Dicke Luft im Straßburger Plenarsaal des Europa-Parlamentes: „Es ist eine Schande“, ruft die dänische Sozialdemokratin Chistel Schaldemose Richtung Christdemokraten. Und ihr deutscher S&D-Kollege Tiemo Wölken warnt die Unions-Politiker davor, angesichts von europaweit 300.000 Toten durch Luftschadstoffe die „Hände in den Schoß zu legen“. Unterstützt wird er von dem griechischen Sozialisten Petros Kokkalis: „Das ist auch eine Pandemie“, sagt er zu dem Ausmaß der vorzeitigen Todesfälle in der EU Jahr für Jahr. Daraufhin bricht der deutsche Christdemokrat Peter Liese die Regeln des Hohen Hauses und hebt mit den Worten „Ich verrate Ihnen ein Geheimnis“ große Schaubilder hoch, um deutlich vor Augen zu führen: „Die Luft in Europa ist gut, sie ist zumindest in den letzten Jahren immer besser geworden.“ Er muss die Blätter wieder runternehmen, bleibt aber bei seiner Einschätzung, dass das im Parlament zur Abstimmung Stehende „übertrieben“ und „unangemessen“ sei.
Eigentlich sind sich fast alle einig, dass die Luftqualität in der EU noch sehr viel besser werden soll. Deshalb stellen sich auch die Christdemokraten hinter den Vorschlag der EU-Kommission, die Grenzwerte etwa bei Feinstaubpartikeln mit einer Größe von unter 2,5 Mikrometern von derzeit 25 auf 10 Mikrogramm je Kubikmeter herunterzusetzen, bei Stickoxiden von 40 auf 20 Mikrogramm. Doch der federführende Umweltausschuss hat noch kräftig nachgelegt: Er will binnen zehn Jahren beim Feinstaub auf fünf und beim Stickoxid auf zehn Mikrogramm als höchst zulässigen Wert runter.
Auch bei der Überwachung hat eine Ausschussmehrheit aus Sozialdemokraten, Grünen, Liberalen und Linken kräftig zugespitzt. Gegenüber dem Kommissionsvorschlag will die Mehrheit eine Verfünffachung der Messstellen. Stündlich sollen die Informationen für die Bürger aktualisiert werden.
Christdemokraten weniger ambitioniert
Bei ihrem ursprünglichen Vorschlag war die Kommission nach den Worten von Umweltkommissar Virginijus Sinkevicius davon ausgegangen, dass die neuen Grenzwerte zwar ehrgeizig, aber technisch umsetzbar seien. Ergänzt werden sollten die Vorgaben durch ein „robustes Monitoring“, also eine verlässliche Überwachung der Luftqualität, durch eine Information der Öffentlichkeit über die aktuellen Werte und die damit möglicherweise zusammenhängenden Gesundheitsgefahren sowie durch die neue Möglichkeit für Bürger, gegen die Verletzung der Vorgaben klagen zu können.
Für die Christdemokraten ist dieses Paket die „rote Linie“, wie Agrarausschussvorsitzender Norbert Lins unterstreicht. Die Lösung der Probleme mit der Luft liege darin, Anreize zu schaffen und emissionsärmere Maßnahmen zu fördern, statt mit Verboten und Strafen vorzugehen. Was die Kollegen aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen vorhätten, beruhe auf einem Missverständnis: Sie wollten die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen „Richtwerte“ als neue „Grenzwerte“ übernehmen, obwohl die WHO sie selbst lediglich als Größenangabe für einen „optimalen Gesundheitszustand“ verstehe.
Seien die Städte und Gemeinden gezwungen, die vom Ausschuss verschärften Grenzwerte einzuhalten, müssten sie immer häufiger Fahrverbote erlassen, Baustellen schließen und Industrieanlagen stilllegen. „Und das in dieser schwierigen Phase, in denen Industrie aus Europa abzuwandern droht“, fügt Liese hinzu. Schließlich sei doch etwa beim Feinstaub das Ausmaß der Emissionen seit den 1990er Jahren bereits auf ein Drittel zurückgegangen. „Wir müssen alle Facetten von Gesundheit, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zusammenbringen, deshalb werbe ich für die Annahme der Werte des Kommissionsvorschlags“, bekräftigt Lins.
Mehrheit für schärfere Grenzwerte
Gleichwohl halten Redner der anderen Fraktionen den Christdemokraten vor, wieder einmal ein Vorhaben aus dem Klimaschutzpaket blockieren zu wollen. Javi Lopez, der Chefunterhändler des Parlaments in Sachen Luftqualität, verweist auf Asthma, Lungenentzündungen und Kreislauferkrankungen als Folge der schlechten Luft. Vor allem die Schwächsten der Schwachen würden betroffen. Woelken sorgt sich um die Arbeiter, die nicht einfach in ein Häuschen in Gegenden mit besserer Luft umziehen könnten. Lopez beziffert den Anteil der Europäer, die unter schlechten Luftbedingungen leben müssten, auf 80 Prozent. Dagegen seien die aktuellen Standards bereits 15 oder gar 20 Jahre alt.
Für seinen ursprünglichen Vorschlag macht der Umweltkommissar eine deutliche Kosten-Nutzen-Rechnung von 1:7 auf: Bei jährlichen Kosten von sechs Milliarden liege der jährliche Nutzen – auch für das Gesundheitssystem – bei 42 Milliarden. Er schätzt, dass mit den Vorgaben der Kommission die Zahl der 300.000 vorzeitigen Todesfälle durch Luftverschmutzung binnen zehn Jahren um mindestens 70 Prozent gesenkt werden könnte. Das wären mehr als 200.000 geschonte Menschenleben.
Die Abstimmung ergibt eine klare Positionierung für eine noch drastischere Verschärfung: 363 dafür, 226 dagegen, bei 46 Enthaltungen. Doch noch ist die Richtlinie nicht verabschiedet. Nun folgen erst Verhandlungen mit den Ministern aus den 27 Mitgliedsländern, dann die Übertragungen in nationales Recht.
De Maart
Der Stadtkern wird sauberer.Die Co2 -Bilanz der E-Karren ist weiterhin katastrophal.Ein E-Golf muss 170 000 Km fahren bis er den Diesel-Golf in der Bilanz überholt. Aber bei dem Km-Stand ist die Batterie hin. Dann bleibt da noch die Entsorgung. Parlamentarier informiert euch richtig.
Man ignoriert wieder mal konsequent, dass Feinstaub nicht nur, und oft sogar nur zu einem kleinen Teil, von Autos produziert wird. Es geht einfach darum dem normalen Bürger mittelfristig das Auto wegzunehmen, um nichts anderes.
Die total inkompetent Eu Parlementarier zerstören Europa …
@Frage???/ Dann nicht mehr mit Limousinen sondern mit Helikoptern. :-(
Mit welcher Limousine werden diese abgehobenen Politiker vor der Tür des Europa Parlaments abgeholt?