Interview mit Oskar Lafontaine (Die Linke)
Das Tageblatt hat ein Gespräch mit dem saarländischen Politiker Oskar Lafontaine geführt. Der 78-Jährige ist ein Kritiker der Corona-Politik und hat die saarländische Regierung, die 2G-Regeln durchgesetzt hat, für ihre Politik gescholten. Hier finden Sie den Text zu Lafontaines Aussagen: Interview
Tageblatt: Vielfach heißt es, dass Impfskeptiker den mRNA-Impfstoffen nicht vertrauen. Sie wollen lieber warten, bis es klassische Impfstoffe gibt, bei denen auf jahrzehntelange Erfahrung zurückgegriffen werden kann. Ihre Meinung?
Claude P. Muller: Auch Corona-Impfstoffe, die auf sogenannten „klassischen“ Technologien basieren, sind neue Impfstoffe. Als jemand, der sich viele Jahre mit Impfstrategien und Impfstoffentwicklung beschäftigt hat, könnte ich nicht sagen, warum diese grundsätzlich effizienter und sicherer wären. Wir haben vor ca. einem Jahr angefangen zu impfen, mit einem Impfstoff, der in allen Studien und bei breiter Anwendung sehr wirksam und sehr sicher ist. Ich kann also nicht erkennen, warum wir diese Impfstoffe ungebraucht auf Halde hätte legen sollen. Warum und wie lange hätten wir also warten sollen, und auf welchen Impfstoff? Eins ist sicher: Hätten wir gewartet, wäre das Jahr 2021 so schlimm verlaufen wie 2020.
Wie schätzen Sie die Wirksamkeit der chinesischen Impfstoffe ein, die Totimpfstoffe sind und milliardenfach eingesetzt wurden?
Wir (damit ist das Luxemburg Institute of Health (LIH) gemeint; Anm. d. Red.) sind als europäisches Referenzzentrum für Masern sehr viel in Kontakt mit chinesischen Kollegen. Deren wissenschaftliche Arbeit ist – soweit ich sie kenne – exzellent und auf hohem internationalem Niveau. Wie die Impfstoffe aus China zu bewerten sind, dazu kann ich nichts sagen. Sie werden beispielsweise in Ungarn eingesetzt, aber die Erfahrungen damit habe ich nicht verfolgt, weil sie für Luxemburg bisher nicht relevant sind.
Omikron: Wie schätzen Sie die Variante ein?
Ich habe unterschiedliche Quellen dazu verfolgt. Sie ist sicher infektiöser und verbreitet sich leichter. Dafür ist zurzeit England ein gutes Beispiel. Das Zweite ist, dass sie nicht offensichtlich schwerere Verläufe zur Folge hat. Diesen Eindruck haben südafrikanische Kollegen von mir geäußert. Aber auch hier ist Vorsicht geboten. In Südafrika stößt sie auf eine Population, die altersmäßig anders zusammengesetzt ist und andere Vorerkrankungen hat. Bei Delta haben wir gesehen, dass es ziemlich lange gedauert hat, bis man das endgültig beurteilen konnte.
Viele meinen aber, dass die Variante vor allem bei jüngeren Menschen und Kindern einen schweren Verlauf auslöst …
Es ist auch hier schwierig, etwas Zuverlässiges zu sagen, weil belastbares Datenmaterial bislang fehlt. Dafür ist die Variante noch zu neu.
Wie schützen die Impfungen gegen Omikron?
Schlechter als gegen die Deltavariante. Die zahlreichen Mutationen auf dem Spike-Protein erschweren die Bindung Virus-neutralisierender Antikörper. Vereinfacht kann man aber sagen, und das ist die derzeitige Lage in der Fachliteratur: Eine Boosterimpfung mit den derzeit gängigen Impfstoffen schützt gegen Omikron so gut wie zwei Impfungen gegen die Delta-Variante geschützt haben.
