26. Oktober 2025 - 14.02 Uhr
Akt.: 26. Oktober 2025 - 14.06 Uhr
L’histoire du temps présentFolgen der Urheimatthese? Als Familien siebenbürgisch-sächsischer SS-Offiziere in den Wohnungen Luxemburger Abgesiedelter lebten
Im Folgenden wird am Beispiel des SS-Oberführers Stefan Hedrich (1880-1975) auf die Umsiedlung von Familien siebenbürgisch-sächsischer SS-Offiziere eingegangen, die überwiegend in Wohnungen Luxemburger Abgesiedelter untergebracht wurden.
In den 1930er Jahren durchlief die siebenbürgisch-sächsische Minderheit in Rumänien sowohl politisch als auch kirchlich eine „Nazifizierung“ zeitgleich von außen und von innen, die ab 1938 zu ihrer vollkommenen Gleichschaltung führte.1) Das völkische, konspirative und antisemitische Gedankengut war in der siebenbürgisch-sächsischen Gemeinschaft durchaus vorhanden,2) doch der Hauptgrund des Erfolgs des Nationalsozialismus lag bei dieser Gruppe anders. Bis 1876 hatte sie über eine Autonomie verfügt, die der 1867 neu gegründete ungarische Staat jedoch zu dem Zeitpunkt im Geist des Zentralismus abschaffte. Es folgten eine Politik der Magyarisierung, und, nach dem Anschluss Siebenbürgens an Rumänien 1918, der Rumänisierung, wodurch sich die jahrhundertealte siebenbürgisch-sächsische Gemeinschaft mit ihrer ausgeprägten, oft an deutschen Universitäten geformten Bildungsschicht unterdrückt und erniedrigt fühlte, besonders der überwiegend ländlichen und ungeschulten ethnisch rumänischen Bevölkerung gegenüber, von der sie fürchtete, demografisch überholt und assimiliert zu werden. In diesem Zusammenhang dürfte der nationalsozialistische Diskurs den Mitgliedern der Minderheit das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem großen Volk gegeben haben, durch die sie als Deutsche zu überleben hoffen konnten. Allerdings war dieses Überleben gerade durch Hitler selbst bedroht. Infolge einer seiner protzigen Reden musste das Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt, zu dem Moment Organ der Volksgemeinschaft der Deutschen in Rumänien, das heißt der nationalsozialistisch geprägten Dachorganisation der Rumäniendeutschen, am 31. Oktober 1939 mitteilen, „daß die Umsiedlung für unsere Volksgruppe nicht in Betracht kommt“.3) Dann, durch den Wiener Schiedsspruch vom 30. August 1940, zwang Hitler Rumänien, einen Teil des sächsisch besiedelten Siebenbürgens (Regen/Reghin und Bistritz/Bistrița) an Ungarn abzutreten – obschon er noch am 26. Juli dem rumänischen Ministerpräsidenten erklärt hatte, „daß das von Deutschen bewohnte Gebiet bei Rumänien bleiben müsse“.4) Dies spaltete die Geschichte der siebenbürgisch-sächsischen Gruppe endgültig. Der nordsiebenbürgische, nun in Ungarn wohnende Teil, sollte – anscheinend auf einen Befehl Hitlers hin!5) – im September 1944 fast komplett nach Westen evakuiert werden, während der südsiebenbürgische, weiterhin zu Rumänien gehörige Teil bis zur großen Auswanderung 1990-1991 fortbestehen sollte.
