EU-GipfeltreffenEU will Binnenmarkt ausbauen und Kapitalmarktunion schaffen

EU-Gipfeltreffen / EU will Binnenmarkt ausbauen und Kapitalmarktunion schaffen
Luxemburgs Premierminister Luc Frieden konnte mit anderen kleineren EU-Staaten eine weitere Zentralisierung der Finanzaufsicht möglicherweise zuungunsten Luxemburgs und anderer Länder beim EU-Gipfel verhindern Foto: Kenzo Tribouillard/AFP

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Die EU-Staaten wollen ihren Binnenmarkt weiter ausbauen. Dabei soll vor allem die Kapitalmarktunion vervollständigt werden. Das sei ganz im Interesse Luxemburgs, so Premierminister Luc Frieden, der mit anderen EU-Staaten eine anvisierte weitere Verlagerungen von Aufsichtsbefugnissen an die europäische Ebene im Bereich des Finanzwesens verhindern konnte.

Dem ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Enrico Letta hatten die 27 den Auftrag gegeben, einen Bericht darüber zu verfassen, wie der vom ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors lancierte europäische Binnenmarkt ausgebaut werden soll. Dem widmete sich am Donnerstag ein Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs, der sich am Vortag bereits mit internationalen Krisenherden befasst hatte.

Die Europäer wollen über den Binnenmarkt neuen Schwung in ihre Wirtschaft bringen, denn sie hinken hinter beiden großen Akteuren, den USA und China, hinterher. „Der Graben zwischen den USA und der EU wird immer größer“, stellt Enrico Letta fest. Und für die Herausforderungen, denen sich die EU-Staaten gegenüber sehen – die digitale und die grüne Transition, die EU-Erweiterung, der russische Krieg in der Ukraine –, fehlt es zunehmend an Investitionen.

Drei Bereiche seien bei Delors’ Binnenmarkt-Initiative außen vor geblieben, erklärte Enrico Letta bei der Präsentation seines Berichts auf dem Gipfeltreffen: die Energie- und Telekommunikationsmärkte sowie der Finanzmarkt. Deshalb befänden sich die Europäer in diesen Bereichen in einem Wettbewerbsnachteil. Sein Bericht biete nun einen „Instrumentenkasten“, wie diese drei Bereiche in den Binnenmarkt integriert werden könnten. Vor allem die Kapitalmarktunion steht im Zentrum der Interessen, die Letta eher als eine „Union der Ersparnisse und Investitionen“ bezeichnen will. „Wir brauchen private und öffentliche Gelder für Investitionen“ und diese sollen für die europäischen Unternehmer leichter zugänglich sein und nicht bloß über den Weg von Krediten.

Es gehe um Zugang zu Kapital, erklärte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und verwies darauf, dass jährlich an die „300 Milliarden Euro an europäischen Spareinlagen“ aus der EU vornehmlich in die USA abwandern würden, wo sie für Investitionen genutzt werden könnten. Beim jüngsten Euro-Gipfel habe EZB-Chefin Christine Lagarde erklärt, dass zusätzlich 470 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stünden, wenn die EU über eine vollständige Kapitalmarktunion verfügen würde, so die Kommissionschefin weiter.

Für den luxemburgischen Premierminister geht Lettas Bericht „in die Richtung, die Luxemburg sich wünscht“. Das Land habe „ein großes Interesse daran, dass der Binnenmarkt ausgebaut wird“, wobei die Kapitalmarktunion ein „ganz wichtiges Projekt“ sei. Denn es gehe darum, Ersparnisse in europäische Unternehmen zu investieren, eine Finanzierungsmöglichkeit, die in den USA längst Usus sei, so Frieden weiter. Und das sei insbesondere für die luxemburgische Fondsindustrie interessant, die mit offenen Investmentgesellschaften (Sicav) ähnliche Produkte anbietet, so Luc Frieden.

Frieden: „Gute Lösung“ gefunden

Beim Gipfel wollte allerdings vor allem Frankreich durchsetzen, dass die in Paris ansässige Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA weitere Kontroll- und Überwachungsbefugnisse erhält. Auf Kosten der nationalen Finanzaufsichtsbehörden, wie etwa der CSSF in Luxemburg. Und unter Umständen zum Nachteil der luxemburgischen Fondsindustrie. Das konnte der luxemburgische Premierminister beim Gipfel gemeinsam mit anderen kleineren EU-Staaten wie etwa Irland, das ebenfalls über einen bedeutenden Finanzplatz verfügt, verhindern. „Wir müssen vermeiden, dass wir alles überbürokratisieren, überregulieren und auch überzentralisieren, was einige Staaten befürworten“, hatte Luc Frieden bereits vor dem Gipfeltreffen erklärt. Dort hätten ihm die Kollegen „extrem gut zugehört“ und seien „inhaltlich“ auf seine Erklärungen eingegangen, sodass eine in seinen Augen „gute Lösung“ gefunden worden sei, sagte der Premierminister nach der Tagung.

So sei die EU-Kommission damit beauftragt worden, festzustellen, wo noch Konvergenzmöglichkeiten für eine effektivere Finanzmarktaufsicht in den EU-Staaten besteht. Bestehende Regeln sollen in den verschiedenen EU-Staaten nicht unterschiedlich angewendet werden, erklärte Frieden. In der Gipfelschlusserklärung ist zudem vorgesehen, dass die Kommission abschätzt und Bedingungen dafür schafft, wie die europäischen Aufsichtsbehörden die systemisch relevantesten und grenzüberschreitenden Akteure auf den Finanz- und Kapitalmärkten besser überwachen kann. Wobei die Interessen aller Mitgliedstaaten berücksichtigt werden sollen. Es habe bereits jetzt „eine gute Zusammenarbeit zwischen den nationalen und europäischen Aufsichtsorganen gegeben“, findet Frieden. Das könne zwar noch verbessert werden, es sei aber Aufgabe der Mitgliedstaaten, dies zu tun.