Loterie NationaleEin Star der fünfziger Jahre: Erinnerungen an den verstorbenen Jerry Darnelle 

Loterie Nationale / Ein Star der fünfziger Jahre: Erinnerungen an den verstorbenen Jerry Darnelle 
Jerry Darnelle (3. v.l.) beim Besuch in der Tageblatt-Redaktion im Jahr 2014 Tageblatt-Archiv: Fabrizio Pizzolante

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Seine internationale Karriere war kurz, sie hat ihn jedoch in etwas mehr als fünf Jahren um die Welt gebracht. Seine nationale Laufbahn hat etwas länger gedauert, gehörte Jerry Darnelle doch zur Stammbesetzung der „Loterie nationale“, die ihre Auslosungen quer durchs Land organisierte. Jetzt ist Jerry Darnelle 86-jährig gestorben.

Mit dem bürgerlichen Namen Gérard Weigel wurde der Illusionist und Magier 1935 in Esch/Alzette geboren. Das Interesse an der Zauberkunst wurde ihm quasi in die Wiege gelegt, schon mit 14 Jahren kaufte er sich das erste „Zauberbuch“, ein kostbares antikes Werk, für das er damals 1.100 Franken hinblätterte – genau die Hälfte der Gage, die er vier Jahre später für seinen ersten Auftritt beim Familienabend des Sparvereins „Le Million“ bekam.

Dazwischen lagen harte Lehrjahre, in deren Verlauf er sich viele Zaubertricks aneignete. Angefangen hat er mit Bällen, mit Karten und mit Tassen, in denen die Zuschauer Kaffee sahen, bevor er sie umdrehte und sein Publikum mit Konfetti bestreute.

Der „Bottle King”

Sehr schnell stellte der junge Magier auch fest, dass man mit dem bürgerlichen Namen Gérard Weigel keine Karriere machen konnte. Kurzerhand mutierte er zum Jerry Darnelle. Berühmt wurde er mit einem Flaschentrick, in dessen Verlauf er große und kleine Flaschen mit allen möglichen Flüssigkeiten füllte und dann Blumensträuße und Halstücher herauszog. Daher auch die Bezeichnung „Bottle King“, die seine internationalen Auftritte begleitete.

Den Anstoss gab ein erster internationaler Preis: Im September 1959 bekam Jerry Darnelle bei einem großen Magiertreffen im spanischen Sevilla bei rund 400 Anwesenden einen ersten Preis, gewissermaßen den Oscar der Magie. Nachdem er 1957 als Beobachter an einem Magiertreffen in Utrecht teilgenommen hatte und dabei erste internationale Kontakte knüpften konnte, stellte er sich zwei Jahre später dem Wettbewerb, den er dann als Gewinner verließ.

Es folgten Engagements in ganz Deutschland, aber auch in Spanien, Schweden und Großbritannien. Hier ist er nicht nur im Scala Theatre aufgetreten, er wurde auch von der BBC interviewt und dem Minister Duncan Sandys (Verteidigungsminister und Enkel von Sir Winston Churchill) vorgestellt.

Magische Tricks bei der Armee

„Wichtig ist die Ouvertüre, der allererste Zaubertrick. Wenn der sitzt, dann hast Du die Zuschauer auf Deiner Seite”, soll er über sich selbst gesagt haben. Auch sein Markenzeichen sorgte gleich am Anfang für Gespräch. Anders als seine Kollegen im internationalen Showgeschäft trat er nicht im Smoking auf, sondern in einer weißen Hose und einem hellblauen Jackett. Ein Outfit, das in den späten 50er Jahren hierzulande nicht so einfach zu bekommen war.

Einen ersten Karriereknick gab es durch den damals noch obligatorischen Militärdienst. Um die Hand nicht zu „verlieren“ (Zauberer trainieren ihre Fingerfertigkeit täglich), sorgte der junge Rekrut gleich in der Schlafstube für Unterhaltung. Sehr schnell bekamen jedoch auch seine Vorgesetzten Wind von seinem Können und so ging Soldat Gérard Weigel bald schon in den Luxemburger Kasernen auf Tournee.

Die aufregende internationale Karriere, wo er mit 300 Kilo Gepäck unterwegs war, nahm jedoch ein „vernünftiges“ Ende, als Gérard Weigel 1964 seine Josette Kuffer heiratete und einen Zeitungsladen in der Hauptstadt eröffnete. Ganz konnte Jerry Darnelle jedoch die Finger nicht von der Zauberei lassen. Er gehörte in den 60er und 70er Jahren, solange wie Kabarettnummern noch in Mode waren, zur Stammbesetzung der Nationallotterie und hatte zeitweilig auch ein Monatsengagement in einem hiesigen Hotel.

Doch mit dem Ende der Unterhaltungsindustrie schlief auch seine Karriere ein, selbst wenn bis zum Schluss hinter seinem Künstlernamen der Hinweis auf seine artistische Tätigkeit vermerkt blieb.