Totimpfstoffe – Lebendimpfstoffe
Masern-, Mumps- und Röteln-Impfungen sind Impfstoffe mit Lebendviren, die in sehr kleinen Dosen verabreicht werden. Sie vermehren sich im Körper, provozieren die Abwehrreaktion und den Impfschutz. Das berühmteste Beispiel ist die Pockenimpfung, die zur Ausrottung des Virus geführt hat. Laut dem Bundesverband für Gesundheitsinformation und Verbraucherschutz-Info für Gesundheit e.V. (BGV) ist der Impfschutz in der Regel sehr wirksam und hält nach der Grundimmunisierung meist ein Leben lang. Gegen Diphtherie, Keuchhusten oder Tetanus werden hingegen abgeschwächte Toxine („Toxoide“) der entsprechenden Bakterien verabreicht, um die Immunabwehr und den Schutz zu stimulieren. Dabei sind die Krankheitserreger abgetötet, im Gegensatz zu den Impfstoffen mit Lebend-Erregern. Laut BGV lässt dieser Impfschutz nach einer gewissen Zeit nach, sodass eine Auffrischung notwendig wird.
Der Game-Changer: Medikamente zur Behandlung von Covid-19
Die im Interview als Game-Changer erwähnten Medikamente sind auf dem Markt. Gemäß der European Medicines Agency (EMA) sind vier Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten in der EU zugelassen. Es handelt sich um: Regkirona (regdanvimab), RoActemra (tocilizumab), Ronapreve (casirivimab / imdevimab), Veklury (remdesivir). Bei vier weiteren ist laut EMA der Antrag auf Zulassung eingereicht. Zwei weitere befinden sich im Prüfverfahren. Alle Angaben stammen von der EMA. Am 21. Dezember gibt die EMA nach eigenen Angaben in einem Pressebriefing weitere Details zu Zulassungs- und Prüfverfahren bekannt. (ema.europa.eu)
Weitere Impfstoffe im Prüfungsverfahren
Die European Medicines Agency (EMA) hat mit der Prüfung eines Antrags auf bedingte Zulassung des Covid-19-Impfstoffs von Novavax, Nuvaxovid (auch bekannt als NVX-CoV2373), begonnen, schreibt sie auf ihrer Webseite. Dabei handelt es sich nicht um einen Impfstoff mit Totviren, sondern um einen proteinbasierten Wirkstoff. Die Mitteilung stammt vom 17. November 2021. Vier weitere Impfstoffe durchlaufen aktuell das Prüfungsverfahren bei der EMA. Dabei basieren zwei laut EMA auf einer Impfung mit Totviren. Es handelt sich um „VLA2001“ des österreich-französischen Herstellers Valneva und einen Impfstoff der Sinovac Life Sciences Co., Ltd. Das Prüfungsverfahren für den Valneva-Impfstoff wurde laut EMA am 2. Dezember eingeleitet. Das Prüfverfahren für das Sinovac-Produkt läuft laut EMA bereits seit Mai 2021. (ema.europa.eu)
Diskussion um die Zahl der Intensivbetten in der BRD
Die Zahl der Intensivbetten in Deutschland ist gesunken. Das hat laut der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), die die Zahl seit Mitte April 2020 erfasst, Gründe. Seitdem müssen Kliniken diese Zahl verpflichtend melden. Rund 1.200 Krankenhäuser machen das bundesweit. Dabei geht es um die Zahl der mit Personal betreibbaren Intensivbetten. Die DIVI geht von 2.000 Betten aus, die seit August 2020 „stillgelegt“ wurden, wie sie auf ihrer Webseite schreibt. Die DIVI weist in einer ihrer FAQs daraufhin, dass das mit einer Umstellung der Datenerfassung im August 2021 zusammenhängt sowie mit Personalmangel. Sie schreibt: „Der entscheidende Faktor für die Betreibbarkeit eines Bettes ist das medizinische Fachpersonal.“ Von daher sind die Aussagen von Oskar Lafontaine im Grunde nach nicht falsch, aber verkürzt. (intensivregister.de)
De Maart
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