25. November 2025 - 21.02 Uhr
BerichtEU-Parlamentarier prangern Rechtsstaatsverstöße in Ungarn an
„Es macht mich traurig und macht mir große Sorgen“, sagte die niederländische Berichterstatterin Tineke Strik nach der Abstimmung im EP, dass „Ungarn weiterhin die europäischen Werte mit Füßen tritt“. Es ist eine Fülle von Beanstandungen, die die Grünen-Politikerin gemeinsam mit den sogenannten Schattenberichterstattern aus vier weiteren Fraktionen in dem Bericht zusammengetragen hat. Sie betreffen weite Teile des politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens, in denen grundlegende Werte und Prinzipien nicht eingehalten werden. Da geht es um die Unabhängigkeit der Justiz und anderer Institutionen, Korruption und Interessenskonflikte, Meinungsfreiheit und Medienpluralismus, Vereinigungsfreiheit, Recht auf Gleichbehandlung, den Schutz von Minderheiten und anderes mehr. Alles Bereiche, in denen die Verfasser, auch bei einer Mission in Ungarn selbst, mehr oder weniger schwere Missstände festgestellt haben.
Doch das ist längst gewusst, denn bereits im September 2018 hat das EU-Parlament ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrages eingeleitet. Damals waren die EP-Abgeordneten, wie auch heute noch, davon überzeugt, dass eine „eindeutige Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 genannten Werte durch einen Mitgliedstaat besteht“, wie es im besagten Artikel steht. Bei diesen Werten geht es unter anderem um die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, die Wahrung der Menschenrechte, Gleichheit und anderes mehr. Allerdings hat sich seitdem vor allem im Rat der EU-Mitgliedstaaten wenig getan, um dem entgegenzuwirken. In ihrem Bericht missbilligen die EU-Parlamentarier daher, „dass der Rat nicht in der Lage ist, in dem laufenden Verfahren (…) nennenswerte Fortschritte zu erzielen“ und es „trotz wiederholter und wachsender Bedenken
weder zu konkreten Empfehlungen noch zu weiteren Schritten“ seitens der Mitgliedstaaten gekommen ist. Sie werfen den EU-Staaten Untätigkeit vor und äußern die „Ansicht, dass jede weitere Verzögerung von Maßnahmen des Rates einem Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit durch den Rat selbst gleichkäme“.
„Tief verwurzelte Korruption“
Ungarn sei „zu einem hybriden Regime einer Wahl-Autokratie geworden“, urteilt Tineke Strik, in der regierungsnahe Medien kritische Stimmen unterdrückten und versuchten, nach „russischer Praktik“ unabhängige Medien zum Schweigen zu bringen, so die Grünenabgeordnete. In ihrem Bericht weist sie denn auch darauf hin, dass Berichten zufolge staatliche Werbeaufträge „systematisch an regierungsfreundliche Medien vergeben werden“ und dahinter eine Strategie stecken könnte, „unabhängigen und kritischen Medien Ressourcen vorzuenthalten“.
„Wir haben es hier auch mit einer tief verwurzelten Korruption zu tun“, sagte der griechische Linken-Abgeordnete Konstantinos Arvanitis und bestätigte damit die Feststellung der Berichterstatterin, dass die Korruption „institutionalisiert und tief im Land verankert“ sei. Ermittlungen zu Korruptionsvorwürfen gegen hochrangige Beamten würden keine geführt, stellen die EP-Abgeordneten in ihrem Bericht fest, und zeigen sich besorgt über „Klientelismus, Günstlingswirtschaft und Nepotismus in der öffentlichen Verwaltung“. Kein Wunder also, dass die EU-Kommission nach wie vor Milliarden Euro an für Ungarn bestimmten EU-Geldern nicht an die Regierung in Budapest auszahlt.
Zweifel an freien und fairen Wahlen
„Ungarn bewegt sich nicht nur weg von europäischen Werten, sondern höhlt sie aus“, meint ein weiterer Schattenberichterstatter, der polnische Sozialdemokrat Krzysztof Smiszek. Er wirft der Regierung von Viktor Orban vor, das „Prinzip der Solidarität“ zu verletzen, indem es als einziges EU-Land der Ukraine die Unterstützung verweigere und die EU-Sanktionen gegen Russland schwäche. Dabei habe Ungarn im Europäischen Rat sein Veto „als Druckmittel eingesetzt“, „um Zugeständnisse im Bereich der Rechtsstaatlichkeit zu erzielen“, wie es weiter im Bericht heißt. „Orban nutzt sein Vetorecht, um die Moskauer Politik zu unterstützen“, warf ihm seinerseits der EVP-Abgeordnete Michal Wawrykiewicz vor
Sorgen machen sich die EU-Parlamentarier zudem über die im kommenden Jahr in Ungarn anstehenden Parlamentswahlen. Sie haben Zweifel daran, dass diese frei und fair ablaufen. Bereits jetzt würden nicht gekennzeichnete KI-generierte politische Inhalte und gefälschte Videos auf Social-Media-Kanälen verbreitet, „die eng mit der Partei und dem Wahlkampf des Ministerpräsidenten verbunden sind“, schreiben die Berichterstatter. Sie fordern daher die EU-Kommission und die EU-Staaten auf, in Zusammenarbeit mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa die Wahlen in Ungarn „ordnungsgemäß“ zu beobachten. Zumal auch die parlamentarische Versammlung des Europarates ein umfassendes Überwachungsverfahren gegen Ungarn führt. „Wir wollen, dass alle Stimmen fair ausgezählt werden“, sagte Michal Wawrykiewicz. Das sei aber die Arbeit der ungarischen Zivilgesellschaft, so der Pole.
De Maart

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