„Reagan war der Anfang vom Ende.“ Diese Worte des amerikanischen Videofilmers Charles Atlas brachten es auf den Punkt. Mit dem damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan (1981-1989) begann in den Vereinigten Staaten und seinen sogenannten Reaganomics eine lange Phase des Neoliberalismus und eine von konservativen Amerikanern häufig verklärte Ära. Unter Progressiven hingegen war der frühere Hollywood-Schauspieler verhasst. Die Reagan-Ära war geprägt von rechter Rhetorik und Politik, von einer konservativen Grundstimmung und Bedrohungsszenarien. Reagans zweite Amtszeit war dagegen eher geprägt von der Entspannungspolitik zwischen den Großmächten, ausgehend von dem damaligen starken Mann der Sowjetunion, Michail Gorbatschow.

Der britische Autor Jon Savage beschreibt in seinem Buch „1966: The Year the Decade Exploded“ bereits Reagans Wahl zum Gouverneur von Kalifornien als Auftakt zum politischen Schlag gegen die linke und bürgerrechtliche Protestbewegung sowie als Initialzündung von Polizeigewalt. Doch das war erst der Anfang. Die eigentliche konservative Revolution folgte später, der Aufbruch in ein autoritäres Zeitalter in den USA scheint mittlerweile begonnen zu haben. Fast prophetisch war in dieser Hinsicht Atlas‘ New Yorker Ausstellung „The Illusion of Democracy“ (2012). Schon acht Jahre zuvor hatte die Metalcore-Band Reflux ein Album gleichen Namens herausgebracht und dies vor allem auf die Politik von George W. Bush bezogen. Doch Letzterer war vergleichsweise harmlos angesichts dessen, welche Donald Trump für die USA und die Welt darstellt.
Den Gedanken, die amerikanische Demokratie als Illusion zu begreifen, hatten in den Jahren von Reagans Präsidentschaft bereits etliche US-Punkbands, darunter die berühmten Dead Kennedys aus der Bay Area von San Francisco, neben anderen Bands wie Reagan Youth, eine Band von Anarchopunks aus New York, die in ihren Texten Parallelen zwischen Reagans Politik und rechtsextremer Gruppierungen zogen und ihren Namen als Anspielung auf die Hitlerjugend gewählt hatten. Bekannte Punkklassiker der Dead Kennedys sind bis heute „Kill the Poor“, „Nazi Punks Fuck off“, „California über alles“ und „Holiday in Cambodia“. Zu großer Bekanntheit gelangte ihr einstiger charismatische Sänger Jello Biafra. Bis heute äußert er sich politisch, was man von vielen der bekannteren US-Künstler zurzeit nicht behaupten kann. Der Schock über Trumps Comeback ins Weiße Haus scheint noch vielen in den Gliedern zu stecken.
Trumps Schockwelle
In der Tat erinnert die Politik des Machthabers im Weißen Haus an eine Schockwelle. Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nannte Trump einen Diktator. Außerdem behauptete er, die Ukraine selbst hätte den Krieg angefangen – wenn man dann noch hört und liest, was die deutsche AfD-Chefin Alice Weidel in ihrem Gespräch mit dem Tech-Milliardär und Trump-Unterstützer Elon Musk behauptete, dass etwa Adolf Hitler ein Kommunist gewesen sei, stellt sich einem die Frage, ob wir im Zeitalter der Umwertung aller Werte angekommen sind, in dem sogar der Begriff der Wahrheit auf den Kopf gestellt wird. Mit beiden, der Umwertung der Werte wie auch dem Begriff der Wahrheit, hat sich bekanntlich Friedrich Nietzsche intensiv auseinandergesetzt. Der Eindruck von einem sich ausbreitenden Werteverlust gehe einher mit der Einsicht, dass nichts mehr wahr und alles erlaubt sei, so der Philosoph in „Zur Genealogie der Moral“.
