Sie sammeln ChampagnerdeckelDie Leidenschaft der Placomusophilisten

Sie sammeln Champagnerdeckel / Die Leidenschaft der Placomusophilisten
Nico Bisenius (l.) und Carlo Hoffmann vor einer Auswahl der begehrten Deckel Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Champagnerdeckel erfüllen nicht nur den Zweck, den Korken vor dem Draht zu schützen, sondern sie sind auch für eine Gruppe von Menschen ein äußerst begehrtes Sammlerobjekt. Willkommen bei den luxemburgischen „Placomusophilisten“.

Das Brockhaus-Lexikon von 1965 definierte „sammeln“ als „krankhafte Neigung, Gegenstände ohne praktischen Bedarf anzuhäufen“. Glaubt man Carlo Hoffmann, dem Sekretär der luxemburgischen „Placomusophilisten“, lag das Lexikon damals nicht ganz falsch. „Ja, hier sind Sie bei richtigen Verrückten gelandet“, sagt er lachend, als er meinen erstaunten Rundblick durch das Zimmer sieht. Wir befinden uns in der Wohnung des Präsidenten von „Placomusolux“, Nico Bisenius, in Leudelingen. An den Wänden des Flurs stehen auf Regalen luxemburgische Biergläser, in der Küche ebenfalls alte Bierflaschen, in Vitrinen Aschenbecher, wie sie früher einmal in Cafés zu finden waren, sowie Ablagen („Vide-poches“) mit den Logos luxemburgischer Firmen. „Ich sammle ein bisschen von allem“, sagt Bisenius, doch sein Hauptsammelgebiet sind Champagner-Kapseln, von denen er eigenen Angaben zufolge rund 15.000 besitzt.

Die Erfindung der Champagnerdeckel oder auch Champagner-Kapseln geht auf Adolphe Jacquesson im Jahre 1844 zurück. Der Zweck der kleinen Metallkappen ist es, das Einschneiden des Drahtes in den Korken zu verhindern. Die Kapseln eignen sich auch gut für Abbildungen von Logos, Grafiken, Wappen und Schriftzügen der verschiedenen Champagner- und Sektproduzenten. Sammler dieser Deckel, die vor allem in Frankreich, Belgien, Italien und der Schweiz zu finden sind, werden als „Placomusophilisten“ bezeichnet, abgeleitet von der französischen Bezeichnung der Kapseln – „Plaque de muselet“. Auch in Luxemburg haben sich 2009 Sammler in einer Vereinigung zusammengeschlossen, die Placomusolux Asbl, die heute rund 100 Mitglieder zählt.

Sammeln mit System

Das Herzstück seines Museums – wie Bisenius seine Wohnung selber nennt – ist in einem kleinen Büro untergebracht ist. Auf einem der Tische liegen Kapseln alphabetisch dem Namen des Champagners- oder Crémant-Produzenten nach geordnet und warten auf ihre Einordnung in die Sammlung. Der größte Teil der Sammlung, die rund 15.000 Stück umfasst, befindet sich in einem auf Maß angefertigten Schrank. In den Schubladen befinden sich speziell für die Kapseln angefertigte Plastikablagen. Neben den luxemburgischen Kapseln sind vor allem französische Marken vertreten.

Die ersten luxemburgischen Placomusophilisten haben sich durch Zufall getroffen: Wie es in Luxemburg so üblich ist, kannte jemand jemanden, der jemanden kannte. Anfangs trafen sich ein halbes Dutzend Sammler im Keller eines Geschäfts in der hauptstädtischen rue de la Boucherie, danach einige Jahre in einem Lokal in Peppingen, da waren es schon 20 Leute, aber sie waren noch immer bloß eine Ansammlung von Gleichgesinnten. Gegründet wurde die Asbl 2009. Offizieller Sitz ist Bartringen, dem Wohnsitz des Sekretärs. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder ist über 60. Placomusophilisten teilen mit vielen Vereinigungen ein Problem: Nachwuchssammler gibt es sehr wenige.

