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Polen„Extremisten und Populisten besiegen“: Donald Tusk weckt Hoffnungen innerhalb der EU

Polen / „Extremisten und Populisten besiegen“: Donald Tusk weckt Hoffnungen innerhalb der EU
Der angehende polnische Regierungschef Donald Tusk – hier bei seinem Abschied als EU-Ratspräsident am 29. November 2019 in Brüssel – will sein Land wieder zurück in den Kern der EU bringen Foto: European Union

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Wochenlang wurde Donald Tusk vom Machtgeflecht der rechtspopulistischen PiS in Polen ausgebremst, nun eilt er als neuer Regierungschef nach Brüssel, schwächt dort den Einfluss der Europakritiker und bildet die Basis für zahlreiche weitere Hoffnungen.

Lech Walesa, die polnische Legende, die das Land einst vom Sozialismus zur Demokratie führte, fügte auf der Zuschauertribüne des Parlamentes in Warschau die Hände zur Herzform zusammen, als Donald Tusk zum neuen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Ähnlich war den Parteien der Mitte in Brüssel und Straßburg zumute. Denn Polen gehört wieder zum demokratischen Herzen der EU, seitdem die Macht von der europakritischen PiS-Regierung unter Mateusz Morawiecki zur proeuropäischen Mitte-links-Koalition unter Tusk gewechselt ist. Der Beifall ist ihm sicher, wenn er an diesem Mittwoch kurz nach seiner Vereidigung erst zum EU-Westbalkan-Gipfel eintrifft, sich am folgenden Morgen im Kreis des christlich-konservativen EVP-Regierungschefs hochleben lässt und dann in die Lösung der haushohen Probleme beim regulären Dezember-Gipfel hineinkniet.

Eine Erwartung ist die naheliegendste: Polen wird nun wieder in den meisten Fällen Teil der Lösung und nicht mehr wie in den letzten acht Jahren Teil des Problems sein. Zwischen den beiden rechtspopulistischen Regierungen von Morawiecki in Polen und Viktor Orbán in Ungarn hatte sich eine Art Pingpong-Taktik eingespielt, bei der sich die beiden Akteure wechselweise vor EU-Strafmaßnahmen zu schützen versuchten und in den harten Verhandlungsnächten von Brüssel gegenseitig Schützenhilfe gaben. Das ist jetzt vorbei.

Sein erwartet kraftvoller Wiederaufschlag in Brüssel kommt zufällig zur absolut richtigen Sekunde, in der Orbán mit Mehrfachblockaden die Ukraine-Politik der EU auszuhebeln versucht. Zwar hatte die regierende PiS-Partei am 15. Oktober in den Wahlen wieder als stärkste Partei abgeschnitten, zugleich jedoch die absolute Mehrheit verloren. Bereits Anfang November hatte Tusk aus drei Oppositionsparteien eine zur sofortigen Regierungsübernahme bereitstehende Koalition geformt. Doch der PiS-nahe Präsident Andrzey Duda reizte die polnische Verfassung aus, um die Regierungsübergabe an Tusk so weit wie möglich herauszuzögern. Am Dienstag scheiterte Morawiecki mit der fälligen Vertrauensfrage und musste das Heft der Parlamentsmehrheit überlassen.

Schwierigkeiten mit EVP-Chef Weber

Tusk gehört seit langem zu den tragenden Säulen der EU. Schon von 2007 bis 2014 wirkte er als polnischer Ministerpräsident in Brüssel, von 2014 bis 2019 als EU-Ratspräsident – er beherrscht somit alle nur denkbaren Ränkespiele der europäischen Machtpolitik. Allerdings steht er nicht mehr Seite an Seite mit Parteifreunden, wie seinerzeit. Nun sitzt ein Sozialdemokrat im deutschen Kanzleramt, ein Liberaler im französischen Elysée.

Tusks Erfolg lässt einen wie Manfred Weber natürlich jubeln. Der CSU-Vize übernahm 2022 von dem ehemaligen EU-Ratspräsidenten den Vorsitz der Europäischen Volkspartei und sieht es nun als besonderes Zeichen einer „guten Verfassung und guten Entwicklung“ seiner EVP, dass Tusk die Riege der EVP-Regierungschefs wieder erweitert hat. Schon markiert Weber die Wahl als Zeichen, „dass wir Extremisten und Populisten mit mutiger Führung besiegen können“. Tusk steht damit auch für eine Strategie im Europa-Wahlkampf.

