Mittwoch5. November 2025

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RadsportDie Parforce-Tour: Bob Jungels als einziger Luxemburger am Start der 107. Tour de France

Radsport / Die Parforce-Tour: Bob Jungels als einziger Luxemburger am Start der 107. Tour de France
Titelverteidiger Egan Bernal gehört erneut zu den großen Favoriten auf den Gesamtsieg Foto: AFP/Marco Bertorello

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Zum zweiten Mal nach 1981 startet die Tour de France heute Samstag in Nice. Auf dem Programm der 176 Fahrer aus 22 Teams stehen 21 Etappen über 3.470 km. Wegen der Corona-Pandemie ist der Ausgang des Rennens so ungewiss wie nie zuvor. Die Favoriten müssen nicht nur heil über die hohen Berge kommen, sondern auch die Covid-19-Prüfungen bestehen. Die Angst fährt mit, ständig droht die Gefahr eines positiven Tests.

Da wären wir also am Start dieser Tour, die wegen der Corona-Pandemie um zwei Monate zurückverlegt wurde und jetzt trotz steigender Infektionszahlen in Frankreich über die volle Distanz gebracht werden soll. Eine Herkulesaufgabe für die Organisatoren und die Stadtverwaltung, denen es keineswegs gelegen kam, dass die französische Regierung das Département des Alpes-Maritimes mit seiner „Ville départ“ Nice zwei Tage vor dem Start als „Zone rouge“ einstufte.

„Zone rouge“

Konkret bedeutet „Zone rouge“, dass die Präfekte der betroffenen Départements (21 im Total) zusätzliche spezielle Maßnahmen ergreifen dürfen, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Eine erste dieser Maßnahmen in Bezug auf die Tour verkündete Bernard Gonzales, der Präfekt der Alpes-Maritimes, bereits am Donnerstagabend. Während der beiden ersten Etappen dürfen die Zuschauer nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Anstiege (Rimiez, Col de la Colmiane, Turini, Quatre Chemins, Eze), um sich das Rennen anzusehen.

Diese Vorschrift gilt während der Rundfahrt in 26 weiteren Bergen, die von den Organisatoren festgelegt wurden. Je nachdem, wie die Corona-Pandemie sich in den nächsten Wochen ausbreitet, könnte es sogar sein, dass die mythischen „Cols“ ganz fürs Publikum geschlossen werden. Radsportfans, die in den Vorjahren mit ihrem Camper ins Hochgebirge reisten, um sich die Tour anzuschauen, sind also diesmal verpönt: Für das Publikum lautet die Maxime ohnehin: Auf Distanz gehen, permanent Maske tragen, keine Selfies, keine Autogramme. Eigentlich ein versteckter Aufruf, zu Hause zu bleiben und sich das Rennen bitteschön am Schirm anzusehen.

Leben in einer „Blase“

Auch für die Fahrer ändert sich bei dieser „Parforce-Tour“ so manches. Sie sind nicht nur von den Zuschauern, sondern auch von der Presse abgeschirmt und müssen sich mit ihrem Staff während drei Wochen in einer sogenannten „Bulle“ oder einem „Vase clos“ durch die Tour „quälen“. Die Hotels sind abgeschirmt, kein Außenstehender darf hinein, sogar an den Ruhetagen müssen die Familienmitglieder draußen bleiben. Auf Küsschen für den Etappensieger wird verzichtet, die verschiedenen „Maillots“ werden von einer Dame und einem Herrn („Halte au sexisme“ oder „égalité oblige“?) überreicht.