Nietzsche betrachtet Werte als relativ. Mit seinen Worten müsste in Trumps Zeiten „dem Scheine, dem Willen zur Täuschung, dem Eigennutz und der Begierde ein für alles Leben höherer und grundsätzlicherer Wert zugeschrieben werden“. Wer verfolgt, wie Trump an jedem Tag neue Provokationen und Salven der Ruchlosigkeit raushaut und unerwartete Attacken auf bisherige Gepflogenheiten und Gesetzmäßigkeiten der Vernunft sowie des demokratischen Miteinanders von sich gibt, wähnt sich in der Endlosschleife eines finstere B-Movies, dessen Besetzung das Gruselkabinett der aktuellen US-Regierung ist und dessen erweiterter Kreis aus „Horrorclowns“ wie Elon Musk und dem argentinischen Präsidenten Javier Milei besteht.
Nach den ungeschriebenen Gesetzen der an Fantasie reichen Popkultur wären die beiden libertären Exzentriker – ihnen wenig Zugeneigte würden das zumindest behaupten –, Verwandte von Pennywise (aus Stephen Kings Roman „Es“) oder Joker (Batmans Gegenspieler). Nicht zufällig heißt eine dreiteilige Docu über Trumps Milliardär-Buddy Musk, der unter anderem mit SpaceX zum Mars will, „Genie und Wahnsinn“, und ein Buch über Argentiniens „anarchokapitalistischen“ Präsidenten Milei, der zugab, sich von seinem toten Hund Conan aus dem Jenseits beraten zu lassen, „El Loco“ (Der Verrückte). Oder gilt nach wie vor, wie der Politologe Albrecht von Lucke kürzlich schrieb, das dem italienischen marxistischen Philosophen und Politiker Antonio Gramsci zugeschriebene Zitat „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren: Es ist die Zeit der Monster“? Von Lucke nennt als die drei Monster „den autoritären Nationalismus, die Globalisierung des Krieges und die Zerstörung des sozialen Zusammenhalts“.
Für Musk und Milei könnte nichts passender sein als die Kettensäge: Musk trat jüngst bei der Conservative Political Action Conference mit einer auf, die ihm Milei kurz zuvor als Geschenk überreicht hatte. Der Argentinier war bereits 2023 mit einer Kettensäge in den Wahlkampf gezogen. Damit wollte er die Zerschlagung der staatlichen Bürokratie symbolisieren. Die Kettensäge steht nicht zuletzt für „Disruption“, das Modewort der Stunde, unter dem die einen schöpferische Kraft und die anderen eine zerstörerische Kraft verstehen. Die beiden Libertären, die auch in Europa ihre Fans haben, sind nicht die Einzigen, die in den vergangenen Jahren mit die Grenzen zur Clownerie überschreitenden Faxen auftraten. Erinnert sei an den britischen Ex-Premierminister Boris Johnson und an den Rechtspopulisten Nigel Farage sowie an Brasiliens früheren Präsidenten Jair Bolsonaro und den philippinischen Ex-Staatschef Rodrigo Duterte.
„Clownspolitik“
Die erneute Wahl Trumps stelle den vorläufigen Höhepunkt des Phänomens dar, das man als „Clownspolitik“ bezeichnen könnte, konstatiert der Literaturwissenschaftler Johannes Franzen. In der Endphase seines Wahlkampfes habe es Trump definitiv auf die Spitze getrieben. Jetzt setzt der Narzisst seine Ankündigungen wie entfesselt in die Tat um. Dass wir in einem „Zeitalter der Clowns“ leben, hatte der Fernsehkritiker und Journalist Torsten Körner bereits 2021 in einem Radioessay festgestellt und sich dabei auf George Monbiots Artikel im Guardian bezogen, der geschrieben hatte: „Überall ergreifen die Killer-Clowns die Macht.“
Diese Ultrarechten und Autokraten, zu denen auch Matteo Salvini und Viktor Orbán gehören, dass sie in ihren öffentlichen Auftritten auf eine populistische Manier gegen die traditionellen Konventionen verstoßen und sich gegen das bisherige Establishment richten – auf eine gleichermaßen erschreckende und lächerliche Art. Franzen schreibt in seiner Kolumne in dem Online-Magazin Übermedien vom November 2024: „Es handelt sich um eine Politik der karnevalesken Transgression, eine Performance des Herumhampelns, die immer wieder den Eindruck vermittelt, man habe es mit zutiefst unernsten Menschen zu tun.“ Mit dem Unterschied, dass alles bitterer Ernst ist. „Clownspolitik“ sei eine Form der politischen Kommunikation, die sich der Lächerlichkeit preisgibt und damit einen großen Erfolg hat.
