13. November 2025 - 6.54 Uhr
Schutz von MinderjährigenEU-Parlament will das Internet sicherer für Kinder machen
Laure Boutron-Marmion ist Anwältin in Paris und auf den Schutz Minderjähriger spezialisiert. Vor einigen Jahren wurde sie mit dem Fall der 16-jährigen Marie betraut, die sich das Leben genommen hatte. Die Jugendliche war Opfer von Mobbing in der Schule. Im Zuge ihrer Untersuchungen fiel der Anwältin auf, dass Marie in den letzten Monaten ihres Lebens „sehr problematische Videos auf Tiktok ausgetauscht hat, Videos, die nicht zensiert waren“, wie Laure Boutron-Marmion während der Vorstellung des EP-Berichts erzählt. In der Folge habe sie vor Gericht eine Klage gegen Tiktok wegen Provokation zum Selbstmord eingereicht. Die mediale Aufmerksamkeit, die die Anwältin damit bekam, habe dazu geführt, dass sie seitdem zwei bis dreimal die Woche von Eltern kontaktiert werde, die von Abhängigkeiten ihrer Kinder berichteten, von deren Depressionen und Selbstmordversuchen im Zusammenhang mit der Nutzung von Online-Plattformen.
„Millionen von Kindern sind täglich online und dabei immer wieder mit gefährlichen bis illegalen Inhalten konfrontiert“, sagt die sozialdemokratische EP-Abgeordnete Christel Schaldemose. Doch sie werden mit diesen Inhalten, die nicht für sie gedacht sind, allein gelassen. „Wir müssen einen weiteren Schritt nehmen, um Kinder zu schützen“, sagt die Dänin, die bereits Berichterstatterin für das Gesetz über digitale Dienste (DSA) war, mit dem die EU Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen einführte, um somit gegen die Verbreitung illegaler Inhalte im Netz vorzugehen. Es gehe nicht allein darum, was Kinder und Jugendliche auf den verschiedenen Plattformen zu sehen bekommen, sondern auch darum, wie beispielsweise Soziale Medien aufgebaut sind. Deren Design, die dahinter steckenden Algorithmen seien darauf ausgelegt, Profite zu generieren, Abhängigkeiten zu schaffen oder gar „Kinder zu manipulieren“, wirft Christel Schaldemose den digitalen Plattformen vor.
Wir schützen die Kinder in der Offline-Welt, wir müssen das auch in der digitalen Welt tun
Die Plattformen müssten die Verantwortung dafür übernehmen, was über sie im Netz zirkuliere, verlangt Laure Boutron-Marmion. Dafür könnten nicht allein die Schöpfer der Inhalte zur Rechenschaft gezogen werden. „Es muss eine gemeinsame Verantwortung für diese Inhalte geben“, fordert die Anwältin und weist darauf hin, dass es ohne die Plattformen nicht zur Veröffentlichung der Inhalte kommen könne.
„Wir schützen die Kinder in der Offline-Welt, wir müssen das auch in der digitalen Welt tun“, argumentiert Christel Schaldemose und fordert eine EU-weite „gemeinsame Altersbeschränkung“ für den Zugang zu Sozialen Medien. Bis zu einem Alter von 13 Jahren sollen Kinder diese Plattformen nicht nutzen dürfen, bis zum Alter von 16 Jahren müsse eine elterliche Zustimmung vorliegen, wenn Jugendliche Soziale Medien, Video-Sharing-Plattformen oder KI-Begleiter nutzen wollen, so der Vorschlag im Initiativbericht. In manchen EU-Ländern wie Frankreich, Dänemark und Spanien würden bereits entsprechende Überlegungen angestellt, sagt die S&D-Abgeordnete.
Plattformen müssen Verantwortung übernehmen
Auf die Frage, wie verhindert werden soll, dass die Altersbeschränkungen, die derzeit per Selbsterklärung erfolgen, umgangen werden, meint Christel Schaldemose, dass die Plattformen verantwortlich gemacht werden sollen, damit das richtige Alter eingesetzt wird. Entsprechende Verifizierungssysteme würden derzeit getestet, so die EP-Abgeordnete.
Im Bericht, über den die EU-Parlamentarier bei ihrer Plenartagung in der letzten Novemberwoche in Straßburg abstimmen sollen, werden der EU-Kommission weitere Vorschläge unterbreitet, die in einem eventuellen neuen Gesetz enthalten sein sollten. So sollen sogenannte „Empfehlungsalgorithmen“ für Minderjährige verboten werden, die sich auf deren Nutzungsverhalten im Internet basieren. Jene Designfunktionen auf einer Plattform, die zu einem Suchtverhalten führen können, müssten standardmäßig deaktiviert werden. Digitalen Plattformen soll es zudem untersagt werden, Minderjährige, die als Influencer tätig sind, finanzielle oder materielle Anreize bereitzustellen.
„Wir wollen die Kinder nicht vom Internet fernhalten“, betont Christel Schaldemose. „Wir sind nicht gegen das Digitale, gegen den Fortschritt“, stimmt Laure Boutron-Marmion dem zu. Kinder und Jugendliche seien jedoch verwundbarer, seien psychologisch nicht so gut ausgerüstet, um bestimmte Inhalte zu verarbeiten, gibt die Anwältin zu bedenken. Deshalb müsse das Internet sicherer für die Kinder und Jugendlichen und deren Entwicklung gemacht werden, erklärt Laure Boutron-Marmion.
De Maart

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