Doch so gut war Tusk auf Weber in der Vergangenheit nicht zu sprechen. Gerade in einer Phase, in der es nach einer Wiederwahl der PiS-Populisten aussah, zürnte Tusk Weber, weil der öffentlichkeitswirksam mit der neuen rechtspopulistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni anbandelte und zuließ, dass aus dem Meloni-Lager über eine intensive künftige Zusammenarbeit zwischen EVP und der rechtspopulistischen EKR spekuliert wurde. Das ärgerte Tusk, hatte er doch gegen Melonis EKR-Parteifreund Morawiecki eine Wahl zu gewinnen. Nun ist hiermit ein politisches Schwergewicht nach Brüssel zurückgekehrt, das auch über die Zukunft Webers mitzubestimmen haben wird.

Orbán ohne starken Verbündeten in Brüssel

Erwartungen einer Eingrenzung von Orbáns antieuropäischen Reflexen durch Tusk gründen in der Beobachtung, dass sich Orbán wiederholt hinter dem Polen versteckte und sein Abstimmungsverhalten von dem Morawieckis abhängig machte. Zwar ist in der Slowakei nun ein neuer europakritischer Regierungschef ans Ruder gekommen, der sich als Linkspopulist oft ähnlich anhört wie der Rechtspopulist Orbán. Doch ob Robert Fico mit seinen 5,5 Millionen Slowaken für Orbán ein ähnlich breites Kreuz bietet wie zuvor Morawiecki mit seinen 38 Millionen Polen, darf bezweifelt werden.

Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister, wertet die Wahl von Tusk als „gute Nachricht für die Menschen in Polen und für die gesamte Europäische Union“. Es ergäben sich „neue Chancen einer vertieften Kooperation“, sagt McAllister dem Tageblatt. „Frankreich und Deutschland sollten die Gelegenheit nutzen, um ihre Zusammenarbeit mit Polen innerhalb des 1991 gegründeten ‚Weimarer Dreiecks‘ wiederzubeleben“, empfiehlt McAllister. Angesichts ihrer wirtschaftlichen Größe, ihrer Bevölkerungszahl sowie ihrer gemeinsamen Historie könnten diese drei Staaten „Motor einer starken EU“ sein.

Doch die EU sollte sich nicht zu sehr allein auf Tusk verlassen. Die PiS bleibt stark, will die Macht so schnell wie möglich zurückerobern und lauert auf Bruchstellen im Mitte-links-Bündnis von Tusk. PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski sieht durch Tusk bereits das „Ende der polnischen Demokratie“ gekommen und sagt ihm den Kampf an, indem er ihn als „deutschen Spion“ verunglimpft. Noch hat Polen nicht gewonnen.

Polen – wichtig für den Zusammenhalt in der EU

Mit seinen 38 Millionen Einwohnern gehört Polen ohnehin zu den Schwergewichten in der EU. Noch mehr gilt das im Verbund mit anderen:
Weimarer Dreieck Die Außenminister von Polen, Frankreich und Deutschland gründeten 1991 zum Goethe-Geburtstag in Weimar mit einer Zehn-Punkte-Erklärung das Weimarer Dreieck, in dem sie sich gemeinsam für die europäische Integration einzusetzen erklärten. Es folgte 1999 die Aufnahme Polens in dei Nato, 2004 die in die EU. Seitdem gibt es Konsultationen auf verschiedenen Ebenen.
Visegrad-Gruppe Ebenfalls 1991 kamen die Vertreter Polens, Ungarns und der damaligen Tschechoslowakei auf Schloss Visegrad bei Budapest zusammen, um eine gemeinsame Strategie zur Stärkung ihres Einflusses auf EU und Nato zu entwickeln. Heute sind es vier Länder, da sich Tschechien und die Slowakei trennten. Das gemeinsame Gewicht hat abgenommen, seit die Staaten unterschiedliche Ziele verfolgen.
Baltikum Seine Nähe zur Ukraine bindet Polen eng mit den baltischen Staaten zusammen, seit Russland die Ukraine überfiel und auch weitere Nato-Staaten bedroht. Tusk will seine erste Auslandsreise nach dem EU-Gipfel ins Baltikum unternehmen.