Derweil meint George Monbiot, dass diese Politik für Ablenkung von den eigentlichen Problemen der Gesellschaft sorge. „Wir beobachten gebannt die Clowns, die uns ermutigen, die Wut, die eigentlich Milliardären vorbehalten sein sollte, auf Einwanderer, Frauen, Juden, Muslime, People of Color und andere imaginäre Feinde und die üblichen Sündenböcke zu richten.“ Als Ersatz für Systemkritik. Während Trump die karnevalesken Verstöße gegen die guten Sitten mimisch begleitet, kaspert Musk völlig enthemmt herum und inszeniert sich Milei mit Kettensäge und Lederjacke. Und welche Rolle kommt dann dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu: die eines Marionettenspielers?

Ist die Welt nun ein hoffnungsloser Fall und die liberale Demokratie endgültig am Ende? Manch einer hat schon den Trump-Blues oder leidet an Angstzuständen in der Ungewissheit darüber, was uns noch blüht: politischer, wirtschaftlicher und sozialer Umbruch, Bedrohung der Menschenrechte, Kriege und Rassenkonflikte. So war es nicht verkehrt, dass die britische Mental Health Foundation nach Trumps Wahlsieg „Tipps für Ihre psychische Gesundheit während traumatischer Weltereignisse“ gab. „Dies sind schwierige und intensive Momente für viele Menschen. Angst ist keine unangemessene Reaktion, und man sollte sich nicht herabgesetzt fühlen, weil man sich Sorgen macht“, meint Lee Knifton, der Direktor der Stiftung. Er empfiehlt zuerst einmal abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln. „Zeit ist wichtig“, ist sich Knifton sicher, obwohl Trump uns mit seinem destruktiven und disruptiven Hyperaktivismus kaum Zeit lässt. Wenn das Gefühl der Niedergeschlagenheit anhält, gibt es laut Mental Health Foundation durchaus Möglichkeiten, damit umzugehen. Ein erster Schritt, den Nachrichtenkonsum einzuschränken: „Vermeiden Sie langes Scrollen!“ Denn das „Doomscrolling“ zieht runter. Je mehr negative Nachrichten wir aufnehmen, desto schlechter fühlen wir uns.
Engagement und Hoffnung
Eine weitere Strategie besteht darin, mit anderen in Kontakt zu treten und sich zu engagieren. „Freiwilligenarbeit und Aktivismus sind praktische Wege, um ein Gefühl der Handlungsfähigkeit und Wertschätzung zu finden“, so Knifton. Eine Studie des ebenfalls britischen National Council for Voluntary Organizations von 2023 ergab, dass drei Viertel der Befragten angaben, dass die Freiwilligenarbeit gut für ihre psychische Gesundheit und ihr Wohlbefinden sei. Neun von zehn gaben gar an, dass sie das Gefühl hatten, etwas zu bewirken, 68 Prozent fühlten sich sozial weniger isoliert. Die Stiftung empfiehlt daher, sich in politischen, bürgerlichen oder sozialen Gruppen zu engagieren, öffentliche Debatten zu besuchen und sich in lokalen Bürgerinitiativen zu engagieren.