Die Angst vor einer Infektion ist der ständige Begleiter des 176 Mann starken Feldes und ihrer Begleiter. Am letzten Donnerstag meldete Lotto-Soudal zwei „tests non-négatifs“ und schickte daraufhin die zwei Betreuer und zwei Mechaniker (die positiv Getesteten und deren Zimmerkollegen) nach Hause. Wäre das vom Organisator ASO ausgearbeitete Reglement (Ausschluss einer Mannschaft bei zwei positiven Fällen – Fahrer oder Staff – innerhalb von sieben Tagen) zur Anwendung gekommen, hätte Lotto-Soudal die Koffer schon vor Beginn der Tour packen müssen. Aufgrund eines Protestes der 22 Teams lockerte ASO die Bestimmungen. Der Ausschluss der ganzen Mannschaft erfolgt nur noch, wenn zwei Fahrer innerhalb von sieben Tagen positiv getestet werden. Der Bammel fährt demnach mit bis nach Paris. Obligatorische Kontrollen werden an den beiden Ruhetagen (Montag, 7. September, und Montag, 14. September) durchgeführt.

So verläuft die Tour

Die Tour de France ist schon lange keine Rundfahrt mehr im herkömmlichen Sinn des Wortes. Während die Organisatoren vor Jahrzehnten bei der Planung versuchten, das größte Radrennen der Welt nach Möglichkeit wie an einem Faden durch Frankreich zu lotsen, sei es im Uhrzeigersinn oder aber in entgegengesetzter Richtung, riskiert das größte Radrennen der Welt im modernen Zeitalter immer mehr, zum Stückwerk zu werden.

Den vorläufigen Höhepunkt in Sachen Inkohärenz erreicht die Tour in diesem Jahr, da sie sich zum größten Teil im unteren Teil des Hexagons aufhält, dann kurz in die Vogesen wechselt und für die Schlussetappe nach Paris hochschnellt.

Fahrer und Begleiter werden in den drei Wochen (29. August-20. September) zweimal mit dem Flugzeug oder dem TGV transportiert, beide Male über 400 km weit, während der Rest des Trosses (ob reduzierte „Caravane publicitaire“ oder Pressewagen) sich über verstopfte Autobahnen quälen muss, am ersten sogenannten Ruhetag von Laruns aus den Pyrenäen nordwärts nach Châtelaillon-Plage in der Charente-Maritime und 13 Tage später von La Planche des Belles Filles in den Vogesen nordwestwärts nach Mantes-la-Jolie, den Startort der Schlussetappe, die wie üblich auf den Champs-Elysées endet.

Von Insel zu Insel

Die Tour 2020 beginnt in Nice, wo zwei „étapes en ligne“ auf die Fahrer warten. Auf hügeligem Gelände müssen u.a. der Col de la Colmiane, der Col de Turini und der Col d’Eze bewältigt werden, die auch auf dem Programm der „Etape du Tour“ für Cyclotouristen stehen, die wegen der Corona-Pandemie ins Jahr 2021 verlegt wurde.
Nach dem Startwochenende in Nice geht es Richtung Sisteron und am vierten Tag gleich in die Alpen nach Orcières-Merlette, wo die Ankunft auf 1.825 m stattfindet. Um die sogenannten „étapes de transition“, auf denen meistens nicht viel passiert, auf ein Minimum zu reduzieren, haben die Organisatoren als Ziel der sechsten Etappe den Mont Aigoual, den 1.560 m hohen „Wasserberg“ der Cevennen, in den Streckenplan eingebaut.
Es folgt die Fahrt in Richtung Pyrenäen (Loudenvielle, Laruns), die am zweiten Tour-Wochenende auf dem Programm stehen. Hier geht es u.a. über den Port de Balès, den Col de Peyresourde und den Col de Marie Blanque.
Der erste Ruhetag wird am Montag, den 7. September in Châtelaillon-Plage, dem kleinen Badeort am Atlantik nahe La Rochelle, stattfinden. Tags darauf gibt es eine Premiere in der Tour, denn die Etappe Ile d’Oléron – Ile de Ré wird zwei Inseln miteinander verbinden.

