Wie ist es als Kandidat der Linken in einer Hochburg der AfD?
Wir brauchen ein Gegengewicht gegen die konservativen bis ultrarechten Kräfte. Das sind SPD und Grüne in Pforzheim nicht wirklich. Nehmen wir als Beispiel die Bezahlkarte für Asylbewerber, über die der Pforzheimer Gemeinderat abstimmte und die meines Erachtens menschenverachtend ist. Nur zwei sprachen sich gegen die Karte aus, darunter die Linke. Wir haben einen Vertreter im Gemeinderat.
Wie erklären Sie sich, warum die AfD in Pforzheim so stark ist?
Pforzheim war leider schon immer rechts. Angefangen bei den Republikanern, die einst im hiesigen Gemeinderat noch stärker vertreten waren (1989 bis 2009; Anm. d. Red.) als in vielen anderen Städten, wo sie meistens gar nicht in die Gemeinderäte kamen. Sie waren zwei Legislaturperioden ziemlich stark (von 1989-1999 mit sechs respektive mit drei Mandaten; Anm. d. Red.). Wenn man die einzelnen Pforzheimer Wahlbezirke betrachtet, dann hat der Bezirk Haidach, wo viele Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion leben, also sogenannte Russlanddeutsche, mehr als 40 Prozent AfD-Wähler. Das sind ja deshalb keine schlechten Leute. Wie ich weiß, verfolgen viele von ihnen das russische Fernsehen RT DE oder Online-Plattformen, auf denen die AfD massiv Unterstützung erhält. Von denen werden häufig Tatsachen verdreht und etwa behauptet, dass Deutschland vor dem Untergang stehe, wenn uns die AfD nicht retten würde.
Woran kann es noch liegen, dass Russlanddeutsche die AfD wählen?
Zum einen haben sie noch sehr konservative Werte, wie sie zumindest behaupten. Hinzu kommt, dass die meisten von ihnen zwar gut Deutsch sprechen, aber trotzdem gesellschaftlich relativ abgekapselt leben. Die AfD-Kandidatin im Wahlkreis, Diana Zimmer, stammt übrigens auch aus einer Familie von Russlanddeutschen.
Gibt es aber auch noch andere Gründe für die Stärke der AfD in Pforzheim?
Ganz sicher spielen gerade die sozialen Netzwerke bei jüngeren Leuten eine große Rolle. Besonders ausgeprägt ist ihre Macht seit Corona zu beobachten. Übrigens gibt es in Pforzheim noch immer jeden Montag die sogenannten Querdenker-Demos. Darunter befinden sich viele AfD-Anhänger bis hin zu Leuten, die noch weiter rechts stehen, so etwa die rechtsextremistische Gruppe „Pforzheim Revolte“, ein Ableger der Identitären Bewegung. Diese drohen auch mit gewalttätigen Aktionen. Aber was die sozialen Medien betrifft, ist die AfD wirklich sehr stark, wie das Beispiel Tiktok zeigt. Doch darin haben wir inzwischen aufgeholt und nutzen das auch verstärkt.
Man sollte den Leuten die Angst vor diesem „bunten“ Pforzheim nehmen
Es wird immer wieder behauptet, dass Pforzheim sich als traditionelle Industrie- und Arbeiterstadt mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel schwergetan hat. Aber die Arbeitslosenquote von knapp über vier Prozent spricht heute nicht mehr unbedingt dafür.

Mir ist es auch ein Rätsel. Pforzheim hat sicherlich einen überdurchschnittlich hohen Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Es gibt also auch das andere, „bunte“ Pforzheim. Vielleicht fürchten sich einige Leute davor, weil die Migranten vor allem in der Innenstadt sehr präsent sind. Man sollte ihnen die Angst vor diesem „bunten“ Pforzheim nehmen. Dafür kämpfe ich, auch noch nach der Wahl. Sicherlich gibt es negative Nebenerscheinungen, wie etwa Bandenkriege zwischen den einzelnen Gruppierungen. Das ist nur ein kleiner Teil, taucht aber immer wieder in den Medien auf. Ich stehe etwas im Clinch mit unseren beiden Tageszeitungen (die Pforzheimer Zeitung und der Pforzheimer Kurier, Anm. d. Red.), die Taten aufbauschen und dann schreiben, es handle sich bei den Tätern um Menschen mit dunkler Hautfarbe oder südländischem Aussehen. Die große Mehrheit der Migranten haben einen Job, sind selbstständig und versuchen, sich nützlich zu machen. Der eine, bei dem das nicht so ist, taucht dann aber als Täter in der Zeitung auf.
Die Linke war vor kurzem fast abgeschrieben, was die Bundestagswahl angeht.
