„Chiche!“„Es fühlt sich an wie eine Familie“: Wie sich die Angestellten in Luxemburg eingelebt haben 

„Chiche!“ / „Es fühlt sich an wie eine Familie“: Wie sich die Angestellten in Luxemburg eingelebt haben 
Ohne Reservierung ist es am Wochenende schwer, einen Tisch im „Chiche!“ zu bekommen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

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Probleme mit dem Ehemann, ein besseres Leben für die Kinder: Das sind nur einige der Gründe, warum die Angestellten des Restaurant „Chiche!“ nach Luxemburg ausgewandert sind. Wie haben sich die Mitarbeiter in Luxemburg eingelebt und wie geht es ihnen heute? Das Tageblatt war vor Ort. 

Durchgesessene Sofas, schwere Stoffteppiche und an der Wand hängen alte Türen: Der Eingangsbereich des „Chiche!“ erinnert an eine gemütliche Stube. Der Geruch von Gewürzen hängt in der Luft. Das libanesische Restaurant ist leer, doch das Personal arbeitet weiter. In der Küche herrscht hoher Betrieb für das Abendgeschäft – im Essbereich decken die Angestellten die Tische. Hektisch ist es jedoch nicht, die Stimmung ist gut, die Zeit erlaubt sogar den einen oder anderen Witz. Das Restaurant lädt zum Verweilen ein: Jede Ecke hat ihr eigenes Flair, jeder Gegenstand seine Geschichte.

Das „Chiche!“ ist regelmäßig ausgebucht: Vor allem freitags und samstags benötigt der Besucher ohne Reservierung etwas Geduld. An diesen Tagen empfängt das Lokal oftmals mehr als 250 Gäste an nur einem Abend. „Es ist eine richtige Maschine“, witzelt Restaurantleiterin Marianne Donven. Die Erfolgswelle startete 2017 in Hollerich und hält noch immer an. Nachdem das „Chiche!“ dann 2019 auf den Limpertsberg umgezogen war, hatte Donven anfangs etwas Bedenken. „Das Lokal ist viel zu groß, das bekommen wir niemals gefüllt“, so der Gedanke. Ohne Grund, wie sich herausstellte: „Es ging los wie eine Rakete.“

Das Konzept hinter dem Restaurant ist einfach: Geflüchteten Menschen Arbeit bieten. Jeder Angestellte hat einen Migrationshintergrund: Entweder waren sie abgelehnte Asylsuchende – in dem Fall hatten sie keine Arbeitserlaubnis – oder sie haben den Flüchtlingsstatus, erklärt die Restaurantleiterin. Aus fünf Mitarbeitern im Jahr 2017 sind inzwischen 55 geworden. Aus einem Restaurant wurden vier, ein fünftes ist bereits in Planung und soll – „falls alles glattläuft“ – im Bahnhofsviertel aufmachen.

„Mein Leben wurde besser“

Marianne Donven und Moudi sind seit 2017 ein eingespieltes Team
Marianne Donven und Moudi sind seit 2017 ein eingespieltes Team Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Mohammad Alzaher, Moudi genannt, ist seit 2017 dabei und Mitgründer des „Chiche!“. Der 31-Jährige hat sein Heimatland Syrien 2015 verlassen. Der Grund: „Ich wollte weiter studieren“. In der Schule hat er nur die Grundlagen von Englisch und Französisch gelernt. Um sich besser integrieren und die Sprachen lernen zu können, nahm Moudi sofort an verschiedenen Aktivitäten bei Hariko – einem Projekt des Roten Kreuzes – teil und traf dort auf Marianne Donven. Kochen tat der 31-Jährige bereits in seiner Heimat, dort war es jedoch nur eine Leidenschaft. Diese hat er in Luxemburg zu seinem Beruf gemacht. Weiterhin im Hintergrund im „Chiche!“ tätig, hat er sein Studium absolviert und in weiteren Luxemburger Restaurants gearbeitet. Im Oktober 2022 kam dann der Anruf von Donven. Sie bot ihm die Stelle als Chefkoch im „Chiche!“ an. Seither ist er Vollzeit auf dem Limpertsberg engagiert und nebenbei in einem weiteren Restaurant involviert.

Daynie Alombro und Shuta Lia kamen 2016 nach Luxemburg
Daynie Alombro und Shuta Lia kamen 2016 nach Luxemburg Fotos: Editpress/Didier Sylvestre

Shuta Lia kam 2016 aus Äthiopien nach Luxemburg, um ihre Familie von hier aus zu unterstützen und ihren Kindern ein „besseres Leben zu ermöglichen“. Die 41-Jährige ist seit 2017 Teil des Küchenteams. Auch wenn sie bereits davor Erfahrungen in der Gastronomie gesammelt hatte, konnte sie hier „sehr viele neue Sachen lernen“, erzählt sie. „Auf der Arbeit sind wir so eng zusammengewachsen, dass es sich wie eine Familie anfühlt.“