2.304 m hoch

Die Karawane zieht danach ostwärts durch das Zentralmassiv mit einer Bergankunft auf dem Puy-Mary (1.589 m), anschließend nach Lyon und von dort zum Grand Colombier (1.501 m). Im Département Isère mit seiner Hauptstadt Grenoble ist am Montag, 14. September, der zweite Ruhetag eingeplant. Weiter geht’s Richtung Hochgebirge, zuerst nach Villard-de-Lans und dann nach Méribel, das seit Jahrzehnten nicht mehr Ankunftsort war. Zuletzt feierte Bernard Thévenet im Jahr 1973 dort einen Etappensieg. Diesmal wird die Ankunft auf dem 2.304 m hohen Col de la Loze stattfinden, der zu Méribel-Les Allues gehört und bisher noch nie von der Tour besichtigt wurde. Der Col de la Loze ist übrigens das „Dach“ der Tour. Er wird am Mittwoch, 16. September, erstiegen, also an einem Tag, der mitten in die Tour de Luxembourg (15.-19.9.) fällt, die nach Umänderung des internationalen Radsportkalenders zeitgleich mit der Tour de France über die Straßen rollt.

Eine weitere Bergankunft in den Alpen wird es in La Roche-sur-Foron geben, danach wechselt die Tour für die zweitletzte Etappe in die Vogesen, wo das Einzelzeitfahren über 36 km von Lure nach La Planche des Belles Filles eventuell noch für kleine Änderungen im Klassement sorgen kann. Der Gesamtsieger 2020 wird am Tag danach auf den Champs-Elysées gefeiert.

Bernal, Roglic, Pinot?

Da man nicht weiß, wem Corona es erlaubt, ohne positiven Test bis in die „Ville lumière“ zu fahren, ist es schwer, sich auf einen Favoriten festzulegen. Bleiben alle Fahrer, die für einen Platz auf dem Podium in Frage kommen, von Covid-19 verschont, dürfte sich ein Dreikampf zwischen dem letztjährigen Sieger Egan Bernal, den Slowenen Primoz Roglic und dem Franzosen Thibaut Pinot anbahnen.

Bernal kann ohne Ballast ins Rennen gehen, da Ineos-Manager Dave Brailsford ihm durch geschicktes Manövrieren die Konkurrenz aus den eigenen Reihen (Geraint Thomas, Chris Froome) vom Hals schaffte. Beiden wurde mit der Leaderrolle im Giro (Thomas) und der Vuelta (Froome) ein anderes Leckerli angeboten. So einfach ist das!

Primoz Roglic kann auf die stärkste Mannschaft zählen, auch wenn der verletzte Steven Kruijswijk (3. im letzten Jahr) absagen musste. Sollte es für den Slowenen wider Erwarten schieflaufen, hat das Team Jumbo-Visma immer noch Tom Dumoulin, den Giro-Sieger von 2017, als Ersatzleader parat.
Bleibt noch Thibaut Pinot, den die „Grande nation“ liebend gern als Nachfolger von Bernard Hinault sehen würde. Ob es klappt, 35 Jahre nach dem letzten französischen Erfolg endlich wieder die „Marseillaise“ auf den Champs-Elysées zu hören, hängt zum großen Teil von der Gesundheit Pinots ab, der erst drei von den sieben Tours, die er bestritt, zu Ende fuhr. Im Jahr 2012 wurde er 10., 2014 kam er als Dritter aufs Podium, und 2016 klassierte er sich als 15. In den Jahren 2013, 2016, 2017, 2019 steckte er auf, letztes Jahr mit Kniebeschwerden auf der 19. Etappe.

Und Bob Jungels?

