Zur Erinnerung an Dr. Jos Steichen Eine Escher Persönlichkeit

Zur Erinnerung an Dr. Jos Steichen  / Eine Escher Persönlichkeit
Jos Steichen beim Familienurlaub in der Bretagne Foto: privat

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Aufrichtig, gebildet, engagiert – menschlich, liebevoll. Das sind nur einige der Attribute, mit denen der langjährige Escher Arzt Jos Steichen beschrieben wird. Als einfühlsame Persönlichkeit mit unzähligen Interessen, die ihre Arbeit im Dienst der Allgemeinheit nicht an die große Glocke hängt. Er habe sich nie in Kleinigkeiten verrannt, sondern mit viel Empathie stets das große Ganze vor Augen gehabt, sagen seine Frau und seine drei Kinder. Sie schildern ihn als feinsinnigen, stillen und humorvollen Genießer. Mit Vorlieben für Italien, Burgunderweine und Piranesis Kupferstiche. Vor drei Monaten ist Jos Steichen im Alter von 74 Jahren verstorben.

„Was schreibt der Spiegel denn diese Woche?“, fragt der Arzt den jungen Patienten. Der sitzt leicht hustend in der geräumigen und mit allerlei Kunstobjekten dekorierten Praxis. Dann wird über diesen oder jenen Artikel des Nachrichtenmagazins diskutiert. 

Dr. Jos Steichen* sitzt zurückgelehnt an seinem Schreibtisch. Entspannt erzählt er über bevorstehende Reisen, über ein Appartement in Berlin, die Museumsinsel und überhaupt über Kunst. Und dann, fast beiläufig, die Frage: „Was fehlt dir denn?“ Der Patient ist leicht geniert – ja eigentlich schon genesen. Was kann seine leichte Erkältung schon groß bedeuten im Rahmen jener Welt, zu der Jos Steichen in wenigen Minuten kraft seiner Allgemeinbildung Tore geöffnet und vor allem Neugierde geweckt hat?

Doktor Joseph Steichen, von den meisten seiner Patienten nur „de Jos“ genannt, hat eine beruhigende Ausstrahlung. Seine Statur, seine Stimme und der sanfte, manchmal auch verträumt-nachdenkliche, aber stets wache und neugierige Blick geben ihm etwas von einer fast kumpelhaft vertrauten Vaterfigur. Die weiß wohl eine gewisse Distanz zu wahren, hat aber eigentlich für alles Verständnis – allerdings nicht für medizinische Selbstdiagnosen mit Dr. Internet.

Bodenständige Familie

Am dritten April 1946 kommt Jos Steichen in Luxemburg-Stadt zur Welt. In Diekirch wächst er auf. Der Vater ist Anwalt, die Mutter Hausfrau. Eine bodenständige Familie mit viel gesundem Hausverstand und der Fähigkeit, nicht alles bierernst zu nehmen. „Sie hatten manchmal einen leichten, aber stets gutmütigen Hang zur Stichelei“, sagen Jos’ Frau Joëlle, die Tochter Hélène und die Söhne Guillaume und Nicolas.

Nach dem Abitur 1965 in Diekirch belegt Jos das erste Jahr Medizin am hauptstädtischen „Cours universitaire“. Anschließend wechselt er nach Nancy. Dort lernt er auch seine spätere Frau kennen, eine Französin. Sie studiert „Arts décoratifs“. Gemeinsam ziehen sie nach Straßburg.

1975 lässt sich Jos als Allgemeinmediziner in Esch nieder, wo er mit Dr. Francis Peporte eine Gemeinschaftspraxis eröffnet. „In Esch herrschte zu der Zeit ein akuter Mangel an Allgemeinmedizinern“, erzählt seine Frau.

Dieser Mangel zeigt sich in vielen anderen Bereichen, in denen ein Arzt regelmäßig gebraucht wird. So kommt es auch, dass Jos Arzt fürs Altersheim und für die Schulen in Esch wird. Auf der Liste seiner vielfältigen Aktivitäten stehen zudem das „Planning familial“, das Behindertenzentrum der APEMH auf „Nossbierg“, die Fola und das „Médico sportif“. Auch in der Ausbildung junger Ärzte in Luxemburg ist er lange Zeit aktiv. Er ist außerdem Mitglied des „Conseil scientifique“ und sitzt während 30 Jahren im „Collège médical“. „Das war ihm sehr wichtig“, so Joëlle.

Dass er in zahlreichen Bereichen engagiert ist, zudem auch noch abendliche Hausbesuche macht, merkt man ihm nie an. Er wirkt stets gelassen und souverän. „Er ist ein einfacher Mensch geblieben“, so seine Frau. „Einfach und menschlich.“

„Der menschliche und vertraute Kontakt zu seinen Patienten lag ihm ganz besonders am Herzen, es war ein ehrliches Interesse an allem, was sie tun und denken. Er versuchte seine Patienten in ihrer Ganzheit zu begreifen, ohne Vorurteile und Urteile“, so Guillaume, der sich ab 2007 die Praxis in der rue de l’Alzette mit seinem Vater teilte.

„Er hatte ein Grundvertrauen, nichts Aufgesetztes“, ergänzt Joëlle. „Er hat jeden behandelt und versucht zu helfen – il adorait son métier, il adorait ses patients.“

„Dass ich Arzt geworden bin, liegt wohl auch daran, dass mein Vater immer sehr begeistert darüber geredet hat“, sagt der Sohn.