Noch Anfang des Jahres hätte keiner auf uns gewettet.
Hat euer Comeback nur mit der geschickten Nutzung der sozialen Medien wie Tiktok zu tun oder liegt es auch an etwas anderem?
Ich würde sagen, der Hauptgrund ist Fleiß. Aber auch bei Tiktok und Instagram braucht man den. Gregor Gysi hat ja mal gesagt, dass die Partei kämpfen könne. Dies beweist sie zurzeit. In den letzten Wochen haben wir auch einen enormen Mitgliederzuwachs. Täglich verzeichnen wir hier in unserem Kreisverband Neueintritte in die Partei. Allesamt sind das junge Menschen. Die Vorstände, ebenfalls ein junger Mann und eine junge Frau, rufen die neuen Mitglieder an und fragen sie, ob sie mitmachen wollen. Vor nicht langer Zeit haben wir unsere Plakate noch zu dritt aufgehängt. Jetzt sind es 20 Helfer. Manche kommen sogar, auch wenn sie krank sind, sodass ich sie wieder nach Hause schicken muss. Hinzu kommt die Aktion „Silberlocke“, die ein Riesenerfolg ist, bei der drei ältere Herren (Gysi, Bodo Ramelow und Dietmar Bartsch, Anm. d. Red.), die eigentlich mit der Politik aufhören wollten, nochmal mitmachen, um die Partei zu retten. Es weht in der Partei zurzeit ein richtiger Spirit des „Wir schaffen es“. Trotz aller Widerstände. So wurde etwa die Linke Pforzheim von Meta für eine Woche gesperrt, weil wir angeblich gegen ihre Richtlinien verstoßen hätten. Aber worum es genau ging, hat man uns nicht gesagt.
Im Wahlkampf sollen Helfer der Linke angegriffen worden sein. Ist Ihnen das auch schon passiert?
Zum Glück nur verbal. Etwa als jemand zu mir sagte: „Ihr hängt Plakate auf, bald hängen wir euch auf.“ Wir haben einige Vorsichtsmaßnahmen getroffen, zum Beispiel, dass keiner allein Plakate aufhängt, schon gar nicht in der Nacht. Nicht einmal zu zweit. Es müssen schon mindestens vier sein. In Calw verlief es nicht so glimpflich. Dort wurde der Linken-Kandidat Thomas Hanser Ziel eines Anschlags. Die Fassade seines Hauses wurde mit Nazi-Parolen beschmiert. Die Attacke war kein Einzelfall. Bereits während des Kommunalwahlkampfs wurde durch das Fenster seiner Wohnung geschossen.
Noch etwas zu Pforzheim: Die Bundestagswahl findet ausgerechnet am 23. Februar statt, an jenem für die Stadt so schicksalsträchtigen Tag. Es ist der Gedenktag an den Luftangriff der Alliierten vor 80 Jahren, als die Stadt nahezu völlig zerstört wurde und fast 18.000 Menschen ums Leben kann. Etwa ein Fünftel der Einwohner. Was bedeutet das Datum für Sie?
Wir gehen davon aus, dass die Nazi-Kundgebung, die es jedes Jahr auf dem Wartberg gibt, auch dieses Mal stattfindet. Ich bin in der Initiative gegen rechts aktiv. Bevor der Wahltermin veröffentlicht wurde, war für uns klar, dass wir eine große Mahnwache abhalten und einen Mahnspaziergang zu drei historischen Orten unternehmen, die durch die Nazizeit negativ besetzt sind, so etwa zu dem Ort, von wo aus einst die Juden in die Vernichtungslager deportiert wurden. Die Strecke des Gedenkzugs musste verändert werden, weil am Wahltag keine Demonstration an einem Wahllokal vorbeiziehen darf.
Helmut Kuntschner
Der 1966 in Pforzheim geborene Diplomingenieur für Elektronik ist Kandidat bei der Bundestagswahl für die Linke im Wahlkreis Pforzheim/Enzkreis. Zudem ist er Gitarrist der legendären, seit 1981 existierenden Punkband The Lennons, Vorstandsmitglied im Allgemeinen Deutschen Fahrradfahrer-Club (ADFC) Pforzheim und Mitglied in der „Initiative gegen rechts“.
De Maart

Der AFD mit noch mehr linker Politik begegnen treibt die Waehler noch mehr zur AFD.
Die AFD wurde stark gemacht schon mit linker Politik von der Mutti. Folgten Schroeder dann Merkel und dann Scholz. Bei jeder Wahl gewann die AFD an Stimmen. Einsicht linker Pasrtei'en ist geboten !
Gegen die AFD hilft nur eine Mitte-Mitte Rechts Politik !