Mit Bob Jungels (Trikotnummer 47) ist diesmal nur ein Luxemburger am Start in Nice. Für ihn ist es die dritte Tour de France. Im Jahr 2015 belegte er Platz 26, im Jahr 2018 Rang 11. Diesmal hat Jungels, der erstmals bei der „Grande boucle“ nicht das rot-weiß-blaue Meistertrikot, sondern den weiß-blauen Mannschaftsdress von Deceuninck-Quick-Step trägt, nicht so sehr die Gesamtwertung im Visier, sondern viel eher einen Etappensieg. Das verriet er unserer Zeitung am Donnerstag (siehe Tageblatt von gestern). Insbesondere die zweite (schwere) Etappe mit dem Col de la Colmiane (16,3 km à 6,3%), dem Col de Turini (14,9 km à 7,4%) und dem Col d’Eze (7,8 km à 6,1%) scheint ihm für sein Vorhaben gelegen. „Ich kenne den Col de Turini von Paris-Nice her, die Steigung kostet unheimlich viel Kraft. Wir haben den Parcours in Augenschein genommen, fast 4.000 Höhenmeter sind auf den 186 km zu bewältigen. Ich rechne fest damit, dass es zu einer ’échappée’ kommt, wobei man die richtige Gruppe nicht verpassen darf. Schafft ein kleineres Peloton es bis auf die Promenade des Anglais, ist alles möglich.“

Wie es geht, hat Jungels ja schon vor drei Jahren auf der Giro-Etappe von Valdengo nach Bergamo demonstriert, wo er im Sprint einer Zwölfergruppe Nairo Quintana und Thibaut Pinot auf die nächsten Plätze verwies.

Der Etappenplan der 107. Tour de France

1. Etappe (Samstag, 29. August): Nice – Nice (156 km/flach)
2. Etappe (Sonntag, 30. August): Nice – Nice (186 km/Gebirge)
3. Etappe (Montag, 31. August): Nice – Sisteron (198 km/flach)
4. Etappe (Dienstag, 1. September): Sisteron – Orcières-Merlette (160,5 km/hügelig)
5. Etappe (Mittwoch, 2. September): Gap – Privas (183 km/flach)
6. Etappe (Donnerstag, 3. September): Le Teil – Mont Aigoual (191 km/hügelig)
7. Etappe (Freitag, 4. September): Millau – Lavaur (168 km/flach)
8. Etappe (Samstag, 5. September): Cazères-sur-Garonne – Loudenvielle (141 km/Gebirge)
9. Etappe (Sonntag, 6. September): Pau – Laruns (153 km/Gebirge)
Ruhetag in La Charente-Maritime (Montag, 7. September)
10. Etappe (Dienstag, 8. September): Le Château-d’Oleron – Saint-Martin-de-Ré (168,5 km/flach)
11. Etappe (Mittwoch, 9. September): Châtelaillon-Plage – Poitiers (167,5 km/flach)
12. Etappe (Donnerstag, 10. September): Chauvigny – Sarran Corrèze (218 km/hügelig)
13. Etappe (Freitag, 11. September): Chatel-Guyon – Puy Mary Cantal (191,5 km/Gebirge)
14. Etappe (Samstag, 12. September): Clermont-Ferrand – Lyon (194 km/flach)
15. Etappe (Sonntag, 13. September): Lyon – Grand Colombier (174,5 km/Gebirge)
Ruhetag in Isere (Montag, 14. September)
16. Etappe (Dienstag, 15. September): La Tour-du-Pin – Villard-de-Lans (164 km/Gebirge)
17. Etappe (Mittwoch, 16. September): Grenoble – Col de la Loze (170 km/Gebirge)
18. Etappe (Donnerstag, 17. September): Meribel – La Roche-sur-Foron (175 km/Gebirge)
19. Etappe (Freitag, 18. September): Bourg-en-Bresse – Champagnole (166,5 km/flach)
20. Etappe (Samstag, 19. September): Lure – La Planche des Belles Filles (36,2 km/Einzelzeitfahren)
21. Etappe (Sonntag, 20. September): Mantes-la-Jolie – Paris/Champs-Elysées (122,5 km/flach)
Gesamtlänge: 3.484 km