Laut einem Urteil vom 19. Dezember 2024 darf RTL Lëtzebuerg bei Berichten über die Veruntreuung von 560 Millionen Franken bei der ehemaligen Briefträgergewerkschaft nicht mehr den Namen des Verurteilten Jos Nickts nennen. Der frühere Präsident der Gewerkschaft hatte dagegen geklagt, dass sein Name immer noch im Zusammenhang mit der Affäre erwähnt wird. Er habe seine Strafe abgesessen und habe wie jeder Mensch ein Recht auf Vergessen.
„Nach Ansicht der erstinstanzlichen Richter muss die Öffentlichkeit vor allem an dem betreffenden Ereignis interessiert sein, während die Hinzufügung des Namens (…) nichts zur Information der Öffentlichkeit beiträgt, sondern darauf abzielt, seine Person in Misskredit zu bringen, und ihm unverhältnismäßiges Leid zufügt, obwohl er seine Strafe verbüßt hat“, schreiben die Richter in ihrer Urteilsbegründung.
Es gibt durchaus Vergehen, bei denen man nach Verbüßen seiner Strafe Recht auf Vergessen hat, jeder hat eine zweite Chance verdient. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen banalen Ladendiebstahl. Nickts wurde für die Veruntreuung von rund 560 Millionen Franken (umgerechnet 14 Millionen Euro) verurteilt. Er hatte mit dem Sparguthaben von 500 Gewerkschaftsmitgliedern spekuliert und sich so ganz nebenbei eine Finca auf Mallorca genehmigt. Es ist einer der spektakulärsten luxemburgischen Kriminalfälle der Geschichte, im Volksmund kurz „Affäre Nickts“ genannt. Daran wird auch das Urteil kaum etwas ändern.
Doch kann man über ein Verbrechen reden, ohne zu erwähnen, wer dafür verantwortlich ist? Das ist nur möglich, wenn man gar nicht darüber redet. Und das wiederum wäre so, als ob die Affäre nie stattgefunden hätte. Nur teilweise über etwas berichten zu dürfen – auch über Vergangenes –, kommt aber einer Zensur gleich. Konsequenterweise müsste nun jede Zeitung und jede Internet-Suchmaschine den Namen Jos Nickts aus ihren Archiven tilgen. Aus Ex-Generalstaatsanwalt Roby Bievers berühmten Worten in der „Bommeleeër“-Affäre „Et wor net keen“ wird jetzt „Et wor keen“.
Dürfte das Beispiel Schule machen, dann ist es durchaus vorstellbar, dass man der Presse in Zukunft immer wieder mal verbietet, die Namen von Schuldigen in anderen Affären zu nennen, und wer weiß, auch vielleicht die Namen von Massenmördern. Am nächsten Montag ist der „Holocaust Rememberance Day“, dann jährt sich zum 80. Mal die Befreiung von Auschwitz. Vielerorts heißt es dann: „Gegen das Vergessen“. Wir wollen nun beileibe weder solche Verbrechen relativieren und sie durch einen Vergleich mit einem Diebstahl verharmlosen, noch einen Dieb mit einem Massenmörder gleichstellen. Ganz im Gegenteil. Aber im Nachhinein Namen aus Berichten über Verbrechen zu entfernen, ist eine Art Geschichtsfälschung, ganz gleich, ob es sich um Kriegsverbrechen oder Millionenklau handelt.
Das Grundrecht eines jeden Journalisten in der (noch) freien Welt ist und sollte bleiben „schreiben, was ist, bzw., was war“. Und dazu gehört das Recht, bei Affären von historischem Ausmaß Ross und Reiter nennen zu dürfen.
De Maart

genau. und auch der wikipedia-eintrag auf luxemburgisch gehört gerichtlich verboten, aber sofort!
Konsequenterweise müsste Herr N. auch die Publikation und den Verkauf des unter seinem Namen während des besagten Prozesses herausgebrachte Buch "Ich, alleiniger Sündenbock" verbieten lassen.
(Das Buch gibt es noch im Revue-Verlag zu kaufen.)