Donnerstag20. November 2025

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EditorialEin klares Nein zur Gewalt gegen Frauen muss endlich in unsere Köpfe rein

Editorial / Ein klares Nein zur Gewalt gegen Frauen muss endlich in unsere Köpfe rein
Am Donnerstag beginnt in Luxemburg die „Orange Week“ gegen Gewalt an Frauen Symbolfoto: Editpress/Julien Garroy

Gewalt gegen Frauen beginnt lange, bevor eine Faust sie trifft. Der Schlag ist nur der sichtbarste, brutalste Endpunkt eines tief verwurzelten misogynen Weltbildes, das Frauen zu minderwertigen und untergeordneten Wesen erklärt. Dieses Weltbild, das nie verschwunden war, aber dessen Würgegriff Generationen von Frauen mühsam gelockert haben, drängt heute wieder gefährlich nach vorn. 

In Luxemburg zeigt es sich noch in „salonfähiger“ Form, etwa in dem umstrittenen Medienbeitrag von Gérard Schockmel, der fast beiläufig in die Mottenkiste der Frauenfeindlichkeit greift, wenn er gegen die Verankerung des Rechts auf Abtreibung in der Verfassung wettert. Doch mit seiner Haltung, seinen „Argumenten“ und seiner Wortwahl liegt der DP-Abgeordnete erschreckend nah an bekennenden Frauenhassern wie dem Influencer Andrew Tate – nur einen Katzensprung von deren offen zur Schau gestelltem Misogynismus entfernt.

Zu oft beginnt die gesellschaftliche Debatte über Gewalt gegen Frauen erst dann, wenn es längst zu spät ist. Laut dem UN-Bericht „Femicides in 2023“ wird weltweit alle zehn Minuten eine Frau von ihrem Partner oder einem Familienmitglied ermordet. Zahlen von Eurostat beweisen: Rund ein Drittel aller Frauen in der EU haben im Erwachsenenalter Gewalt erfahren – zu Hause, am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum. Luxemburg liegt mit 38 Prozent sogar über dem europäischen Durchschnitt. Im Jahr 2024 gab es hierzulande 1.178 Polizeieinsätze wegen häuslicher Gewalt; Tendenz steigend. 80 Prozent der Opfer waren Frauen. Es sind Zahlen, die uns erschüttern müssten – und dennoch begegnet man ihnen mit einer fatalen Apathie, als wären sie ein unvermeidlicher Bestandteil unseres Lebens.

Es braucht endlich ein gesamtgesellschaftliches Umdenken. Es braucht den lauten, klaren Widerspruch, wenn im direkten oder indirekten Umfeld frauenfeindliche Parolen fallen. Es braucht eine ernsthafte Auseinandersetzung mit jenen gefährlichen, von sozialen Medien befeuerten „Trends“ wie der Verherrlichung toxischer Männlichkeit oder der romantisierten Unterordnung sogenannter „Trad-Wives“. Es braucht Sensibilisierung in den Schulen, damit sich gefährliche Rollenbilder und Stereotype gar nicht erst verfestigen. Es braucht Medien, die Misogynie nicht verharmlosen, sondern sichtbar machen und klar einordnen. Es braucht eine Justiz, die Betroffene ernst nimmt, sie schützt und Täter ohne Zögern zur Verantwortung zieht. Und es braucht ein wirksames, konsequentes Handeln der Politik.

Luxemburgs Aktionsplan gegen geschlechtsspezifische Angriffe ist ein – leider sehr spät kommender – Anfang. Die Ende April eröffnete zentrale Anlaufstelle „Centre national pour victimes de violences“ bildet darin ein wichtiges Element. Insgesamt 62 Projekte, verteilt auf zehn Ministerien, müssen in den kommenden Jahren beweisen, dass sie tatsächlich Wirkung entfalten. Und die Verantwortlichen in der Regierung müssen dafür sorgen, dass dieser Anfang nicht der letzte Schritt bleibt.

In den nächsten Tagen werden zur „Orange Week“ wieder etliche Rathäuser und nationale Institutionen orange angestrahlt. Politikerinnen, Politiker und Personen des öffentlichen Lebens werden Anteilnahme, Verständnis und Engagement bekunden. Die Medien werden Aktionen begleiten und über die Thematik berichten. Doch es ist die Aufgabe von uns allen, aktiv etwas gegen geschlechtsspezifische Gewalt und die dahinterliegenden perfiden Weltbilder zu unternehmen – und zwar nicht nur während einer Woche im Jahr. Denn davon können Leben abhängen.