Passerell AsblDie Hilfsorganisation für Asylsuchende fordert klare Antworten

Passerell Asbl / Die Hilfsorganisation für Asylsuchende fordert klare Antworten
 Foto: Editpress-Archiv/François Aussems

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Die Asbl „Passerell“ setzt sich für die Rechte von Asylbewerbern im Speziellen, aber auch allgemein für die Wahrung fundamentaler Grundrechte ein. Was die Situation der afghanischen Flüchtlinge angeht, fordert die Vereinigung jetzt klare Antworten: Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die wegen der dortigen Situation aber nicht abgeschoben würden, befänden sich in einem juristischen Vakuum.

Eine Frau, die angab, in ihrem Heimatland vergewaltigt worden zu sein, ist verzweifelt, weil ihr Asylantrag wegen mangelnder Glaubwürdigkeit abgewiesen wurde. Sie leidet darunter, dass ihr nicht geglaubt und sie nicht als Opfer anerkannt wird, obwohl ihr Angreifer wohl niemals strafrechtlich verfolgt werden wird.

Ein Mann, der allein mit seinem Sohn in Luxemburg lebt, sucht nach Möglichkeiten, seine Frau und seine anderen Kinder im Irak zu schützen. Wegen des Gefühls der Hilflosigkeit weisen er und sein Sohn Anzeichen einer starken Depression auf.

Dies sind nur zwei der Leidensgeschichten von aus ihrer Heimat Geflüchteten, die in den Büros der gemeinnützigen Organisation „Passerell“ um Rat und Hilfe im vergangenen Jahr baten. Ihrem aktuellen Aktivitätsbericht zufolge empfängt die Asbl bis zu zehn Asylsuchende pro Tag, und jeden Tag sind sie mit Lebensgeschichten von Menschen konfrontiert, deren Grundrechte in ihrem Heimatland mit Füßen getreten werden.

Ein Büro von gerade mal zehn Quadratmetern teilen sich drei „Passerell“-Mitarbeiterinnen, doch obwohl das Büro klein ist, werden dort für einige Menschen große Fragen beantwortet, wie z.B.: Darf ich in Luxemburg bleiben? Was muss ich dafür tun? Wie kann ich meine Familie hierher bringen? „Passerell“ begleitet vorrangig Asylsuchende bei ihrem Asylantrag mit juristischer Hilfe. Manch einer kommt nur wegen einer ganz bestimmten Frage zum Asylvorgang, andere werden durch den ganzen Asylprozess begleitet. „Oder wir müssen Menschen erklären, warum ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Wir spüren ihre Frustration und sind selbst frustriert“, sagt Marion Dubois, eine der ständigen Mitarbeiterinnen der Vereinigung. Laut offiziellem Jahresbericht des Außenministeriums wurden 2020 insgesamt 767 Asylanträge angenommen, 359 wurden abgelehnt. Bei den anderen erklärte sich Luxemburg für nicht zuständig.

Afghanistan

Die Situation in Afghanistan gibt den Mitarbeiterinnen schon zu denken, und das nicht erst seit dieser Woche. Schon Ende Mai dieses Jahres hatte „Passerell“ zusammen mit anderen Organisationen die Regierung in dem Kommuniqué „Afghanistan is not safe“ (Afghanistan ist nicht sicher) auf die widersprüchliche Situation im Zusammenhang mit afghanischen Asylsuchenden aufmerksam gemacht. Wurden 2019 nur sieben Prozent der Asylanträge von Afghanen abgelehnt, seien es 2020 sage und schreibe 61 Prozent gewesen, schreibt „Passerell“.

2020 gab es den offiziellen Jahresberichten des Außenministeriums zufolge 95 Anträge auf internationalen Schutz von afghanischen Staatsbürgern; dieses Jahr sind es bis dato 23 gewesen.

Die Situation in dem mittelasiatischen Land hat sich in kurzer Zeit total verändert. Als problematisch sehen die Aktivisten vor allem eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus diesem Jahr. Das zuständige Gericht sei sich zwar bewusst gewesen, dass die Lage in Afghanistan noch immer nicht stabil sei und dass in den letzten Jahren zahlreiche Anschläge viele Tote und Verletzte forderten. Die Lage sei jedoch nicht so, dass die bloße Tatsache, aus Afghanistan und insbesondere aus der Stadt Kabul zu stammen, ausreiche, um einem Bürger des Landes automatisch subsidiären* Schutz zu gewähren.

Laut Marion Dubois würde Luxemburg momentan zwar niemanden mehr nach Afghanistan abschieben, aber diese Menschen würden sich in einem Rechtsvakuum befinden, falls sie kein Anrecht auf Asyl hätten. Die Verwaltung reagiere zu langsam auf sich schnell verändernde Situationen. „Wir wünschen uns in diesem Zusammenhang vor allem klare Antworten auf dringende Fragen“, so Dubois. „Menschen werden vielleicht nicht abgeschoben, aber ohne Statut gibt es zahlreiche administrative Probleme, wie z.B. bei der Wohnungssuche, und ohne Wohnung keine Registrierung bei der Gemeinde, usw. Die Asylanträge von afghanischen Bürgern sollen vor dem Hintergrund der aktuellen Geschehnisse bewertet werden“, wünscht sich Dubois.

Die Anfänge

Gegründet wurde die Asbl 2016 von den zwei Aktivistinnen Cassie Adélaïde und Catherine Warin, die sich ein Jahr zuvor im Rahmen einer Freiwilligenarbeit beim Roten Kreuz kennenlernten. Grundsätzlich tritt die Vereinigung für ein humaneres Asylrecht ein. Neben der finanziellen Unterstützung der „Œuvre Grande-Duchesse Charlotte“ finanziert sich die Organisation über Spenden. „Wir sind auch dabei, eine Eigenfinanzierung auf die Beine zu stellen, wie z.B. durch die Veröffentlichung eines Buches“, sagt Dubois. Anfangs benutzte „Passerell“ Räumlichkeiten bei der Vereinigung Hariko in Bonneweg, seit 2018 sind sie in einem Gebäude des Roten Kreuzes im Zentrum der Hauptstadt in Sichtweite der alten Brücke, der „Passerelle“. Nomen est omen.

* Subsidiär Schutzberechtigte sind Personen, die zwar nicht als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 anerkannt werden, denen jedoch im Falle der Rückkehr in ihr Herkunftsland eine ernsthafte Gefahr drohen würde.

Infos unter www.passerell.lu

„Passerell“ in Kürze

• Die Asbl „Passerell“ setzt sich für die Verteidigung von Grundrechten im Allgemeinen und die Rechte von Asylsuchenden im Speziellen ein.

• Die Vereinigung bietet ebenfalls Kurse und Seminare für Arbeiter aus sozialen Bereichen an.

• Des Weiteren organisiert die Asbl Sozialisierungsprojekte, um der Isolation der Exilanten entgegenzuwirken.