Die „polnischen Bayern“ bezwungen

Die „polnischen Bayern“ bezwungen
Patrick Stumpf (l.) hatte gut lachen: Was der F91 Düdelingen in Warschau bot, war erstklassig. Chris Philipps und Co. dagegen schlittern nach einem Jahr des Erfolgs in die Krise.

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Gedemütigt, von den Fans beschimpft und mit fassungslosem Blick schlichen die polnischen Meister am Donnerstagabend vom eigenen Rasen in Richtung Kabinen. Die Spieler des F91 Düdelingen dagegen, die durch den 2:1-Sieg in der dritten Runde der Europa League eine Option auf die Play-offs genommen haben, hatten nach getaner Arbeit reichlich Sprüche auf Lager.

Angefangen mit Marc-André Kruska. Der ehemalige BVB-Star hatte selbst keine Ahnung, was ihn zu seinem schlampigen Pass verleitet hatte, der zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleichstreffer geführt hatte: „So ein doofer Patzer, aber das kann passieren … Ich glaube allerdings, dass ich noch nie so einen krassen Fehler gemacht habe, aber es ist immer irgendwann das erste Mal.“

Bis auf die ausgelassene(n) Möglichkeit(en) zum 3:1 sah der 31-jährige Deutsche aber viele positive Aspekte: „Wir haben noch ein paar Dinger liegen gelassen, was uns die Sache für das Rückspiel ein bisschen einfacher gemacht hätte. Wir können aber auf diesem Spiel aufbauen und nächste Woche noch mehr Gas geben. Die kommen mit Wut im Bauch zu uns, sie haben gemerkt, dass wir Fußball spielen können.“

Kruska hat in seiner Karriere ebenfalls schon einige schwierige Momente wegstecken müssen, weshalb er sich gut vorstellen kann, wie sich die Warschauer derzeit fühlen müssen: „Ich glaube, die stehen derzeit einfach sehr unter Druck. Ich kenne das. Wenn man gerade erst den Trainer gewechselt hat, und dann bei so einem Publikum, da ist man nicht frei im Kopf. Das spielt auf diesem Niveau aber eine sehr wichtige Rolle. Man kann diesen Jungs keinen Vorwurf machen, das sind nur Menschen. Für uns ist das allerdings umso besser.“

Demut und Respekt vor dem Klub, der über den zehnfachen Marktwert verfügt, müssen am Donnerstag trotzdem wieder auf der Tagesordnung stehen: „Ich glaube, Legia Warschau ist in Polen wie Bayern München in Deutschland. Das wissen wir auch. Wir werden uns wieder gut erholen, Regeneration steht jetzt im Vordergrund.“

Auch Dominik Stolz, der mit Abstand auffälligste Düdelinger Feldspieler auf dem Platz, war bereits in Gedanken beim anstehenden Rückspiel: „Legia wird von Anfang an auf Sieg gehen wollen. Wir müssen stabil stehen und schauen, dass wir uns nicht hintenrein drängen lassen. Dann haben wir gute Chancen, eine Runde weiterzukommen.“

Mit seinen Paraden ist Jonathan Joubert ebenfalls an diesem Erfolg beteiligt gewesen. Mit über 50 Europapokalspielen auf dem Buckel und als Rekordspieler der BGL Ligue weiß der F91-Schlussmann natürlich auch, dass der knappe Vorsprung gegen einen Gegner dieses Kalibers sehr schnell schmelzen kann: „Wir können und dürfen hoffen, aber solche Mannschaften können diese engen Resultate problemlos drehen. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, müssen wir ein zweites Mal sehr stark auftreten. Die Chancen stehen jetzt 50:50“, erklärte er. „Trotzdem, beschweren werden wir uns nicht! Wer hätte gedacht, dass wir hier 2:1 gewinnen würden? Wenn uns das jemand im Voraus gesagt hätte …“, freute er sich auf seine gewohnt lässige Art. „Dass sie in der zweiten Hälfte in der Unterzahl waren, hat uns das Leben natürlich hinten etwas vereinfacht. Aber wir hatten trotzdem durch einen individuellen Fehler eine große Chance zugelassen. Der Trainer hat uns in der Pause gesagt, dass wir das unbedingt abstellen müssen. Aus dem Spiel heraus kam ansonsten nichts von ihnen. Global gesehen haben wir das Spiel sehr gut beherrscht.“


Noch mehr

F91-Mäzen Flavio Becca denkt Tag und Nacht wie ein Unternehmer – auch nach geschichtsträchtigen Auswärtssiegen. Sich nicht auf den Loorbeeren auszuruhen und noch stärker zu werden, lautet die Devise beim amtierenden Meister: „Es fehlt uns noch an einer gewissen Erfahrung, man hat gesehen, dass einige der Spieler noch etwas zögerlich sind. Insgesamt war es eine starke Leistung, aber es bleibt noch viel Arbeit zu verrichten, vor allem im Mittelfeld …“


Chris Philipps: „Härtester Moment meiner Karriere“

Selten hatte man Legia-Profi Chris Philipps so angeknackst erlebt wie in der „Mixed zone“ nach der 1:2-Niederlage gegen Düdelingen.