Die Umsiedlungen nach Luxemburg
Mittlerweile war Luxemburg am 10. Mai 1940 von NS-Deutschland besetzt worden, das Schritte zur ethnischen Homogenisierung des Landes eingeleitet hatte. Hierzu sollte zunächst eine Volkstumskartei angelegt werden; deshalb wurden der Personenstandsaufnahme vom 10. Oktober 1941 Fragen zur Muttersprache und Volkszugehörigkeit zugefügt, die infolge der Anweisungen der Resistenz überwiegend mit „Luxemburgisch“ oder nicht beantwortet wurden (siehe Tageblatt vom 12. Mai, 26. Mai, 23. Juni und 7. Juli 2024). Die gewünschte Homogenisierung scheiterte letztendlich auch an der von den gleichen Behörden betriebenen Repression. Infolge der Einführung der Wehrpflicht in der deutschen Wehrmacht am 30. August 1942 durch Verordnung des Gauleiters Gustav Simon, Chef der (NS-)Zivilverwaltung in Luxemburg, wurden Luxemburger Familien (obwohl als volksdeutsch eingestuft) wegen des Generalstreiks am 31. August 1942 und später für die Fahnenflucht ihrer Söhne und politische Vergehen abgesiedelt. Am 6. September entschied der Gauleiter diese „Umsiedlungsaktion, welche jene Luxemburger umfaßt, die zwar deutschen Blutes sind, aber auf Grund ihrer bisherigen politischen Haltung nicht die Gewähr dafür geben, daß sie Reichsangehörige in einem deutschen Grenzgebiet sein können“.6) Hiervon waren bis zum Ende des Regimes 4.187 Menschen (1.138 Familien) betroffen.7) Diese Absiedlungen wurden nur zu etwa einem Viertel durch Umsiedlungen „deutschstämmiger“ Menschen aus anderen Teilen des von NS-Deutschland kontrollierten Territoriums oder alliierten Staaten nach Luxemburg wieder wettgemacht. Umsiedlungen nach Luxemburg erfolgten ab der Jahreswende 1942/1943 und liefen bis Juli 1944. Am 1. Dezember 1943 waren laut einer Statistik des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums bereits 358 Personen aus Südtirol sowie 72 Personen (48 Familien) aus der „Westumsiedlung“ in Luxemburg angesiedelt worden, zu denen sich eine unbekannte Zahl Umgesiedelte aus der „Ostumsiedlung“ hinzugesellte;8) am 1. Juni 1944 waren es 547 Personen aus der „Ostumsiedlung“ (davon 241 Menschen aus der Südbukowina und 279 aus Bosnien), 429 aus Südtirol und 98 (65 Familien) aus der „Westumsiedlung“, also insgesamt 1.074 Menschen.9) 15 Rundschreiben zufolge wurden im Ganzen 327 Familien nach Luxemburg umgesiedelt. Obwohl die Zeitung der Resistenzgruppe Unio’n, welche die Rundschreiben nach dem Krieg publizierte, die Umgesiedelten als „De’ 5. Colonn“ beschimpfte10), waren die meisten wohl kaum NS-Schergen. So kamen 24 Familienvorstände (10 sicher, 14 angeblich) aus der Bukowina und arbeiteten in diversen Betrieben oder auf Bauernhöfen. Diese Region des Kaiserreichs Österreich war im November 1918 an Rumänien angeschlossen worden und infolge der (auch von NS-Deutschland befürworteten) Annahme eines sowjetischen Ultimatums durch Rumänien am 28. Juni 1940 teilweise von der Sowjetunion besetzt worden. Die Bukowinadeutschen waren aufgrund von Abkommen zwischen NS-Deutschland und der Sowjetunion beziehungsweise Rumänien nach Westen umgesiedelt worden. Acht der zehn identifizierbaren Herkunftsorte der nach Luxemburg Umgesiedelten befanden sich in der rumänischen Südbukowina, zwei in der im Juli 1941 wiedereroberten und im März 1944 wieder verloren gegangenen Nordbukowina. Einige Töchter heirateten Luxemburger und blieben auch nach September 1944 im Land.
Auch bei sieben der (zumindest angeblich) Siebenbürger Familienvorstände handelte es sich wahrscheinlich um einfache Leute. Identifizierbare Herkunftsorte sind: Hermannstadt/Sibiu (zweimal), Kronstadt/Brașov, Mediasch/Mediaș und Schönau/Șona. Zwei Frauen arbeiteten an einem Bauernhof in Wormeldingen, ein Mann in der Felser Bürstenfabrik „Brosserie Moderne“ von Paul Pomes, die weiteren Beschäftigungen sind nicht angegeben.
