Der Kern des Problems ist die mündliche Verhandlung, bei der Richter, Rechtsanwälte, Zeugen, Sachverständige und die Öffentlichkeit in einem Gerichtssaal zusammenkommen.
Eine Alternative dazu ist im luxemburgischen Prozessrecht vorhanden: Artikel 5 des Gesetzes vom 20. Juni 2020. Der Gesetzesartikel wurde als Erweiterung der Maßnahmen verabschiedet, die in der Krise durch eine großherzogliche Regulierung ergriffen wurden. Es geht um das schriftliche Verfahren, das im Rahmen der Virusbekämpfung geschaffen wurde. Das schriftliche Verfahren nach § 5 stellt eine Ausnahme zum Grundsatz der Mündlichkeit dar.
Das Gesetz kommt nicht in allen Fällen in Betracht. Nur gewisse Prozeduren in Strafsachen wurden in das schriftliche Verfahren überführt („demandes en nullité, en restitution, de mise en liberté provisoire et de remise en personne“). Sind für die Entscheidung noch Zeugen zu vernehmen oder in Augenschein zu nehmen, stößt das schriftliche Verfahren an seine Grenzen.
Verfahrensbeschleunigung wegen Covid-19
Nach Zustimmungserteilung durch die Parteien dürfte gemäß § 5 des neuen Gesetzes auch weniger Zeit vergehen, bis eine Entscheidung ergeht. Unter diesem Gesichtspunkt ist eine Beschleunigung des Verfahrens in Zeiten von Covid-19 und damit verbundener wirtschaftlicher Unsicherheiten möglicherweise erstrebenswert.
Doch nun kommt allmählich Bewegung in die Diskussion. Die Gruppe der Luxemburgischen Magistraten („Groupement des magistrats luxembourgeois“ – GML) stellt nämlich in einem Brief fest, dass der Gesetzgeber beabsichtigt, § 5 des Gesetzes vom 20. Juni 2020 zu ändern. In gewissen strafrechtlichen Prozeduren sollen die mündlichen Verhandlungen im Gerichtssaal wieder aufgenommen werden.
Die Gruppe der GML möchte darauf hinweisen, dass die Wiedereinführung mündlicher Debatten in dieser Phase (zunehmende Verbreitung von Covid-19) vor der Ratskammer eine erhebliche Zunahme der zwischenmenschlichen Kontakte zwischen mehreren Interessengruppen wie Richtern, Angestellten, Anwälten, Polizeibeamten bedeutet. Wach- und Einsatzunterstützung (UGAO) und Inhaftierte eingeschlossen. Mündliche Debatten in verschiedenen Strafverfahren wieder aufzunehmen, stellt die Gruppe infrage.
Betroffene sollen „ihren Richter“ sehen
Der Gesetzentwurf Nr. 7626 zielt insbesondere darauf ab, die mündliche Verhandlung in allen Verfahren vor der Ratskammer wieder aufzunehmen, um „die Rechte der Verteidigung“ zu gewährleisten, wie es heißt. Betroffene sollen das Recht wiederbekommen, „ihren Richter zu sehen“. Der Grundsatz der Verteidigungsrechte ist sicherlich von grundlegender Bedeutung, sagt Richter Everling. „In Bezug auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit muss ein faires Gleichgewicht gefunden werden. Dieses Gleichgewicht wurde durch das Gesetz vom 20. Juni 2020 gegeben. Eine sehr große Mehrheit der Justizbehörden hat argumentiert, dass sich das derzeitige schriftliche Verfahren während der Gesundheitskrise bewährt hat und die Rechte der Parteien weiterhin ausreichend geschützt sind“.
„Da wir uns praktisch bereits in einer zweiten Welle von Covid-19 befinden, würde die Wiedereinführung einer mündlichen Verhandlung alle Beteiligten, einschließlich der Haftanstalt Schrassig, ungerechtfertigten Kontaminationsrisiken aussetzen.“
Die Gruppe der GML hat tiefste Bedenken hinsichtlich der Annahme des Gesetzes 7626, gerade zu einer Zeit, wo die Regierung wieder strengere allgemeine physische Schutzmaßnahmen eingeführt hat.
Das schriftliche Verfahren wird derzeit rechtspolitisch diskutiert. Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung setzt das schriftliche Verfahren die Zustimmung beider Parteien voraus.
De Maart
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