Wahllos zufrieden

Die Liebe zu seinem Beruf und den Menschen dürfte seinen Bekanntheitsgrad erklären. Diese Popularität aber hängt er nicht an die große Glocke. So erzählt seine Tochter, dass er jedes Mal bei Wahlen gefragt worden sei, doch bitte mit auf eine Liste zu gehen. „Er hat sich immer geweigert und gesagt: ,Ich bin schon in einem Club, ich bin im Kegelclub.’ Das war in der Tat der einzige Club, in dem er Mitglied sein wollte.“

Er war kein Mann großer Worte, „keiner, der dick aufgetragen hat“. Kein Freund des Bling-Bling. Er war auch keiner, der Ehrungen suchte, nach Auszeichnungen strebte und im Mittelpunkt stehen wollte. Seine Arbeit hat für ihn eine vorrangige Bedeutung. Die Arbeit im Dienste der Mitmenschen. Er habe sich nie in Kleinigkeiten verrannt, sondern mit viel Empathie stets das große Ganze vor Augen gehabt, sagt seine engste Familie.

Trotz der zahlreichen Beschäftigungen, denen Jos Steichen nachgegangen ist, haben seine Tochter und die beiden Söhne nicht den Eindruck, er sei nicht präsent gewesen: „Mittags und abends kam er nach Hause, um gemeinsam mit uns zu essen.“ Tochter Hélène nennt das Geborgenheit: „Wir haben uns nie Fragen gestellt, wir wussten, dass er immer da war und dass nichts schiefgehen konnte. Wir hatten keine strenge Erziehung, sondern durften uns in einem großzügig bemessenen Spielraum entwickeln.“

„Unser Vater war nie autoritär, er hat Konflikte gehasst“, sagen seine Tochter und Söhne: „Wenn es einen halbwegs intelligenten Weg gab, an einer Auseinandersetzung vorbeizukommen, dann hat er ihn genommen – das war eine seiner großen Qualitäten.“

Er war eine stimmige Figur. Ein aufrechter und überlegter Mensch mit Sinn für feinen Humor. „Une belle personne“, sagt seine Frau – und mit einem exzellenten Gedächtnis, er habe gerne gelesen. Die Bibliothek von Jos Steichen füllt einen großen Teil des Hauses in Esch aus.

Mutter und Vater seien ein „binôme“ gewesen, das fehle nun sehr, sagen Hélène, Nicolas und Guillaume: „Unsere Eltern liebten die schönen Dinge im Leben, ansonsten haben sie nicht viel gebraucht.“

Dann wird über die drei Enkelkinder geredet, in die Jos vernarrt ist, sonstige Familienerinnerungen wie gemeinsame Reisen, nach Asien, Ferien in der Bretagne und in Italien, über asiatische Kunst, Stammeskunst, den russischen Künstler Maxim Kantor und vor allem über Piranesis Kupferstiche antiker römischer Bauwerke. Oder über Geografiekarten, die er gesammelt hat – mit Leidenschaft – „sogar auf unserer Hochzeitsreise“.

Und während die Rede über die schönen Dinge im Leben der Fantasie Flügel verleiht und die „Tristesse“ vertreibt, steht ein guter Bekannter mit im Raum, bescheiden in der Ecke, ein Glas geliebten Burgunderweines in der Hand und mit diesem väterlichen Blick, den sein damals junger, Spiegel lesender Patient schon so gemocht hat. Still vor sich hin lächelnd erfreut er sich an der Unvergänglichkeit der Kunst in einer vergänglichen Welt. „J’ai appris à voir avec tes yeux“, habe Jos mal zu ihr gesagt, erinnert sich Joëlle.

*Jos Steichen ist am 18. April 2020 in Esch verstorben. 

Blacky
26. November 2020 - 23.49

Schon so lange wo Dr Joseph. Steichen fort ist. Rest in Peace Dr. Joseph STEICHEN! Doktor. Joseph STEICHEN war für mich der beste Hausarzt der Welt, sehr bodenständig angagiert und liebevoll und keine labile Hand mit dem Rezeptblock, ein sehr guter Mensch er wird uns fehlen und sein Sohn Doktor Guillaume Steichen macht Doktor Joseph "Jos" STEICHEN alle Ehre, Dieser ist genauso begnadet, gütig, angagiert und liebevoll mit seinen Patienten genau wie sein Vater hilft DR. Guillaume Steichen wie Dr Joseph Steichen wo Not herrscht und man spürt sich willkommen, ich wünsche der Familie alles erdenklich Gute und Frieden. LG Blacky

TEITGEN David
26. Juli 2020 - 20.58

Choqué... On médecin de famille, j'ai 36 ans et je me souviens ma jeunesse, un médecin de famille unique. Grand tristesse

De klenge Frechdachs
20. Juli 2020 - 16.23

Wor nach bëssi gréng hannert den Oueren (entschëllegt di salopp Ausdrocksweis, ma dat beschreift et am beschten), wou ech mam Här STEICHEN ze dinn hat, ma haut kann ech awer soen, dass et e Mann war, den d'Liewe verstanen hat. Roueg, gebilt, tolerant, vu senger Famill respektéiert. En onkomplizéierte Mënsch. A wann een seng Kanner kuckt, dann huet en seng Eegenschafte weiderginn. Mäi Bäileed un d'Famill.

patatausch
20. Juli 2020 - 13.13

c'est l'image qui me restera de lui, un grand-homme, simple, cultivé et qui aimait les gens, merci Dr. Steichen et courage à sa famille

André Pierre Rosa
20. Juli 2020 - 4.02

Hien war män Copain

Linda
19. Juli 2020 - 19.25

Wéi ech zu Esch gewunnt hun,war heen main Hausdokter. En haat emer en Ouer vir all Probleem. Huet sengen Patienten. Ogelauschtert. En wonnerbaren Mensch. Main Beileed un seng Famill

Kremer Gaston
18. Juli 2020 - 18.05

Joseph était un ami de jeunesse et d’études formidable....sa mort me fait de la peine,sincères condoléances à sa famille.....Kremer Gaston