PorträtForsan will Luxemburg beim Eurovision Song Contest 2024 vertreten

Porträt / Forsan will Luxemburg beim Eurovision Song Contest 2024 vertreten
Xavier van Damme alias Forsan: „Ich musste lange damit kämpfen, meinen Platz in Luxemburg zu finden. Ich hatte immer den Gedanken im Hintergrund, dass ich mich mehr beweisen muss.“ Foto: Editpress/Alain Rischard

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Rappen vor dem Großherzog, Hip-Hop-Workshops mit Gefängnisinsassen und Psychiatrie-Patienten – und jetzt auch eine Kandidatur beim Eurovision Song Contest 2024: Rapper und Produzent Forsan (27) scheut nicht davor, auch wenig betretene Pfade einzuschlagen.

Ob auf CD-Covern oder seiner eigenen Kleidungsmarke, das Logo mit dem Wolfskopf ist stets präsent. Das Tier hat der junge Künstler bewusst als Markenzeichen gewählt. Wer sich allerdings einen mürrischen Eigenbrötler vorstellt, irrt. Xavier van Damme alias Forsan, der als „Assistant social“ in einem Lyzeum arbeitet, tritt freundlich und ehrlich auf. Er verbringt gerne Zeit mit seiner Familie, hat drei Katzen und einen Rottweiler, entwirft Kleidung für seine gleichnamige Marke, ist seit seiner Jugend in Filmen und Werbungen zu sehen und treibt gerne Sport, vor allem Muay Thai.

Seit 15 Jahren macht er Musik, vor mehr als zehn Jahren fing er an zu rappen – bislang ausschließlich auf Französisch – und dieses Jahr kamen Produktion und Beatmaking hinzu. Für seine eigenen Songs und die anderer Künstler. Nicht nur Rapper nehmen bei ihm Musik auf – „Stanley Quinn, ein junger luxemburgischer Sänger, bewegt sich beispielsweise eher im Stil von Billie Eilish“, sagt Forsan. Das sei für ihn neu, aber nicht weniger interessant.

Luxemburg sucht Künstler für den ESC

Neben der Produktion hat er neulich ein anderes Projekt in Angriff genommen. Nach 30-jähriger Abwesenheit kehrt Luxemburg im kommenden Jahr auf die Bühne des Eurovision Song Contest (ESC) zurück. Forsan hat sich beworben – und bereits die erste Hürde geschafft: Er kam nach der Vorentscheidung in die nächste Runde. „Es gibt drei Kategorien. Die erste wendet sich an Künstler, die noch keinen eigenen Song haben. Die zweite richtet sich an etablierte Künstler. Sie kommen im Oktober an die Reihe“, erklärt der Luxemburger. „Im Januar werden die einen gegen die anderen antreten: die weniger erfahrenen gegen die erfahrenen. Das wird öffentlich gezeigt. Dann gibt es noch eine dritte Kategorie für Songwriter, die einen Beitrag für einen der Kandidaten erschaffen wollen. Diese Vorentscheidungen sind nicht für das breite Publikum einsehbar, wurden allerdings für die Produzenten gefilmt. Sie können mit Künstlern in Kontakt treten und darüber reden, wer mit wem zusammenarbeiten will.“

Zu der Frage, warum er bei den weniger erfahrenen Künstlern ohne eigenen Song angetreten ist, obwohl er seit einem Jahrzehnt rappt und eigene Stücke vortrug, antwortet Forsan lachend: „Das war ein Fehler bei der Einschreibung. Ich hatte mich eigentlich für die beiden Kategorien angemeldet. Die Veranstalter meinten, das könnte man aber so durchgehen lassen, und so trat ich in der ersten Kategorie an. Es ging vor allem darum, die Performance zu zeigen.“ Im Oktober wird er erneut vor die Jury treten. Am 27. Januar steht dann fest, wer Luxemburg beim ESC 2024 in Schweden vertreten wird.

