Die EU könne einen neuen „Goldstandard“ für das Internet prägen, sagte sie am Montag bei einer Anhörung im Europaparlament in Brüssel. „Sie können der Welt zeigen, wie es geht“, dies sei „die Chance einer Generation“. Facebook müsse mehr Sicherheitsmechanismen einbauen und diese auch öffentlich und transparent machen, sagte die ehemalige Mitarbeiterin des Konzerns. Nur so lasse sich die Ausbreitung von Hass, Extremismus und Falschinformationen eindämmen. Der Online-Gigant habe es zwar nicht auf die Spaltung der Gesellschaft angelegt, sein Geschäftsmodell profitiere jedoch von spalterischen Botschaften.
Haugen traf sich auch mit EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. „Wir meinen es mit der Regulierung ernst, wir wollen keinen digitalen Wilden Westen“, sagte Breton nach dem Gespräch. Die digitale Welt brauche endlich verbindliche Regeln. Die EU-Kommission werde daher alles daran setzen, dass zwei neue europäische Internet-Gesetze für digitale Dienste und Märkte (DSA und DMA) schnell verabschiedet werden, so der Franzose.
Mit tausenden internen Dokumenten hat Whistleblowerin Frances Haugen Beweise dafür vorgelegt, was wir jahrelang schon vermutet haben: Facebook nimmt wissentlich Schaden in Kauf für Profite
Die geplanten EU-Regulierungen sollen verhindern, dass „Big Tech“-Konzerne wie Facebook ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzen. Außerdem will Brüssel die Unternehmen darauf verpflichten, mehr gegen Desinformation, Fake News und Hatespeech zu tun. Genau für diesen Bereich war Haugen bei Facebook zuständig – bis sie die Brocken hinwarf und interne Dokumente an die Presse leakte.
Ihren Schritt begründete sie damit, dass der Konzern zu wenig gegen die Verbreitung von Hass und Desinformation unternehme und auch zu wenig Personal einstelle. Die Verbreitung von Krawall-Nachrichten gehöre zum Geschäftsmodell, kritisierte sie nach ihrem Abgang aus dem Konzern, wo sie im Team für „Civic Integrity“ gearbeitet hatte. Damit wolle sie nichts mehr zu tun haben.
Personalisierte Werbung verbieten
Haugen ist damit die ideale Gesprächspartnerin für das Europaparlament, wo sich die Abgeordneten derzeit auf Beratungen über die geplanten neuen Internet-Gesetze vorbereiten. „Mit tausenden internen Dokumenten hat Whistleblowerin Frances Haugen Beweise dafür vorgelegt, was wir jahrelang schon vermutet haben: Facebook nimmt wissentlich Schaden in Kauf für Profite“, erklärte die Chefin des Binnenmarkt-Ausschusses, Anna Cavazzini. Die EU müsse personalisierte Werbung verbieten, „die der Kern des Geschäftsmodells der Plattformen sind“, fordert die grüne EU-Politikerin.
Ähnlich äußerte sich der Co-Vorsitzende der Linksfraktion, Martin Schirdewan. Facebook suche Aufmerksamkeit um jeden Preis und tue zu wenig gegen Hassrede, sagte er. Deshalb müsse „das auf ‚Engagement‘ basierende Ranking gestoppt werden und ein Verbot von personalisierter Werbung her“. Etwas zurückhaltender äußerte sich Andreas Schwab, der Berichterstatter für den „Digital Markets Act“ (DMA) ist. „Wir brauchen strenge Regeln dafür, welche Art von politischer Werbung große Online-Plattformen betreiben dürfen, und wir brauchen mehr Transparenz darüber, wer dafür bezahlt“, so der EVP-Politiker. Es dürfe kein „Cambridge Analytica 2.0“ geben, bei dem persönliche Nutzerdaten für politische Zwecke missbraucht würden. „Die Enthüllungen von Frau Haugen zeigen, dass wir damit nicht länger warten dürfen“, so Schwab.
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