Steigende KreditkostenEU-Parlamentarier stimmen Resolutionen zur Stärkung des EU-Haushalts

Steigende Kreditkosten / EU-Parlamentarier stimmen Resolutionen zur Stärkung des EU-Haushalts
Die EP-Abgeordnete Valérie Hayer will unter anderem eine Abgabe auf in die EU eingeführte Waren, die unter Bedingungen des Sozialdumpings in Drittländern hergestellt wurden Foto: European Union 2023 – Source : EP

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Die EU-Parlamentarier sind darüber besorgt, dass die kurzfristige finanzielle Situation der EU aus den Fugen geraten könnte. Sie rufen daher dazu auf, den gegenwärtigen mehrjährigen Haushaltsplan zu reformieren und die zügig neue Eigenressourcen für das EU-Budget zu erschließen.

Auch der EU-Haushalt entgeht nicht den gegenwärtigen Zinsentwicklungen. Dies umso mehr, als die EU im Zuge der durch die Corona-Pandemie verursachten wirtschaftlichen Verwerfungen in den Mitgliedstaaten einen Wiederaufbaufonds eingerichtet hat, den sogenannten „NextGenerationEU“ (NGEU), mit dessen an den internationalen Kapitalmärkten aufgenommenen mittlerweile rund 800 Milliarden Euro die Energie- und Digitalwende sowie andere Modernisierungsprojekte in den EU-Staaten gefördert werden sollen. Ziel ist es , den wirtschaftlichen Einbruch während der Corona-Jahren wieder wettzumachen. Allerdings hat sich die Situation mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine wieder verschlechtert. Mit der durch den Krieg ausgelösten Energiekrise stieg ebenfalls die Inflation in seit langem nicht mehr gekannte Höhen. In der Folge hoben unter anderem die Europäische Zentrabank sowie die Fed (USA) die Leitzinsen.

Von dieser Entwicklung ist nun auch der EU-Haushalt betroffen. Denn die für den Wiederaufbaufond NGEU von der EU-Kommission auf den internationalen Kapitalmärkten aufgenommenen Schulden müssen zurückgezahlt werden. Ursprünglich ging man davon aus, dass die Zinsen von 0,55 Prozent im Jahr 2021 auf 1,15 Prozent im Jahr 2027 steigen würden. Nun aber lägen sie bereits bei drei Prozent, wie es in einer gestern verabschiedeten Resolution zu den Kreditkosten heißt. Somit würden die einst vorgesehenen 12,9 Milliarden Euro und mittlerweile auf 15 Milliarden Euro gestiegenen Kreditkosten nicht mehr reichen, sagte gestern der portugiesische EPP-Abgeordnete, José Manuel Fernandes. Und ein Ende der Zinserhöhungen ist nicht absehbar.

Zwar versicherte der Mitverfasser einer Resolution zu den Eigenressourcen der EU, dass die Schulden dennoch gezahlt würden, daran gebe es „keinen Zweifel“. Doch würde das auf Kosten der Margen im EU-Haushalt sowie dessen Flexibilität gehen, wenn es zu keinen Anpassungen komme, warnte der Portugiese. In ihrer Resolution fordern die EP-Abgeordneten daher „dringend“ den mehrjährigen EU-Haushaltsplan für die Jahre 2021 bis 2027 zu überarbeiten. Bereits für den Haushalt 2024 müsse eine Lösung vorgelegt werden. Ansonsten müssten Programme wie Erasmus+, Creative Europe, EU4Health und andere gekürzt werden. Da das Budget wegen des Ukraine-Krieges ohnehin unter Druck stehe, stünden auch keine Gelder zur „Finanzierung wichtiger neuer Initiativen wie der vorgeschlagene European chips act“ zur Vefügung, mit dem die EU die Herstellung von dringend benötigten Computerchips in der EU fördern will. Im Juni soll die EU-Kommission einen überarbeiteten Haushaltsentwurf für die Jahre bis 2027 vorlegen. Dieser braucht jedoch die einstimmige Zustimmung der EU-Staaten sowie grünes Licht aus dem EU-Parlament. Es dürfte angesichts der derzeit angespannten Lage knapp werden, in den darauf folgenden sechs Monaten die von den EP-Abgeordneten verlangte Einigung zu finden.

Neue Einnahmequellen für das EU-Budget

Gleichzeitig machten die EU-Parlamentarier gestern mit einer weiteren Resolution Druck in Sachen Einführung neuer Eigenressourcen für das EU-Budget. Seit dem 1. Januar 2021 wird bereits eine Steuer von 0,8 Euro pro Kilo nicht wiederverwendbaren Plastiks in der EU erhoben. Im Dezember 2021 hatte die EU-Kommission drei weitere Einnahmequellen vorgeschlagen, unter anderem eine Abgabe auf der Grundlage des Emissionshandelssystems sowie eine zwischen den OECD-Staaten vereinbarte Besteuerung sehr großer multinationaler Unternehmen. Allerdings ist noch keine dieser Vorschläge umgesetzt.

Die französische EU-Parlamentarierin Valérie Hayer geht davon aus, dass spätestens im September die Kommission einen weiteren Vorschlag zur Ausweitung der Eigenressourcen für das EU-Budget vorlegen werde. In ihrer Resolution schlagen die EP-Abgeordneten unter anderem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, einer Steuer auf Kryptowährungen sowie eine Abgabe auf in die EU eingeführte Waren vor, die unter Bedingungen des Sozialdumpings in Drittländern hergestellt wurden. Die liberale EP-Abgeordnete Hayer plädiert für die Einführung von Steuern, die das Verhalten der Menschen in Bezug auf Umwelt und Soziales zum Besseren wenden soll.

Dass die neuen Einnahmequellen für den EU-Haushalt kommen müssen, wurde mit der Schaffung des Corona-Wiederaufbaufonds vereinbart. Die neuen Geldquellen sollen dazu dienen, die Schulden abzuzahlen. Und die Kreditkosten könnten weiter steigen. Zwar wollte auf eine entsprechende Frage José Manuel Fernandes sich auf keinen Betrag festlegen. Immerhin habe man es mit der Zinsentwickung mit einem „dynamischen Prozess“ zu tun, meinte der Portugiese. Doch Valérie Hayer geht davon aus, dass wenn es jetzt nicht mit 15 Milliarden Euro reicht, es auch mehr sein könne, „vielleicht sogar das Doppelte“. Das heißt 30 Milliarden Euro Kreditkosten jährlich. Bis zum Jahr 2058.

Der portugiesische EP-Abgeordnete José Manuel Fernandes sieht das EU-Budget durch die Kreditkosten zu sehr belastet
Der portugiesische EP-Abgeordnete José Manuel Fernandes sieht das EU-Budget durch die Kreditkosten zu sehr belastet Foto: European Union 2023 – Source : EP