Samstag1. November 2025

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DeutschlandDie SPD triumphiert im Saarland mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger

Deutschland / Die SPD triumphiert im Saarland mit Spitzenkandidatin Anke Rehlinger
Anke Rehlinger führte die SPD als Spitzenkandidatin zu einem Erdrutschsieg Foto: dpa/Boris Roessler

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Für die SPD im Bund ist der fulminante Wahlsieg von Anke Rehlinger auch Bestätigung für Bundeskanzler Olaf Scholz. Die beiden anderen Ampel-Parteien müssen sich der Dominanz der SPD beugen. Die Grünen melden sich zurück im Landtag, die FDP muss bis zuletzt zittern.

Ein perfekter Wurf für eine ehemalige Kugelstoßerin. Direkt rein in die Staatskanzlei in Saarbrücken. Im Willy-Brandt-Haus in Berlin jubeln sie am frühen Abend über Anke Rehlinger. Schlag 18 Uhr durften sie schon bei der Prognose bei diesem klaren Vorsprung fast sicher sein: Ihre Spitzenkandidatin hat es geschafft. Nach der Ausdauer in ihrem früheren Leistungssport hat sich für Rehlinger und die SPD auch die Ausdauer im Kampf um das erste Regierungsamt ausgezahlt. Co-Vorsitzender Lars Klingbeil freut sich, dass „der rote Balken sehr weit nach oben“ zeigt.

28 lange Jahre nach dem letzten Wahlsieg eines Sozialdemokraten im Saarland, kann die SPD sich wieder über die Übernahme der Landesregierung in Saarbrücken freuen. 1994 hieß der Kandidat noch Oskar Lafontaine, der in der Folge nach einem persönlichen politischen Beben erst aus der Bundesregierung, dann aus der SPD und vor knapp zwei Wochen auch aus der von ihm später mitgegründeten Partei Die Linke austrat.

CDU stürzt ab, 43,5 Prozent für SPD

Dem vorläufigen Ergebnis zufolge holte die SPD 43,5 Prozent, im Vergleich zur Wahl 2017 (29,6 Prozent) ein Plus von fast 14 Punkten. Die CDU stürzte auf 28,5 Prozent ab (2017: 40,7 Prozent) – ihr schlechtestes Ergebnis im kleinsten deutschen Flächenland seit 67 Jahren. Damit hätte die SPD im Landtag eine klare absolute Mehrheit: 29 von insgesamt 51 Mandaten. Das endgültige Ergebnis soll in einigen Tagen vorliegen.

Aber nun hat die SPD, die im Bund die erste Ampel-Koalition führt, weitere drei Stimmen mehr auf der Habenseite im Bundesrat. Die absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen erreichen die SPD-geführten Bundesländer damit zwar immer noch nicht. Aber es stehen in diesem Jahr ja noch Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen an, wo die SPD gleichfalls CDU-Ministerpräsidenten beerben will. Und im Oktober die Landtagswahl in Niedersachsen. Ob die Ampel auch im Saarland ein Regierungsmodell wird, ist am Abend nach den ersten Hochrechnungen eher unwahrscheinlich.

Denn: Rehlinger, bislang stellvertretende Ministerpräsidentin von Tobias Hans (CDU), dem Wahlverlierer des Abends, könnte sogar eine Alleinregierung anführen. Für Bundeskanzler Olaf Scholz wäre dies gut drei Monate nach Übernahme der Regierungsgeschäfte im Bund ein Wahlsieg mit Ausrufezeichen, in jedem Fall ist das Ergebnis im Saarland Bestätigung für ihn. Heiko Maas, einst selbst SPD-Landesvorsitzender im Saarland, spricht von einem „phänomenalen Erfolg“ als Ergebnis langjähriger Arbeit – vor allem von Rehlinger.

