Freitag31. Oktober 2025

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Domaine TageblattDie Zeit ist reif! Am Samstag lesen wir nicht Zeitung, sondern unsere Rivanertrauben

Domaine Tageblatt / Die Zeit ist reif! Am Samstag lesen wir nicht Zeitung, sondern unsere Rivanertrauben
Önologe Jean Cao hat uns erklärt, wie man Trauben richtig verkostet, um dadurch den Lesezeitpunkt zu definieren Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die Trauben für den Tageblatt-Rivaner werden in wenigen Tagen gelesen. Wir hoffen dabei, den optimalen Zeitpunkt zu erwischen. Um den festzulegen, haben wir uns wieder einmal Hilfe vom Experten geholt.

Am Samstag werden wir aller Voraussicht nach unsere Trauben lesen. Der Zeitpunkt kommt für uns früher als erwartet, doch unser Önologe des Vertrauens hat uns geraten, nicht zu lange abzuwarten. Mit Jean Cao haben wir uns im Tageblatt-Weinberg getroffen. Er hat zwar sein Messgerät für die Bestimmung des Zuckergehaltes der Trauben dabei, doch darauf allein will er sich nicht verlassen. Er greift auch auf die Verkostung der Trauben direkt im Weinberg zurück. Das gefällt auch unserem Fotografen Hervé Montaigu, der bereits fleißig dabei ist, unsere Trauben zu genießen, während der Experte noch seine Vorgehensweise erläutert: „Die obersten und untersten fünf Reben lasse ich aus, ebenso die ersten und letzten beiden Reihen der Parzelle.“ Damit waren Hervés Kostproben für die Bestimmung des Lesezeitpunktes schon einmal umsonst. Jean nimmt sogenannte Zonen-Stichproben, also Beeren aus unterschiedlichen Reihen, von der Sonnenseite ebenso wie aus dem Schatten, nah am Stamm und weiter außen.

„Achtet nicht nur auf den Geschmack“, rät er, „sondern auch auf die Konsistenz und darauf, ob sich das Fruchtfleisch leicht von der Schale löst.“ Auch die Kerne geben Aufschluss: Grün und bitter bedeuten unreif, hellbraun zeigt die Nähe zur Reife.

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Anfangs taten wir uns schwer, die Geschmacksnuancen einzuordnen. Winzerin Corinne half uns mit „Grappillons“, kleinen Nebentrauben, die kaum reifen. Es war ein anschauliches Beispiel dafür, was Säure und Bitterkeit bedeuten. Danach fiel es leichter, Unterschiede herauszuschmecken. Für unseren Grafiker Louis war es eine Überraschung, wie stark die Trauben je nach Lage variieren: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so große Unterschiede innerhalb einer Parzelle gibt und dass wenige Tage so viel ausmachen können.“ Das ist der Grund, warum Winzer für Spitzenweine nicht ganze Parzellen zum gleichen Zeitpunkt lesen, sondern wirklich nur die Trauben nehmen, die perfekt gereift sind, erklärt der Önologe. 

Unterschiede innerhalb der Parzelle

Am unteren Ende des Weinbergs stellte Jean fest, dass die Trauben dort bereits reifer waren als weiter oben. „Eigentlich ist es oft umgekehrt, aber das kleine Waldstück beschattet wohl die oberen Reihen.“

Da die Trauben innerhalb einer Parzelle immer unterschiedlich reifen, lassen Winzer repräsentative Proben im Labor des „Institut viti-vinicole“ (IVV) untersuchen. Das haben wir vergangene Woche, vor der Traubenverkostung, auch getan und in weniger als zwei Stunden lag das Ergebnis vor:

– Malinsäure (Apfelsäure): 3,5 g/l
– Weinsäure: 8,6 g/l
– Gesamtsäure (als Weinsäure): 8,3 g/l
– Oechsle-Grad: 75
– pH-Wert: 3,03

Ihr seid nicht mehr weit von der Lese entfernt, vielleicht sechs bis acht Tage

Jean Cao, Weinbauexperte

Mit diesen Zahlen allein konnten wir allerdings wenig anfangen. Allein auf die Hilfe einer KI wie ChatGPT wollten wir uns in dieser entscheidenden Frage nicht verlassen, schließlich kommt es darauf an, ob alle relevanten Informationen berücksichtigt worden sind, was wiederum an uns liegt. „Die Laboranalyse ist der beste Weg, um sichere Daten zu haben“, sagt Jean, der unser Projekt seit Monaten begleitet. Gemeinsam mit der Tageblatt-Redaktion hat er eine Auswahl an Rivaner-Weinen verkostet, um festzulegen, welchen Charakter unser Wein haben soll. Wir entschieden uns für einen trockenen, fruchtbetonten und frischen Stil. Dabei spielt der optimale Lesezeitpunkt eine wichtige Rolle, und den galt es nun zu bestimmen.

Nach dieser „marche gourmande“ durch den Weinberg zieht Jean sein Fazit: „Ihr seid nicht mehr weit von der Lese entfernt, vielleicht sechs bis acht Tage.“ Dabei waren wir von Mitte September ausgegangen. Optimal seien für uns 83 bis 85 Grad Oechsle und ein potenzieller Alkoholgehalt von rund zwölf bis zwölfeinhalb Prozent.

Dabei berücksichtigt er das angestrebte Geschmacksprofil: Für unseren Rivaner benötigen wir einen hohen Thiolgehalt, Schwefelverbindungen, die dem Wein Frische und eine Grapefruit-Note verleihen. Dafür muss etwas vor der optimalen Reife gelesen werden. „Wenn ihr zu lange wartet, gehen die Thiole verloren, und man müsste im Keller technisch aufwendig gegensteuern.“ Das wollen wir als Winzernovizen auf jeden Fall vermeiden.

Stichtag 6. September

Das Wetter spielt uns derzeit in die Karten: Der Regen der vergangenen Tage erlaubt es, den Termin doch noch etwas hinauszuzögern. Allerdings darf jetzt auch nicht mehr zu viel Regen nachkommen. Jean empfiehlt, zwischen dem 5. und 8. September zu lesen. Gemeinsam mit Corinne haben wir schließlich den Samstag als Stichtag festgelegt – vorausgesetzt, das Wetter zwingt uns nicht vorher in die Weinberge. Momentan bereiten sich die Winzer an der Mosel auf den Auftakt der Lese vor. In freudiger Erwartung auf einen guten Jahrgang herrscht in den Weinkellern Hochbetrieb. Einige Winzer haben bereits mit der Lese von frühreifen Sorten begonnen, nun folgt gleich der Crémant und der Tageblatt-Rivaner.

Die Verkostung war für uns nicht nur eine praktische Übung, sondern auch ein Einblick in die Arbeit und Entscheidungsprozesse der Winzer. Grafiker Louis brachte es zum Schluss auf den Punkt: „Für mich schmeckt es einfach nach Traube – und Jean kann daraus den perfekten Lesetermin herauslesen.“

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