Montag24. November 2025

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FriedenslösungDie Ukraine und die Europäer bringen sich wieder ins Spiel

Friedenslösung / Die Ukraine und die Europäer bringen sich wieder ins Spiel
Eine Wand in der ukrainischen Hauptstadt Kiew erinnert an die im Krieg gefallenen Soldaten Foto: AFP/Roman Pilipey

Seit Mitte vergangener Woche ist wieder mächtig Bewegung in die Bemühungen um eine Friedenslösung für den russischen Krieg in der Ukraine gekommen, als die Details eines neuen „Friedensplanes“ bekannt wurden. Das Papier, dessen Autorenschaft den USA zugeschrieben wurde, löste in der Ukraine und im restlichen Europa helle Aufregung aus. Doch übers Wochenende hat sich manches geändert. Versuch einer Einordnung. 

Ist es Unfähigkeit der US-Administration oder haben die Russen die Regierung in Washington düpiert? So genau weiß man es auch Tage nach dem Bekanntwerden des 28 Punkte umfassenden Friedensplanes für die Ukraine noch nicht. Doch der Eindruck hat sich erhärtet, dass es eine Mischung aus beidem ist. Das zuerst am vergangenen Mittwoch vom US-Nachrichtenportal Axios veröffentlichte Dokument war dem ukrainischen Präsidenten bereits zwei Tage zuvor vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und Donald Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in einem Telefonat Punkt für Punkt vorgestellt worden, wie Axios am Montag berichtete. Übereinstimmenden Medienberichten zufolge entstand der Plan während Treffen zwischen Witkoff und dem Sondergesandten des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Kirill Dmitrijew, in der letzten Oktoberwoche in Miami. Allerdings seien dabei weder das Weiße Haus noch die ukrainische Regierung eingebunden gewesen.

Der Friedensplan war offensichtlich noch nicht für die Öffentlichkeit gedacht, wurde dennoch an Axios geleakt. Verantwortlich dafür wird Putins Vertrauter Kirill Dmitrijew gemacht, wobei sich auf einen von Steve Witkoff vermutlich unbeabsichtigten und daher schnell wieder gelöschten Tweet berufen wird, der offenbar Dmitrijew für den Leak verantwortlich macht. Für den Münchner Merkur steckt dahinter eine konkrete Absicht. Fachleute würden darauf hindeuten, „dass die Indiskretion eine gezielte Kampagne war, um für Verwirrung zu sorgen und die russischen Forderungen zu normalisieren“, so Merkur.de. Denn der Plan, der von vielen Kommentatoren unter anderem als „Kapitulationsplan“ für die Ukraine bezeichnet wurde, kommt dem Kreml weitestgehend entgegen. Und löste dementsprechendes Entsetzen in der Ukraine und bei dessen europäischen Unterstützern aus. Deshalb gab es Zweifel darüber, was die Urheberschaft des Friedensplanes anbelangt, der von Beginn an als „US-Friedensplan“ gehandelt wurde.

US-Politiker stiften Durcheinander

Am Wochenende dann war das Durcheinander perfekt. Während US-Senatoren mit Verweis auf den US-Außenminister Marco Rubio behaupteten, dass der Friedensplan nicht von den USA sei, erklärte der US-Außenminister das Gegenteil. Die US-Senatoren, die in Kanada an einer Sicherheitskonferenz teilgenommen hatten, berichteten am Sonntag aus einem Telefonat mit Rubio. „Was er (Rubio, Anm.) uns sagte, war, dass das nicht der amerikanische Vorschlag war. Es war ein Vorschlag, den man von jemandem erhalten hatte, der Russland vertrat. Und gegeben wurde er dem Sondergesandten Witkoff“, sagte der US-Republikaner Mike Rounds. Und der unabhängige Senator Angus King fügte hinzu: „Laut Minister Rubio ist das nicht die Position der Regierung. Es ist im Prinzip die Wunschliste der Russen.“

Dem wiederum widersprach der US-Außenminister formell: Der Vorschlag „wurde von den USA verfasst“, erklärte Rubio in der Nacht zum Sonntag auf dem Onlinedienst X und bestehe aus Beiträgen von der ukrainischen und der russischen Seite. 

Die britische Zeitung Guardian hat eine linguistische Analyse der englischen Fassung des Friedensplanes durchführen lassen. Es habe sich herausgestellt, dass manche sprachliche Wendungen sowie genutzte Wörter mehr zu einem in russischer Sprache verfassten Text passten als zu einem englischen Sprachmuster.