Auch wenn die Lage aussichtslos erscheint, gilt es zu hoffen, schreibt Daniel Graf. Der Feuilletonchef des Schweizer Online-Magazins Republik weiß, dass momentan nichts leichter ist, als zu verzweifeln, nachdem Trump einen Schlag nach dem anderen zum „Brachialabbau von Demokratie und internationaler Ordnung“ setzt. Russlands Diktator Putin kriegt Schützenhilfe aus dem Weißen Haus, Italien wird postfaschistisch regiert, in Österreich konnte zwar eine von dem Rechtsradikalen Herbert Kickl angeführte Regierung vorerst noch verhindert werden, doch nach wie vor droht ein Comeback einer neuen Form von „Austrofaschismus“, in Frankreich lauert Marine Le Pen, in Deutschland Alice Weidel – die Liste der Gefahren ist lang. Von dem politisch derzeit ausgeblendeten Klimawandel gar nicht zu sprechen. Doch ausgerechnet und gerade in der Polykrise blüht die Hoffnung. Im Buchmarkt herrscht ein regelrechter Boom. Ist die Hoffnung das Gegengewicht? „Hoffnung ist ein zentrales Merkmal der Demokratie“ und eine „performative Emotion“, so die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz. Die US-Philosophin Martha Nussbaum spricht von „Praktiken der Hoffnung“ und meint damit sinnstiftende Gemeinschaftserfahrungen als mächtigsten Motor der demokratischen Zuversicht. Wir sind den politischen Horrorclowns ebenso wenig schutzlos ausgeliefert wie den Gesetzmäßigkeiten der Algorithmen.
Die Demokratie steht noch nicht mit dem Rücken zur Wand. Zum Glück gibt es überhaupt noch eine Wand – und Leute wie Jello Biafra. Der frühere Sänger der Dead Kennedys, mittlerweile 66 Jahre alt, ist nach wie vor aktiv. Unaufhörlich ist er dabei, seinen Protest kundzutun. Die Trump-Fans nennt er „Trumpzis“, eine Kombination aus Trump und Nazi. Biafra lässt sich nicht unterkriegen: Schon während der ersten Amtszeit nahm er einen Song auf, dessen Titel bezeichnend ist. Er heißt „Nazi Trumps Fuck Off!“.

		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
                          
Solche gehirnlose Milliardair-Chaoten regieren Weltmacht,
unglaublich dass ein Voilk sowas gewählt hat, die müssen doch
alle von einem Virus von Dummheit betroffen sein, was hat dieses politisches Idiotengetue noch mit Weltpolitik zu tun,
kaum noch Worte zu finden.
@smilla
Auch wenn Milei in dem Sinne etwas positives zustande gebracht hat - das rechtfertigt den Rest seiner autoritären und destruktiven Politik nicht, die zudem auch wieder für genausoviel Chaos sorgt (Krypto-währung, da war doch was??).
Hören Sie auf, andauernd rechtsextreme Autokraten und andere "Horrorclowns" zu verteidigen (sonst kommt von Ihnen kein einziger Kommentar, der NICHT in diese Richtung geht!) - im übrigen hat auch Hitler damals die Inflation in Deutschland beendet, wollen Sie etwa die Politik der NSDAP verteidigen?
Ist es Mileis Hund Conan zu verdanken , dass in seinem ersten Amtsjahr die Inflation von 211 % auf 117 % gesunken ist ?Wohlfahrt fuer alle mit der Druckerpresse entpuppt sich irgendwann auch als Horrorszenario .
Quand un clown entre dans un Palais, le Palais devient un cirque !
Die von Ihnen, Herr KUNZMANN, beschriebenen vielfältigen Wege von ruchloser, autoritärer Politik wurden ab 1933 vom unfehlbaren päpstlichen "Luxemburger Wort" begeistert begrüßt und bejaht. Diese Bejahung und Begeisterung sind theologisch begründet und deswegen unkorrigierbar und unkontrollierbar. Auch demokratische Werte und Ansichten können, wenn das so gewollt ist, langfristig einem "göttlich fundierten" autoritären Ziel dienen. Das einzige Gegenmittel ist tabufreie Aufklärung! Herr VANCE ist ein bekennender Katholik. Sein Mentor: der katholische Politikprofessor Patrick DENEEN. Dessen Ziel: Aristopopulismus. MfG, Robert Hottua