CDU nach 23 Jahren abgestraft

Es hat nicht gereicht. Die CDU im Saarland muss nach fast 23 Jahren den Posten des Ministerpräsidenten räumen. Amtsinhaber Tobias Hans sprach am Abend von einem „herben Rückschlag“ und einer „bitteren Niederlage“, für die er persönliche Konsequenzen ziehen will. Der Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer ist beim ersten Stimmungstest nach der Amtsübernahme 2018 abgewählt worden. Seine bisherige Stellvertreterin Anke Rehlinger (SPD) kann nun möglicherweise sogar allein regieren.
Für den neuen Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz wäre ein Erfolg an der Saar ein guter Start in das Landtagswahljahr geworden, doch es kam anders. Umso mehr wurde bereits vor der Wahl betont, dass die Landesverbände für ihre Wahlkämpfe selbst verantwortlich sind. Man war im Berliner Konrad-Adenauer-Haus auch nicht begeistert vom Wahlkampf an der Saar. Dennoch reiste der gesamte CDU-Bundesvorstand Anfang März ins Saarland, um Hans Rückenwind zu geben. Doch dann war Funkstille. Während sogar Kanzler Olaf Scholz (SPD) mitten in den diplomatischen Wirren des Ukraine-Kriegs an die Saar zur Unterstützung von Anke Rehlinger reiste, übte sich CDU-Parteichef Merz in Zurückhaltung.
Der 44-jährige Hans sah sich unter anderem als Überbringer schlechter Nachrichten in der Corona-Krise abgestraft. „Offensichtlich wird der Frust, der mit Corona verbunden ist, bei mir abgeladen.“ (KM)

Die Wahl im Saarland ist jedenfalls der erste Stimmungstest seit der Bundestagswahl über die Arbeit der Ampel im Bund. Klar, wie immer hätten landespolitische Themen überwogen. Aber mit Corona, erst recht mit dem Ukraine-Krieg und den deutschen Reaktionen darauf, steht die Arbeit der Regierung im Bund zumindest indirekt mit zur Abstimmung. Die Ampel-Parteien betonten erst in der vergangenen Woche nach dem jüngsten Koalitionsausschuss, bei dem sich SPD, Grüne und FDP nach einer langen Nacht auf ein milliardenteures Entlastungspaket für die Bürgerinnen und Bürger wegen drastisch gestiegener Kosten bei Energie und Lebensmitteln geeinigt hatten, alle mal herhören: Die Ampel funktioniert! Rot, Gelb und Grün seien arbeits-, handlungs- und entscheidungsfähig. Auch wenn es vernehmlich gehakt hat.

Bei den Grünen dürfte sich auch die neue Spitze im Bund darüber ärgern, dass die zerstrittenen Parteifreunde an der Saar nach dem Streit vor der Bundestagswahl nicht mehr Gewicht auf die Waage bringen konnten. Von der Bundestagswahl im vergangenen Jahr blieben die Saar-Grünen wegen schwerer Fehler bei der Listenaufstellung mit einer eigenen Liste ausgeschlossen.

Grüne und FDP unter fünf Prozent

Zunächst sah es so aus, als wären die Grünen, die 2017 den Einzug in den Landtag verpasst hatten, wieder im Parlament. Aber dann am späten Abend der Tiefschlag: Die Grünen bleiben nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis außerparlamentarische Opposition – hauchdünn unter der Fünf-Prozent-Hürde.

Auch die FDP, die zuletzt 2009 in den saarländischen Landtag einziehen konnte, konnte am frühen Abend noch nicht sicher sein, ob sie ihren Teil der Ampel dann auch schalten konnte: auf blinkendes Gelb. In Berlin setzt Parteichef Christian Lindner auf die Hoffnung, dass die Saar-Liberalen „auch am Ende erfolgreich sein werden“ – fünf Prozent oder mehr. Man brauche starke Nerven, so Lindner. Am Ende reicht es auch für die FDP nicht – 4,8 Prozent nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis. Raus ist raus. Die Ampel im Bund hat im Saarland nur ein Licht: Rot!

Lafontaines Trümmerfeld

Es ist ein schwerer Sturz: Bei der Wahl vor fünf Jahren wurde die Linkspartei im Saarland mit 12,8 Prozent noch größte Oppositionspartei – nun scheitert sie weit unter der Fünfprozenthürde. Vorausgegangen war eine zermürbende Auseinandersetzung mit dem früheren Bundesvorsitzenden Oskar Lafontaine. Der 78-Jährige trat nach monatelangem Streit kurz vor der Wahl aus seiner Partei aus – und hinterließ der Linken im Saarland ein Trümmerfeld.
„Man wählt keine zerstrittenen Parteien“, lautet das bittere Fazit von Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow am Wahlabend. Lafontaine wisse „um seine Verantwortung“. Einen Tag vor dem Parteiaustritt hielt Lafontaine im Saarbrücker Landtag seine letzte Rede. Darin wandte er sich gegen den Krieg in der Ukraine und wurde dafür mit verhältnismäßig langem Applaus bedacht.
In seiner Austrittserklärung schrieb er tags darauf: „Einer Partei, in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen und die zudem das im Saarland etablierte Betrugssystem unterstützt, will ich nicht mehr angehören.“ (dpa)