dass sich in der Zwischenzeit viel verändert habe. „Als Frauen müssen wir auch weiterhin unseren Weg gehen, damit wir die Rechte, die wir uns erkämpft haben, behalten können“, betont Joëlle Letsch.

Ruhig, aber durchsetzungsstark

Christiane Kremer hat in den vergangenen Jahren viel Neues über ihre Oma dazugelernt
Christiane Kremer hat in den vergangenen Jahren viel Neues über ihre Oma dazugelernt Foto: Editpress/Julien Garroy

Verlegerin und Kulturjournalistin Christiane Kremer behält ihr Abiturjahr nicht in bester Erinnerung. Ihre Großmutter Anne Kremer-Feyder (1905-1980) verstarb während der Osterferien, kurz vor den Abschlussprüfungen ihrer Enkelin. „Ich war damals im ‚Première‘-Stress, daran kann ich mich noch gut erinnern“, sagt Christiane Kremer. Sechs Wochen später traf es auch den Großvater: „Er hat sich morgens in den Sessel gesetzt und ist auch gestorben. Ich hatte den Eindruck, dass er sich gesagt hat, wenn sie geht, dann tue ich es auch.“

Auch wenn die Erinnerung an die „Première“ schmerzhaft war, behält Christiane Kremer ihre Großmutter in guter Erinnerung. „Ich kannte sie eigentlich als ruhige Frau, die alles im Griff hatte und sich nie in den Vordergrund schob“, sagt sie. Einen Text über sie zu schreiben, habe die Vorstellung, die sie von ihr hatte, jedoch verändert. „Ich dachte, ich würde sie gut kennen, weil ich viel mit ihr erlebt habe.“ Ein Austausch mit ihrer Tante und ihrem Onkel habe ihr jedoch einige Dinge offenbart, die sie nicht über ihre Großmutter wusste: Wegen Differenzen in der Familie ihres Partners, mit der sie nach ihrer Heirat zusammenlebte, beschloss Anne Kremer-Feyder um 1930, wieder zurück nach Hause zu ziehen. Somit zwang sie auch ihren Mann, zu reagieren. „Das hat mich schon ein wenig überrascht“, gibt Christiane Kremer zu. „Meine Oma war eine Frau, die sich viel mehr durchgesetzt hat, als ich das in Erinnerung hatte.“

Hebamme „mit Leib und Seele“

Josiane Weber bewundert vor allem das Durchsetzungsvermögen ihrer Großmutter
Josiane Weber bewundert vor allem das Durchsetzungsvermögen ihrer Großmutter Foto: Editpress/Julien Garroy

Für Josiane Weber, Mitglied im Verwaltungsrat der „Femmes pionières“ und Historikerin, ist ihre Großmutter ein Vorbild. Eigentlich sollte Josephine Kasel-Irrthum (1907-1984) heiraten. Stattdessen absolvierte sie – entgegen der Forderungen ihres Vaters – eine zweijährige Hebammenausbildung im Pfaffenthal. Anschließend hat sie sich 1933 als Freischaffende in ihrem Heimathaus in Beles etabliert. „Damals gab es noch nicht viele Hebammen, die in Entbindungsstationen gearbeitet haben“, erklärt Josiane Weber. Ihre Großmutter habe sich ihrer Arbeit jedoch „mit Leib und Seele“ gewidmet. Zweimal am Tag habe sie sich auf ihr Rad geschwungen, um bei schwangeren Frauen nach dem Rechten zu sehen. Dass Ende der Fünfzigerjahre Kinder immer häufiger auf Entbindungsstationen zur Welt kamen, gefiel der Hebamme allerdings nicht. „Sie hat dann allmählich aufgehört und nur noch Kinder zu Hause auf die Welt gebracht für Mütter, die das wollten.“

Josiane Weber bewundert ihre Großmutter vor allem für ihr Durchsetzungsvermögen. „Sie war eine sehr energische und starke Frau“, sagt sie. „Aber sie war auch sehr liebevoll und hat sich gut um uns gekümmert.“ Ihr Haus war immer für Nachbarskinder offen. „Das kann man nicht mit der heutigen Situation vergleichen“, sagt Josiane Weber.

„Meine Oma ganz neu entdecken“

Beim Schreiben konnte Sandie Lahure ihre Oma „ganz neu entdecken“
Beim Schreiben konnte Sandie Lahure ihre Oma „ganz neu entdecken“ Foto: Editpress/Julien Garroy

Sandie Lahure, Vizepräsidentin der „Femmes pionnières“, Kommunikationsbeauftragte und ehemalige Journalistin, bezeichnet ihre Großmutter als „Frau ohne Furcht und Tadel“. „Sie war sehr gläubig und bodenständig“, sagt sie. „Und sie hat von klein auf schon sehr viel gearbeitet“. Als älteste von acht Kindern half Catherine Lahure-Schmitz (1920-2015), ihre jüngeren Geschwister großzuziehen. „Sie hatte es nicht einfach, aber sie war immer sehr freudig und energiegeladen“, sagt ihre Enkelin. Das habe sie allerdings erst richtig gemerkt, als sie die Geschichte ihrer Oma nacherzählt hat. „Ich mochte sie sehr gerne, doch der Einfluss, den sie auf mich hatte, kam erst beim Schreiben. Das finde ich aber das Geniale an diesen Storys. So konnte ich meine Oma ganz neu entdecken.“

Sandie Lahure freut sich, ihrer Großmutter einen Platz im Buch widmen zu können. „Frauen sind heutzutage natürlich in einer anderen Situation als früher, aber ich finde es enorm wichtig, dass die Geschichten unserer Großmütter in diesem Buch stehen. Ansonsten verschwinden sie in der Versenkung.“ Dies sei auch in Anbetracht des Wahlergebnisses in den Vereinigten Staaten notwendig. „Wir Frauen müssen einander unterstützen. Nur so können wir vorankommen“, schließt Sandie Lahure ab.