Brüssel ist bekanntermaßen ein Ort für schwierige Debatten und lange Verhandlungen. Bundesfinanzminister Christian Lindern schlägt sich am Dienstag etwa mit der Reform der EU-Schuldenregeln herum. Kein leichtes Thema für einen deutschen Politiker.
Und doch wird es für den FDP-Vorsitzenden angenehm gewesen sein, der Hauptstadt für kurze Zeit den Rücken zu kehren. Denn für seine Partei gab es am Sonntag bei der Wiederholungswahl in Berlin einen erneuten Rückschlag. Die FDP flog mit 4,6 Prozent aus einem weiteren Landesparlament. Die Niederlage reiht sich ein in die schwierigen Ergebnisse des Jahres 2022: Unter der Fünf-Prozent-Hürde im Saarland und in Niedersachsen, keine Regierungsbeteiligung mehr in Schleswig-Holstein und NRW.
Nun ist Lindner krisengestählt, kennt die Höhen und Tiefen der Politik und auch die seiner Partei sehr gut. Und doch ist die Serie der verlorenen Landtagswahlen ein Warnzeichen. Der FDP-Chef nahm am Montag die Berliner FDP demonstrativ in Schutz. Die Oppositionsrolle gegen die rot-grün-rote Landesregierung sei dadurch „erschwert“ worden, dass die FDP auf Bundesebene „in Regierungsverantwortung genau mit SPD und Grünen“ stehe, sagte Lindner. Für die FDP im Bund gelte aber: „Wir verfolgen in unserer Regierungsbeteiligung eine klare Strategie, die sich hier in Berlin noch nicht ausgezahlt hat, an der wir aber festhalten.“ Die Führung der FDP sei „überzeugt, dass sie sich auf mittlere Sicht auch bei Landtagswahlen als Erfolg herausstellt“.
Die Liberalen wollen sichtbarer werden
FDP-Bundesjustizminister Marco Buschmann empfiehlt, die FDP in der Bundespolitik der Ampel-Koalition sichtbarer zu machen. „Als FDP prägen wir die Arbeit der Bundesregierung positiv mit“, sagte Buschmann dem Tageblatt. „Wir haben für eine grundrechtsschonendere Corona-Politik gesorgt, die Belastungen von Bürgern und Betrieben in der Krise erträglicher gehalten und sind Motor bei der dringend notwendigen Planungsbeschleunigung“, sagte der Minister. „So kam das Land gut durch eine historische Ausnahmesituation. Natürlich teile ich die Ansicht, dass es umso besser ist, je mehr liberale Handschrift erkennbar wird.“
Auch für FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler kann der Erfolg der Liberalen nur in positiven Botschaften liegen, nicht in einem Konfrontationskurs mit SPD und Grünen. „Wir müssen noch stärker herausstellen, dass der Fortschritt erkennbar durch uns vorangeht, und dass wir gerne in dieser Regierung sind“, sagte Köhler. „Es gibt sicher einige FDP-Anhänger, die uns nicht gerne in dieser Regierung sehen. Denen müssen wir klarer machen, warum wir darin trotzdem die größte Chance für die FDP sehen.“
Große politische Gräben in der Verkehrspolitik
Wie geht es nun weiter in der Ampel-Koalition im Bund? Die größten politischen Gräben tun sich zwischen FDP und Grünen in der Verkehrspolitik auf. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will im Gesetzentwurf zur Planungsbeschleunigung den Straßenausbau gegenüber dem Schienennetz nicht benachteiligen. „Eine Politik gegen das Auto“ sei „ganz offensichtlich nicht im Interesse der Menschen“, bekräftigte Parteichef Lindner nach der Berliner Wahlschlappe. Die Straße müsse „zentraler Verkehrsträger“ bleiben.
Die Grünen dagegen wollen den Verkehr auf der Straße aus Klimaschutz- und Umweltgründen eindämmen und dem Schienenausbau klar Vorrang bei der Planungsbeschleunigung geben. Für die Liberalen sollen die Bürger ihre Verkehrsträger selbst wählen können, die Grünen sehen den Staat in der Pflicht, den Verkehr in eine Richtung zu lenken – ein fundamentaler ideologischer Konflikt. Die SPD neigt als Industrie-Partei zwar der FDP zu, gibt ihr bisher aber wenig Rückendeckung.
Auch in der Finanzpolitik wird FDP-Chef Lindner in diesem Jahr Probleme haben, die Handschrift der FDP gänzlich durchscheinen zu lassen. Denn der Bundeshaushalt ist trotz hoher Steuereinnahmen so knapp gerechnet, dass jede zusätzliche Ausgabe Lindners Ziel gefährdet, die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Schon fordert Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zehn Milliarden Euro mehr für seinen Etat – der Rückhalt des Kanzlers dürfte ihm sicher sein. Allein diese Mehrausgabe würde die Schuldenbremse obsolet machen.
So wird es schwierig bleiben. Bremen etwa, wo im Mai gewählt wird, ist nicht gerade ein FDP-Pflaster, in Bayern wird es ebenfalls schwer. Dort wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Die Hessen-Wahl am selben Tag ist für die FDP dann ein Lackmustest, dort hat man eigentlich Potenzial. Ende April treffen sich die Liberalen zum Bundesparteitag. Der Gesprächsbedarf ist enorm.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können