„Es war eine Wahlkampfrede“, meinte Charles Goerens in Anspielung auf die im kommenden Jahr stattfindenden Europawahlen und einer eventuellen weiteren Kandidatur Ursula von der Leyens für ihre eigene Nachfolge. Sie habe Probleme ausgeblendet, andere sei sie nur schwach angegangen, so der luxemburgische Liberale. Für ihre angekündigte Afrika-Strategie habe sie ebenso wenig einen Ansatz mitgeliefert wie für den Bürokratieabbau, mit dem mittelständische Betriebe in der EU entlastet werden sollten. Die Kommissionschefin habe versucht, die Bauern zu „bauchpinseln“, ohne jedoch darauf einzugehen, wie der „dramatische Preisverfall“ ihrer Produkte aufgefangen werden soll. „Das deutet darauf hin, dass Frau von der Leyen ein schönes Bild malen wollte“, so das Fazit von Charles Goerens, ohne jedoch einen Weg aufzuzeigen, wie die gegenwärtigen Schwierigkeiten bewältigt werden sollen.
Das sah Christophe Hansen, Parteifreund der EVP-Politikerin, naturgemäß anders. Er sah die Interessen seiner Fraktion mit der Rede gut bedient. Es sei lange darauf gewartet worden, dass die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) entlastet würden. Das werde nun mit der Einführung einer Überprüfung der EU-Gesetzgebung hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit geschehen. „Wettbewerb ist für mich kein Schamwort“, sagte der luxemburgische EVP-Politiker, der die Wichtigkeit des Handels hervorhob und vor Abhängigkeiten gegenüber anderen Ländern warnte. Deshalb begrüßte Hansen die „Global Gateway“-Initiative der EU-Kommission als Alternative zur chinesischen neuen Seidenstraße. Der EVP-Politiker vermisste allerdings im Lichte des Ukraine-Krieges Aussagen zur Verteidigung, die in der EU „besser organisiert und interoperabel“ gemacht werden müsse. Ansonsten zeigte sich Christophe Hansen „ganz zufrieden mit der Rede“.
Tilly Metz: „Konkretes wurde nicht angesprochen“
Sie sei „eher frustriert während der Rede“ gewesen, „da konkrete Dinge nicht angesprochen wurden“, bilanzierte die Grünen-Europaparlamentarierin Tilly Metz. Zu überprüfen sei, ob tatsächlich, wie von von der Leyen behauptet, 90 Prozent der Vorhaben ihrer Kommission bereits umgesetzt wurden. Vieles sei noch zu tun, meinte Tilly Metz. Sie kritisierte, dass „ganz klar der Handel im Mittelpunkt“ der Rede stand, „zum Nachteil des Sozialen“. Vor allem vermisste die Grünen-Politikerin Konkretes: wie die Biodiversität aufrechterhalten werden soll, wie die Transition im Rahmen der Energiewende fair und gerecht erfolgen soll, wie es mit der Gesundheitsunion weitergehen soll. Und die Aussagen der Kommissionspräsidentin zur Migration qualifizierte Tilly Metz als „sektären Ansatz“, da es dabei um „qualifizierte Leute“ gegangen sei und nicht von Menschen geredet wurde oder die Solidarität im Vordergrund stand.
Ursula von der Leyen habe das „ganz gut gemacht“, urteilte wiederum Isabel Wiseler-Lima. Die EVP-Politikerin hob vor allem hervor, dass die Kommissionschefin sowohl auf die Risiken für die EU von außen – durch autoritäre Regime – als auch von innen, wegen der Missachtung der Rechtsstaatlichkeit durch einige EU-Staaten eingegangen sei. Sie begrüße es daher, dass keine EU-Gelder in Mitgliedstaaten fließen sollen, in denen der Rechtsstaat nicht respektiert werde, so Isabel Wiseler-Lima. Auch sie begrüßte die Aussagen zur Wettbewerbsfähigkeit und warnte davor, dass aufgrund einer mangelnden Unterstützung der hiesigen Industrie es zu Verlagerungen und dadurch zu einem Verlust an Autonomie für die EU kommen könne. Auch wenn die Kommissionschefin zu manchen Themen keine Details genannt habe, vertrauen sie ihr doch, dass von der Leyen alles mache, um in die richtige Richtung zu gehen, so Isabel Wiseler-Lima.
Marc Angel: „Bisschen langweilige Rede“
Es sei eine „bisschen langweilige Rede“ gewesen, stellte der S&D-Abgeordnete und Vizepräsident des EU-Parlaments Marc Angel fest. Gefallen habe ihm zwar, dass von der Leyen viel über den Green Deal geredet habe, doch sollte sie ihre Parteikollegen dazu bewegen, auch für den Green Deal einzustehen, meinte Angel. Er begrüßte die Ankündigungen, dass künftig auch Berichte zur Rechtsstaatlichkeit in den EU-Beitrittsländern gemacht werden und die EU auf kommende Beitritte vorbereitet werden soll. „Ganz schrecklich“ fand der S&D-Politiker hingegen, dass die Kommissionschefin die Menschen vergessen hat, als es um die Resilienz der europäischen Wirtschaft ging. Ein Gipfeltreffen zum 40. Jahrestag des vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors initiierten Sozialdialogs in der EU auszurufen, würde nicht ausreichen, um dem Thema des Sozialen gerecht zu werden, meinte Marc Angel.
Monica Semedo schließlich war „ganz positiv überrascht“ über die Aussagen der EU-Kommissionspräsidentin zur Geschlechtergleichstellung und zu den Frauenrechten. Sie hätte sich jedoch gewünscht, dass von der Leyen Ideen dazu vorgelegt hätte, wie der Verbleib von Jugendlichen in den Schulen oder einer Ausbildung geschafft werden könne. Als kleinen „B-Moll“ empfand die Politikerin der liberalen Renew-Fraktion, „dass das Thema von Menschen mit Behinderung überhaupt nicht angesprochen“ wurde. Zudem hätte sich Monica Semedo „ganz klare Worte“ der Kommissionschefin zu Fremdenhass und Rassismus gewünscht. Alles in allem meinte die luxemburgische Liberalen-Politikerin jedoch, sei es eine Rede gewesen, „die okay war“.
		    		
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Team Wagenknecht, Weidel sollte die Führung übernehmen. So wird das ganze Getue scheitern.