16. Oktober 2025 - 20.32 Uhr
Akt.: 16. Oktober 2025 - 20.33 Uhr
Künstliche Intelligenz Ein Film beschreibt die prekäre Situation der Datenarbeiter

Die Künstliche Intelligenz (KI) wird einmal die Welt beherrschen – und den Menschen. Der das sagte, forschte viele Jahre in einem der europäischen Exzellenzzentren der KI und hat diese mit weiterentwickelt. Heute will er nur noch wenig davon wissen und auch nicht namentlich genannt werden. Die Entwicklung der KI sieht er kritisch. „Es ist ein System, das nicht nur genauso intelligent ist, wie der Mensch sein kann, sondern das überbietet, was die Menschheit schaffen kann“, wird derweil ein Vertreter der Tech-Branche in dem Film „Les Sacrifiés de l’IA“ zitiert. Eine Frau entgegnet: „Das ist nicht wahr. In Wirklichkeit sind es Menschen, die hinter den Kulissen arbeiten.“
Während Tech-Milliardäre vom Transhumanismus träumen und den sogenannten Longtermismus – die Idee, Opfer in der Gegenwart zu akzeptieren, um eine bessere ferne Zukunft zu sichern – als moralisches Leitbild feiern, zeigt Poulains 73-minütiger Film die Kehrseite: das Schicksal von Millionen ausgebeuteter Datenarbeiter und die ökologischen Folgen dieser Industrie. Die Doku ist eine scharfe Anklage gegen eine Branche, die das Blaue vom Himmel verspricht, aber menschliche und ökologische Kosten verschweigt. Die Doku zeigt, dass hinter einer KI eine Vielzahl von „Clickworkern“ bzw. „Dataworkern“ stehen, die zu anstrengenden, repetitiven Aufgaben gezwungen und durch Vertraulichkeitsklauseln mundtot gemacht werden.
Ausbeutung
Ein Bericht der Weltbank von 2023 schätzte die Zahl dieser Beschäftigten weltweit auf 150 bis 430 Millionen. Die Zahlen wurden von der ILO im vergangenen Jahr bestätigt. Wie Henri Poulain in seinem Film zeigt, werden diese Aufgaben, die nur miserabel bezahlt werden, Menschen übertragen, die wegen ihrer Lebensumstände dazu gezwungen sind, etwa Insassinnen eines Frauengefängnisses in Finnland, ukrainischen Flüchtlingen in Bulgarien und vor allem Menschen in großer Armut in den Ländern des Südens.
In nicht wenigen Unternehmen der Branche werden Mitarbeiter, die sich gewerkschaftlich organisieren, sofort entlassen. Ein in Kalifornien ansässiger KI-Riese setzte einen Großteil der Zeugen derart unter Druck, dass sie schweigen. Ein in Nairobi tätiger Datenarbeiter nennt dies „eine Fortsetzung der Apartheid oder der Kolonialisierung“. Dass zum Bau der Rechenzentren Landschaften zubetoniert werden und Flüsse austrocknen, ist bereits bekannt. Wenig bekannt hingegen sind die Menschen, die schuften, um diese Rechenzentren zu „versorgen“. Denn DeepSeek, OpenAI oder Siri benötigen Milliarden von aktualisierten Daten. Diese werden ihnen von jenen geliefert, die in den armen Ländern des Südens oder unter den schwächsten Bevölkerungsgruppen wie etwa Flüchtlingen in den Industrieländern des Nordens rekrutiert werden.
Ist es das wert?
Ein Auto, das potenzielle Risiken im Straßenverkehr schneller einschätzt als sein Fahrer, ein Chatbot, der rund um die Uhr Fragen beantwortet, die man seinem Bankberater stellen möchte – die KI vereinfacht unser Leben, aber ist es das wirklich wert? Nicht zuletzt diese Frage wirft Poulain auf.
KI ist ein Mythos. Sie ist weder intelligent noch künstlich, sondern besteht aus Hunderten Millionen Datenarbeitern, Mineralien und Ressourcen.
„Les Sacrifiés de l’IA“ wurde am Donnerstag im Rahmen eines „Ciné-débat“ im Utopia gezeigt, organisiert von „Fairtrade Lëtzebuerg“ und der „Fondation Partage Luxembourg“ und im Beisein des Regisseurs sowie der Co-Autorin Lili Fernandez. „KI ist ein Mythos“, betont Poulain. „Sie ist weder intelligent noch künstlich, sondern besteht aus Hunderten Millionen Datenarbeitern, Mineralien und Ressourcen.“ Während die KI als Symbol von Fortschritt und Innovation gefeiert wird, arbeiten die Klick- und Datenarbeiter wie unsichtbare Sklaven am Fließband. Ihre Zahl nimmt unaufhörlich zu. Fernandez spricht von zwölf Prozent der weltweiten Erwerbsbevölkerung. „Wahrscheinlich sind es heute viel mehr“, so die Journalistin. „Ihre bewusste Unsichtbarkeit macht genaue Schätzungen extrem schwierig.“
„Wie sollen wir heute handeln?“, fragt Poulain. „Zunächst müssen wir uns darüber im Klaren sein und dies öffentlich machen. Wir müssen dies zu einer politischen Frage machen, denn sie betrifft jeden von uns. Wir können die Technologie nicht in den Händen unverantwortlicher Erwachsener lassen.“
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