Im Homestudio werden Songs aufgenommen, gemixt und gemastert
Im Homestudio werden Songs aufgenommen, gemixt und gemastert Foto: Editpress/Alain Rischard

Wer sind denn die Kandidaten, die sich bislang gemeldet haben? „Ich habe viele Frauen gesehen, die Coversongs vortrugen“, verrät Forsan. „Es waren viele Balladen dabei, in puncto Alterskategorien auch mehrere etwas ältere Menschen. Auch die Kombination ‚Frau, die singt, und Mann, der sie mit der Gitarre begleitet’ war öfters zu sehen.“ In Sachen Hip-Hop sei er erst mal alleine auf weiter Flur. Auch härtere Töne in Richtung Rock und Metal seien bei der ersten Vorentscheidung nicht zu hören gewesen. Doch mit der zweiten könnte sich das ändern. Der Luxemburger bedauert nur, dass der Aufruf zur Kandidatur nicht besonders sichtbar gewesen sei. Viele hätten es gar nicht mitbekommen. Er findet, es hätte mehr auch bei jungen Menschen beworben werden können.

Musik ist schon immer ein Teil von ihm gewesen, erzählt der junge Künstler dem Tageblatt. Mit zwölf Jahren hörte er viele Rockbands und lernte, Gitarre zu spielen. Damals bewunderte er die Luxemburger Hip-Hopper eher aus der Ferne. T The Boss, Rebel, L.I.L Star, Godié, Dorian und Louvar – sie alle waren für ihn Stars. „Wenn ich sie im Bus gesehen habe, habe ich mich nicht getraut, mit ihnen zu reden, weil ich dachte: Wow, das sind die Rapper aus Luxemburg!“

Ursprünglich aus Kolumbien

Auf dem Rückweg einer Klassenfahrt schrieb er seinen ersten Rapsong. „Ich wusste gleich: Das ist etwas, das ich unbedingt machen will.“ Positive Reaktionen von Freunden gaben ihm den nötigen Boost. Doch das war nicht immer so. Denn ­Xavier van Damme, der in Kolumbien geboren wurde und im Alter von drei Monaten von einem belgischen Vater und einer luxemburgischen Mutter adoptiert wurde, musste lange damit kämpfen, seinen Platz in Luxemburg zu finden. „Ich hatte immer den ­Gedanken im Hintergrund, dass ich mich mehr beweisen muss, dass ich mich übertreffen muss“, sagt er.

Dieses Gefühl begleitet den ehrgeizigen Künstler seit der Kindheit und kommt in von Zweifeln geprägten Phasen wieder. Manchmal gebe es kein Feedback und als Musiker stelle man sich die Frage: Hat das überhaupt einen Wert? „Ich habe gemerkt, dass es einen Wert hat, als ich angefangen habe, Musik für mich zu machen“, sagt der 27-Jährige. Der mittlerweile schon fast klischeehaft verwendete Satz in Musiker-Interviews, dass Musik Therapie sei, nimmt bei ihm einen besonderen Stellenwert ein: „Auch wenn ich Texte nur für mich schrieb, sie nicht unbedingt veröffentlichte oder anderen zeigte, hat mir das ermöglicht, mich künstlerisch weiterzuentwickeln.“

Autobiografische Züge finden sich häufig in seinen Texten wieder, wenn auch in umgewandelter Form. Im Song „S’il te plaît“, den er 2018 mit der Sängerin Julie veröffentlicht hat, geht es um Alkohol am Steuer. Forsan hat selber Menschen gekannt, die auf diese Weise verunfallt sind, auch wenn sie anders hießen als die Person in dem Song. „Die Texte sind immer komplett auf mich basiert und entweder auf mich oder auf mein Umfeld bezogen.“

Au bord du bolide, il roulait beaucoup trop vite „Non mais quoi, pourquoi tu t’es déjà foutu une grosse cuite?“ 160 km/h, le gars ne l’écoutait pas Suite logique de cette terreur, dans le sang un peu trop de vodka Et à ce moment-là, le drame s’était produit La voiture dérapa, la carrosserie en débris