Wie groß der Zusammenhalt im „Chiche!“ ist, ist bei den Gesprächen mit den Mitarbeitern spürbar. Denn auch Daynie Alombro erzählt, dass sich das Team „wie Familie anfühlt“. Die 40-jährige Philippinerin kam 2016 nach Luxemburg und ist seit 2022 Teil des „Chiche!“-Teams. Genau wie Shuta Lia kam sie ins Großherzogtum, um von hier aus ihre Familie in der Heimat zu unterstützen. Ihren Start im Großherzogtum beschreibt die 40-Jährige als schwierig: Im Restaurant, in dem sie zuvor arbeitete, wurde sie nach zwei Jahren grundlos entlassen. Eine Arbeitserlaubnis samt Visum fehlten ihr ab diesem Zeitpunkt auch. Durch ihre Sozialassistentin bei „Pro Familia“ ist sie mit Donven in Kontakt getreten. Nach der Anstellung bekam Daynie die Arbeitserlaubnis und ihr Visum wieder. „Erst durch die Arbeit im ‚Chiche!‘ wurde mein Leben besser“, meint Daynie.

Vom Ehemann vertrieben 

Auch Violetas Start war alles andere als einfach. Die 38-jährige Albanerin kam 2015 nach Luxemburg. „Es war sehr schwer und stressig, da ich keine Aufenthaltsgenehmigung hatte“, erklärt sie. Kurze Zeit, nachdem Violeta mit ihren Kindern eingereist war, hat sie Donven bei Hariko getroffen: „Sie war mein Licht“, erzählt sie und bekommt dabei ganz glasige Augen. „Ich habe sie jeden Tag genervt und gefragt, ob sie etwas für mich machen kann“, sagt Violeta. Als das „Chiche!“ 2017 öffnete, stellte Donven sie ein.

Albana und Violeta wollten beide ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen
Albana und Violeta wollten beide ihren Kindern ein besseres Leben ermöglichen Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Seit fast neun Jahren ist die gebürtige Albanerin nun im Großherzogtum. „Ich hatte viele Probleme mit meinem Ehemann.“ Den einzigen Ausweg sah Violeta darin, alleine mit ihren vier Kindern nach Luxemburg auszuwandern. Inzwischen hat sich die 38-Jährige jedoch gut mit ihren Kindern eingelebt. Ihren 20-jährigen Sohn sieht Violeta nun täglich bei der Arbeit, denn genau wie seine Mutter hat Donven auch ihn eingestellt.

Albana ist 43 Jahre alt und kam 2016, genau wie Violeta, aus Albanien nach Luxemburg. „Ich hatte nicht das Leben, das ich wollte. Es war nicht gut, also beschloss ich, dies nur wegen meiner Kinder zu tun“, erzählt sie. Auch ihre Anfangszeit im Großherzogtum beschreibt die 43-Jährige als schwierig, weil sie nur Albanisch sprach. Nachdem sie einen Französisch- und Luxemburgischkurs besucht hatte, ist sie zuversichtlicher: „Ich kann jetzt Französisch sprechen, vielleicht nicht sehr gut, aber ich versuche mein Bestes.“ Der Job im Restaurant ist der erste Job, den die 43-Jährige jemals hatte. „Es ist das erste Mal, dass ich meine Leidenschaft und meine große Liebe zum Kochen wirklich zeigen kann.“ Mit Tränen in den Augen erzählt die gebürtige Albanerin, dass sie sich im Großherzogtum sehr gut aufgehoben und sicher fühlt. „Wenn ich tief in mich gehe, muss ich am Ende weinen – so dankbar und glücklich bin ich, hier zu sein.“ 

Sorgen wegen neuem Minister

Die Restaurantleiterin ist sichtlich stolz auf ihre Angestellten – immer wieder lächelt sie und witzelt mit ihnen. Mit fast allen ehemaligen Mitarbeitern hat Donven noch Kontakt: „Die tauchen immer mal wieder hier auf“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Die Leiterin bedrückt die Tage jedoch ein Thema: Das Ministerium für Immigration hat mit Léon Gloden (CSV) einen neuen Minister bekommen. „Ich habe ein bisschen Angst. Wir hatten davor einen Minister mit einem großen Herzen.“ Ob es nun weiterhin so einfach bleibt, Menschen eine Aufenthaltserlaubnis auszustellen, davor fürchtet sich die Inhaberin etwas. Die ersten Anfragen laufen, es bleibe jetzt abzuwarten, wie darauf geantwortet wird. 

„Das Bettelverbot war ein Warnsignal“, gibt Donven zu bedenken. Viele Vereinigungen machen sich jetzt Sorgen. „Wir wussten mit dem Minister, den wir davor hatten, wie es funktionieren könnte“, so Donven. Jean Asselborn habe seine Verwaltung öfter darum gebeten, kulanter zu sein. „Nun wissen wir nicht, ob es nicht viel strengere Anweisungen geben wird.“