Nachdem er ein paar Sätze an die einheimischen Journalisten gerichtet hatte, erschien Chris Philipps vor den luxemburgischen Medienvertretern. „Macht es bitte kurz“, schickte er gleich voraus. Man sah ihm in jedem Moment des Interviews an, wie emotional und bestürzt der 24-Jährige war. Und das sagte er dann auch gleich im ersten Satz: „Es ist der härteste Moment meiner Karriere.“

Später erklärte er auch, dass sogar der Abstieg in die Ligue 2 nicht annähernd so schwer zu verkraften gewesen sei. „Es ist kompliziert, überhaupt Worte dafür zu finden. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Wir gehen derzeit durch eine schwere Phase und wir stehen uns sogar selbst im Weg. Nachdem uns der Ausgleich gelungen ist, was ja eigentlich der größte Teil der Arbeit war, bestrafen wir uns mit dem Platzverweis wieder selbst“, analysierte er.
Und fügte hinzu: „Es nervt mich. Ich muss zugeben, dass ich mich schäme für die Leistung, die wir derzeit auf den Platz bringen. Für mich ist es natürlich noch bitterer als für den Rest der Mannschaft.“

Keine Erklärungen

Was oder warum es derzeit bei seinem Verein derartig schiefläuft, konnte der Luxemburger nicht erklären: „Es hat nichts zu bedeuten, ob man auf dem Papier stärker ist oder nicht. Jeder verlangt Erklärungen, und ich denke, es gibt keine. Wir müssen jetzt zusammenhalten. In dieser Situation fehlt es an dem nötigen Selbstvertrauen. Ich weiß nicht, ob in der Kabine überhaupt drei Sätze gefallen sind …“

Als ehrlicher Verlierer gab es stattdessen Lob für den Gegner: „Sie haben über 90 Minuten bewiesen, dass sie die bessere Mannschaft waren. Bei einem 1:2 weiß jeder, dass nichts entschieden ist, doch uns fällt es gerade schwer, daran zu glauben, vor allem wegen der Art und Weise, wie wir auftreten. Sie haben uns eine Lektion erteilt. Es gab nur eine Mannschaft, der es gelungen ist, zu kombinieren, und das waren nicht wir …


Keine Abendkasse

Aufgrund der hohen Sicherheitsvorkehrungen werden die Kassen am Donnerstag beim Rückspiel geschlossen bleiben. Stattdessen wird es für die Düdelinger Fans ab heute zusätzliche Vorverkäufe geben.

Die Legia-Anhänger haben die Polizei in Alarmbereitschaft versetzt, weshalb es am Donnerstag auch keine Tickets mehr im Josy-Barthel-Stadion zu kaufen geben wird. Der F91 organisiert im Vorfeld deshalb mehrere Vorverkäufe, angefangen heute zwischen 9.30 und 11.30 Uhr im Klubbüro (Place de l’Hôtel de ville). Am Dienstag gelten die gleichen Uhrzeiten. Eine andere Option ist die Halbzeitpause der Begegnung zwischen dem F91 und Déifferdeng 03 am Montagabend. Zudem ist es auch möglich, seine Eintrittskarten per Mail an birtzm@pt.lu zu reservieren.


Möglicherweise nur 400 Tickets

Rund 1.000 heißblütige und derzeit auch sehr frustrierte Fans des polnischen Meisters werden am kommenden Donnerstag erwartet. Doch nach dem Resultat aus dem Hinspiel gibt es auch Sicherheitsbedenken. Um die angespannte Lage etwas zu entschärfen und das Risiko von Ausschreitungen zu senken, könnte die Polizei gemeinsam mit der Stadt Luxemburg die Entscheidung treffen, nur 400 Auswärtstickets zur Verfügung zu stellen, demnach das Minimum von 5 Prozent, auf das eine Gästemannschaft bestehen kann.  chd