Auszug aus dem Song „S’il te plait“

Zusammenarbeit mit Bandana

Vor einigen Jahren kam er nach seinem Studium in Belgien zurück nach Luxemburg. Eine Zeit, die ihn maßgeblich geprägt hat. „In Louvain-la-Neuve habe ich die meiste Musik gemacht. Es ist eine Stadt mit vielen jungen Menschen und vielen Impulsen. Ich konnte mich dort wirklich ausleben.“ Mit so viel Motivation im Gepäck ging es zurück nach Luxemburg, doch dann kam die Covid-Zeit. Forsan nutzte sie, um sich Kenntnisse im Bereich Produktion, Mixing und Mastering anzueignen: „Ich habe Tag und Nacht Tutorials geschaut.“

Dadurch kam so manche unerwartete Zusammenarbeit zustande – darunter, ganz rezent, mit niemand anderem als dem Luxemburger Rapper Bandana, der 2015 beim Videodreh zu seinem Song „Squad“ einen Polizeieinsatz ausgelöst hatte. Forsan, der Rapper mit eher nachdenklichen Lyrics, und Gangsta-Rapper Bandana – wie passt das zusammen? Offenbar ganz gut, erzählt Ersterer: „Ich habe ihn durch einen Freund kennengelernt und je öfter wir uns trafen, desto mehr bemerkten wir, dass wir sehr viel gemeinsam haben. Bandana war auch einer der Ersten, die mir bei den Aufnahmen vertraut haben.“ Zwischen den beiden ist nicht nur eine Freundschaft entstanden, sondern auch ein Song, „Toxic Lover“. Es sind noch weitere gemeinsame Projekte geplant. Und Forsan verrät: „Bandana will das Gangsta-Image ein wenig brechen. Ich kann nur so viel verraten: Die EP, die er bei mir aufgenommen hat, wird anders als das sein, was wir von ihm kennen.“

Auftritte hat er bereits viele hinter sich. Zu seinen bisherigen Highlights gehören seine Performance beim Konzert des französischen Rappers Médine 2018 im Atelier und jene vor dem Großherzog am Nationalfeiertag 2019. Forsan bleibt bei seinen Wurzeln: Er ist dem Gaspericher Jugendhaus seit Jahren verbunden und nahm 2019 mit ihm am Fackelzug in Luxemburg-Stadt teil, mitsamt anschließendem Auftritt. Es sei nie sein Ziel gewesen, einmal vor dem Großherzog zu rappen, doch diese Episode in seiner bisherigen Musikkarriere bezeichnet Forsan als „richtig starken Moment“.

Besonders bereichernd sei auch seine Beteiligung an Projekten in Psychiatrien und Gefängnissen gewesen, wo er den Patienten oder Insassen dabei half, eigene Rapbeiträge zu schreiben. „Ich wollte den Leuten dabei helfen, dass sie etwas herausbringen, sich ausdrücken. Und das zu sehen, hat mich unglaublich geboostet.“ Clicks, Ruhm oder Berühmtheit – das ist für ­Forsan zweitrangig. „Wenn ich jemandem dabei helfen kann, zu schreiben oder zum Beispiel einen ersten Auftritt zu absolvieren, macht mir das noch mehr Freude.“ Vorher habe er mehr Druck verspürt, regelmäßig neues Material herauszuhauen. Seine Vision und Einstellung gegenüber der Musik haben sich im Laufe der Jahre verändert.