Anders steht es jedoch mit 14 Familienvorständen, die der SS angehörten. Ein Sturmmann war an einem Aspelter Bauernhof beschäftigt, die anderen waren jedoch Offiziere, die in Stadt Luxemburg ansässig waren, bis auf einen, der im Lebensbornheim Moselland in Bofferdingen (dem beschlagnahmten und geplünderten Landsitz des Anwalts und Schriftstellers Marcel Noppeney11)) wohnte. Herkunftsorte sind nicht angegeben und fünf Vornamen fehlen, was die Forschung erschwert.
Im Folgenden besprechen wir den Fall der Familie des eindeutig identifizierbaren Stefan Hedrich (14. März 1880, Lechnitz/Lekence/Lechința, Ungarn bis 1918 und 1940-1944, 1918-1940 und heute Rumänien – 1. Februar 1975, Marktoberdorf, Bayern), die während des Kriegs nach Luxemburg umgesiedelt wurde, während der Familienvorstand größtenteils im besetzten Jugoslawien im Einsatz war.
(Fortsetzung folgt.)
1) Siehe hierzu: Wolfgang Miege, „Das Dritte Reich und die Deutsche Volksgruppe in Rumänien 1933-38. Ein Beitrag zur nationalsozialistischen Volkstumspolitik“ (Bern und Frankfurt/Main: Herbert und Peter Lang, 1972); Paul Milata, „Zwischen Hitler, Stalin und Antonescu. Rumäniendeutsche in der Waffen-SS“ (Köln usw.: Böhlau, 2009); Ulrich Andreas Wien, „Resonanz und Widerspruch. Von der siebenbürgischen Diaspora-Volkskirche zur Diaspora in Rumänien“ (Erlangen: Martin-Luther-Verlag, 2014); Philippe Henri Blasen, „Die nationalsozialistische Gleichschaltung der evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien (1938-1942)“, Forschungen zur Volks- und Landeskunde 64 (2021).
2) James Koranyi, „Jugendwahn, Antisemitismus und Verschwörungsmythen bei den Rumäniendeutschen im heißen Jahrfünft, 1933-1938“, Zwischen „Selbsthilfe“ und „Fremdsteuerung“. Zur politischen Geschichte der Deutschen in Rumänien 1933-1938, herausgegeben von Enikő Dácz, Florian Kührer-Wielach und Tobias Weger (Regensburg: Friedrich Pustet, 2025).
3) „Umsiedlung“, Siebenbürgisch-Deutsches Tageblatt, 31. Oktober 1939, 2.
4) „Akten zur deutschen auswärtigen Politik“. Serie D. Band X (Frankfurt/Main: P. Keppler, 1963), 257: Aufzeichnung über die Unterredung zwischen Hitler und dem rumänischen Ministerpräsidenten, 26. Juli 1940.
5) In seinem Tagebuch schrieb Artur Phleps am 6. September 1944: „Vom Führer erneut der tel
6) „Der Ausnahmezustand für die Kreise Diekirch und Grevenmacher aufgehoben“, Luxemburger Wort, 8. September 1942, 3.
7) Livre d’Or des camps = Rappel. Revue de la L.P.P.D., Nr. 5-6 (Mai-Juni 1990), 493.
8) Bundesarchiv, R 49/469: Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums, Bericht über den Stand der Um- und Ansiedlung am 1.12.1943.
9) Ebenda: Stabshauptamt des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums, Bericht über den Stand der Um- und Ansiedlung am 1.6.1944; Dirk Jachomowski, „Die Umsiedlung der Bessarabien-, Bukowina- und Dobrudschadeutschen. Von der Volksgruppe in Rumänien zur „Siedlungsbrücke“ an der Reichsgrenze“ (München: R. Oldenbourg, 1984), 188-189.
10) Z.B. „De’ 5. Colonn“, D’Unio’n, 28. Januar 1946, 3.
11) Siehe ANLux, CdZ-A-6578; NARA, 74086450.
De Maart
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