Wie wird man Sammler von Champagnerkapseln? „Gar nicht, sagt Hoffmann, als Sammler wird man eh geboren.“ Er und Bisenius sammeln auch noch andere Sachen, er selbst z.B. noch Vinyl-Platten sowie alles rund um die Tour de France, und zeigt eine Zeitungswerbung mit dem Bild des zweimaligen Toursiegers Nicolas Frantz.

Neben seiner Sammlung an Biergläsern und -flaschen besitzt Bisenius auch noch eine kleine Sammlung von sogenannten „Béierstongen“. Eingerahmt an der Wand entdecken wir eine besonders auffällige Etikette einer Camembert-Schachtel. „Ja, auch so etwas wird gesammelt“, sagt Bisenius. Bei der Gelegenheit erfahre ich, dass man Sammler von Etiketten mit Milch- und Käsemotiven „Tyrosemiophilisten“ nennt.

Bisenius, der seit sieben Jahren Präsident der Vereinigung ist und eigenen Angaben zufolge seit 25 Jahren Kapseln sammelt, gesteht allerdings auf die Frage, ob er auch gerne Crémant trinkt, schmunzelnd: „Eigentlich bevorzuge ich Bier.“

Erster luxemburgischer Katalog

Ähnlich wie in der Philatelie gibt es auch für die Placomusophilisten eigene Kataloge und Tauschbörsen. Manche Kapseln gelten als sehr selten und wertvoll. Laut dem französischen Referenzkatalog der Szene, dem „Lambert“, wird eine Metallkappe von „Pol Rogier“ mit 4.250 Euro gehandelt. Luxemburgische Crémant-Kapseln gibt es bis dato rund 400 verschiedene; der Sammlerwert der meisten inländischen Deckel liegt zwischen einem und vier Euro, derweil der Produktionspreis pro Kapsel bei rund 80 Cents liegen dürfte, erklärt Bisenius.

Im Juni dieses Jahres veröffentlichte der Verein den ersten luxemburgischen Katalog mit Abbildungen von sämtlichen zu dem Zeitpunkt existierenden 400 Kapseln. Das Buch erschien in einer Auflage von 300 Exemplaren. Er könne sich vorstellen, dass es etwas an den Tauschgewohnheiten in Luxemburg ändern könnte. Wurden bis dato die luxemburgischen Kapseln eins zu eins umgetauscht, könnte nun mehr nach dem Wert getauscht werden. Mit dem Katalog will man nicht nur den Sammlern ein Handbuch geben, sondern so auch einen Teil des nationalen Kulturguts bewahren. „Wir sind der Meinung, dass auch die Crémant-Kapseln Teil unseres Kulturerbes sind“, sagt Hoffmann.

Während die großen Häuser schon längst eigene Kapseln herausgeben, ja einige sogar Sondereditionen für bestimmte Anlässe, wie die Fußballweltmeisterschaft, benutzen einige kleinere Produzenten Kapseln ohne Namen. „Doch es scheint so, dass einige dieser Kleineren so langsam das Marketing-Potenzial der Deckel erkennen“, meint Bisenius.

Fünfmal im Jahr organisiert der Verein eine regionale Tauschbörse im Bartringer „Centre Atert“ (offiziell ist der Verein in der Gemeinde beheimatet); im April sogar an zwei Tagen eine internationale, zu der professionelle Händler kommen.

Einmal im Jahr gibt die Vereinigung auch eine eigene Serie von Kapseln heraus. In Zusammenarbeit mit der französischen Champagnermarke „Yves Delporte“ werden 1.600 Flaschen mit Sonderkapseln bestückt. Von 2010 bis 2015 waren darauf nationale Denkmäler wie die Rote Brücke oder die „Dräi Eechelen“ abgebildet, von 2016 bis 2021 luxemburgische Schlösser. Die nächste Serie wird den luxemburgischen Radgrößen gewidmet sein.

Website der Vereinigung: placomusolux.lu