Ukraine-Unterstützer beraten

Die in der sogenannten „Koalition der Willigen“ organisierten Unterstützer Kiews beraten am Dienstag über die jüngsten Entwicklungen im Ukraine-Krieg. Die Gruppe aus rund 30 vorwiegend europäischen Staaten wird dazu am Nachmittag in einer Videokonferenz zusammenkommen. Das virtuelle Treffen solle ermöglichen, eine Bilanz der am Sonntag stattgefundenen Gespräche in Genf zu ziehen, hieß es aus dem Élysée-Palast. (AFP)

Es ist zu vermuten, dass sich Washington den Plan zu eigen gemacht hat, um nicht den Eindruck aufkommen zu lassen, die Amerikaner hätten die Kontrolle über den gesamten Prozess verloren. Auffallend ist immerhin, mit welcher Begeisterung Marco Rubio über den Verhandlungsverlauf am Wochenende in Genf mit Vertretern aus der Ukraine, der EU sowie mehreren europäischen Staaten berichtete, als er sich „sehr optimistisch“ zeigte, von „enormen Fortschritten“ sprach und sich zuversichtlich für die noch anstehenden Gespräche gab. 

28-Punkte-Plan bereits vom Tisch

Damit dürften die Ukraine sowie die Europäer wieder im Spiel und die ursprüngliche Fassung des 28-Punkte-Planes vom Tisch sein. Bereits am Sonntagabend berichtete das deutsche Nachrichtenportal Spiegel Online über verschiedene Punkte eines in Genf ausgehandelten Dokuments. Demnach würde sich die Ukraine dazu verpflichten, keine militärischen Mittel einzusetzen, um seine besetzten Gebiete wiederzugewinnen. Über territoriale Arrangements würde, beginnend an der Kontaktlinie, also am derzeitigen Frontverlauf, verhandelt. Der US-Friedensplan hatte noch die russische Forderung übernommen, dass die Ukraine sich aus den noch nicht von Russland besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk zurückziehen müsse. Zudem sollten die von Moskau annektierten Gebiete nicht international anerkannt werden, was wiederum im US-Plan gefordert wurde. Weitere Punkte, die vom Spiegel aufgegriffen wurden, betreffen die Souveränitätsrechte der Ukraine: So sei die russische Forderung gestrichen worden, die Ukraine müsse in ihrer Verfassung einen NATO-Beitritt ausschließen. Zudem sollte die ukrainische Armeestärke nicht bei den geforderten 600.000, sondern bei 800.000 Soldaten liegen. Des Weiteren haben sich die Verhandlungspartner laut dem Spiegel darauf geeinigt, dass Russland den in der Ukraine entstandenen Schaden ersetzen müsse. Bis dahin blieben die seit Kriegsbeginn in europäischen Staaten verbliebenen russischen Staatsguthaben eingefrorenen.

Nach den Gesprächen in Genf meinte der US-Außenminister der Nachrichtenagentur AFP zufolge, dass „sehr bald“ eine Einigung erzielt werden könne. Er glaube, dass US-Präsident Donald Trump „sehr zufrieden“ sei über die in Genf erreichten Fortschritte. Ähnlich äußerten sich Vertreter aus Europa, wiesen aber darauf hin, dass noch einiges an Arbeit vor ihnen liegen würde. Der EU-Ratspräsident António Costa sagte, es müssten noch einige Dinge geklärt werden, doch die Richtung sei „positiv“. Vermutlich dürfte allerdings die vom US-Präsidenten gesetzte Frist, binnen der die Regierung in Kiew dem US-Plan zustimmen müsse, nicht eingehalten werden können. Trump verlangte bis zum Donnerstag eine Antwort vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Und rechnete wohl damit, vor allem sich mit einem Friedensschluss zum diesjährigen „Thanksgiving“ feiern zu lassen. 

Kreml: „Nicht konstruktiv“

Russland hat den jüngsten Gegenvorschlag der Europäer zum US-Plan für die Ukraine als „nicht konstruktiv“ zurückgewiesen. „Wir haben von einem europäischen Plan erfahren, der auf den ersten Blick überhaupt nicht konstruktiv ist“, sagte Kreml-Berater Juri Uschakow am Montag einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. „Er passt uns nicht.“ (AFP)