„Ich habe gemerkt, dass es einen Wert hat, als ich angefangen habe, Musik für mich zu machen“
„Ich habe gemerkt, dass es einen Wert hat, als ich angefangen habe, Musik für mich zu machen“ Foto: Editpress/Alain Rischard

Auftritte hat er bereits viele hinter sich. Zu seinen bisherigen Highlights gehören seine Performance beim Konzert des französischen Rappers Médine 2018 im Atelier und jene vor dem Großherzog am Nationalfeiertag 2019. Forsan bleibt bei seinen Wurzeln: Er ist dem Gaspericher Jugendhaus seit Jahren verbunden und nahm 2019 mit ihm am Fackelzug in Luxemburg-Stadt teil, mitsamt anschließendem Auftritt. Es sei nie sein Ziel gewesen, einmal vor dem Großherzog zu rappen, doch diese Episode in seiner bisherigen Musikkarriere bezeichnet Forsan als „richtig starken Moment“.

Die eigene Kleidungsmarke mit dem Logo
Die eigene Kleidungsmarke mit dem Logo Foto: Editpress/Alain Rischard

Besonders bereichernd sei auch seine Beteiligung an Projekten in Psychiatrien und Gefängnissen gewesen, wo er den Patienten oder Insassen dabei half, eigene Rapbeiträge zu schreiben. „Ich wollte den Leuten dabei helfen, dass sie etwas herausbringen, sich ausdrücken. Und das zu sehen, hat mich unglaublich geboostet.“ Clicks, Ruhm oder Berühmtheit – das ist für Forsan zweitrangig. „Wenn ich jemandem dabei helfen kann, zu schreiben oder zum Beispiel einen ersten Auftritt zu absolvieren, macht mir das noch mehr Freude.“ Vorher habe er mehr Druck verspürt, regelmäßig neues Material herauszuhauen. Seine Vision und Einstellung gegenüber der Musik haben sich im Laufe der Jahre verändert.

Natürlich träumt er von Auftritten auf großen Festivals, wie viele andere Künstler auch. Doch egal, wie groß oder klein die Bühne ist und wie viele Menschen vor ihm stehen, sein Credo lautet: Immer die gleiche Energie geben. „Wenn ich Musik mache, bin ich ganz im Projekt drin“, sagt er.

Bald auch Songs auf Luxemburgisch

Egal, ob es mit dem ESC klappt oder nicht, Musik wird Forsan weiter machen. Wohin die Entwicklung geht? „Einfach dem Feeling nach.“ Eine Überraschung hält er aber bereit: „Es wird künftig auch Songs von mir auf Luxemburgisch geben.“ Ob es düsterer oder heiterer sein wird, werden die Menschen nicht wirklich vorhersagen können, doch „es wird etwas sein, was ich erlebt habe“.

Zugleich ist er sich der Veränderungen in der Musikszene bewusst. Hörgewohnheiten und Aufmerksamkeitsspanne der Menschen haben sich verändert, nicht zuletzt durch die sozialen Medien. „Die Konzentration ist komplett flöten gegangen. Manche Leute hören sich ja nicht mal einen kurzen Freestyle an“, sagt er und bezieht sich hierbei auf die eineinhalbminütigen „Forstyles“, die er auf YouTube veröffentlicht. „Doch man kann es den Menschen nicht übelnehmen. Man muss eben wissen, wie man das umwandelt. Ich mache es so, indem ich schaue, dass meine Songs kürzer sind und mehr Impakt haben. Statt Refrains gibt es eventuell nur noch zwei, oder ich fange gleich mit dem Refrain an. Man muss sich der Zeit anpassen.“

Sowohl in Sachen Musik als auch Kleidung gilt für ihn die Devise: „Man kann präsent und selbstbewusst sein, aber auch mal diskreter und trotzdem etwas machen.“ Selbst auf einem schlichten dunklen Sweatshirt habe das kleine Logo mit dem Wolf eine Wirkung. „Der Wolf kann sowohl in einer Meute leben als auch alleine klarkommen. Er steht immer wieder auf. Er ist kein Tier, das unbedingt im Rampenlicht stehen will, kann aber genauso viel Lärm machen.“ Forsan geht eben seinen Weg – immer mit dem Fell des Wolfes.