„The Iron Claw“Die harte Schale und der weiche Kern des Wrestling

„The Iron Claw“ / Die harte Schale und der weiche Kern des Wrestling
Zac Efron und Lily James

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Pünktlich zur Rückkehr von Dwayne The Rock Johnson zu seinen Wurzeln als professioneller Wrestler – lange ehe er sich in Hollywood einen Namen gemacht hat – kommt ein Film über ein Kapitel der amerikanischen Wrestling-Geschichte in die Kinos, welcher Freunde dieser bizarren Sportart sowie der großen Melodramen gleichzeitig begeistern dürfte. Und einen nebenbei einfach zum emotionalen Wrack macht.

„The Iron Claw“ ist der titelgebende Name des „signature move“, der Bewegung also, mit der die Familie Von Erich im Wrestling-Gewerbe eng verbunden war. Mit der bloßen, flachen Hand auf der Stirn drückten die Von Erichs mit enormer Kraft ihre Kontrahenten zu Boden. Damit hatte schon Patriarch Fritz Von Erich angefangen, ehe es seine Söhne im Ring übernommen haben. Diese Eisenkralle ist aber nicht nur, wie der Film unmissverständlich zu verstehen gibt, ein cooler Kampf-Move, sondern auch eine Lebenseinstellung in der Familie. Fritz hat sein Geschäft – die eigene Wrestling-Liga – wie auch seine Familie fest in der Hand. Alle seine Söhne steigen früher oder später mit dem Ziel in den Ring, den Weltmeistergürtel um die Hüften zu tragen. Trotz des symbiotischen Zusammenhalts der Familie, vor allem zwischen den Brüdern, schlägt aber die Tragödie zu.

Als Mitte Januar die Oscar-Nominierungen bekannt gegeben wurden, wurde es als ein grenzwertig sexistischer Akt verstanden, Greta Gerwig und Margot Robbie nicht für ihre Regie und Darstellung am Barbie-Projekt wahrzunehmen. Viele Menschen, die „The Iron Claw“ gesehen haben, werden sich jedoch eher über dessen 100-prozentigen Ausschluss bei den Oscars wundern. Und dabei erfüllt der Film von Sean Durkin eine ganze Menge Kriterien, die ansonsten sehr wohl bei den Academy Awards punkten konnten.

80er-Ästhetik

Sieht man einmal von der mehr als tragischen Komponente der wahren Lebensgeschichte der Von Erichs ab  – bitte macht keine Internetrecherche über die Familie vor dem Film! –, geht Sean Durkins Film mit so einigem recht geschickt um. Zuallererst natürlich das Casting von Zac Efron, dem ewigen Teenie-Schwarm aus den Highschool-Musical-Filmen, der, selbst vom Leben stark angeschlagen, für diesen Film aufsteigt wie einst der John-Travolta-Phönix aus der „Pulp Fiction“-Asche. Dass seine nuancierte Darstellung von Kevin Von Erich in seiner Ziegel von einem Körper ihm nicht einmal eine Nominierung eingebracht hat, ist die eigentliche Tragödie der diesjährigen Oscars. Des Weiteren bedient sich Regisseur Sean Durkin der Ästhetik der frühen 1980er  – Peak-80s-Neonfarben sind spätestens seit „Stranger Things“ en vogue – und unterstreicht das Falsche, das Aufgesetzte der Vokuhilas und des Wrestling-Schauspiels gleich doppelt und dreifach. Auch nach der ersten Dreiviertelstunde, in der Durkin und seine Figuren einen in die sonderbare Welt des professionellen Wrestlings eintauchen lassen, bleiben die Fragen, die man vor dem Film hatte, immer noch unbeantwortet. Was ist echt am Wrestling? Was nicht? Wie kann es trotz des Schauspiels des Ganzen zu Verletzungen kommen? Wer oder was entscheidet, wer einen Weltmeistertitel erhält? Und was bedeutet dieser, wenn das Ganze dann doch Fake ist?

Mit dem eigentlichen „coup de grâce“ lauert der Film erst in der zweiten Hälfte auf, wenn sich hinter der Maskerade der Kostümarbeit und des Affenzirkus zwischen den Ringseilen das eigentliche Thema des Films herausschält. Ein Gnadenstoß ist es allemal – denn was des Films wahre Geschichte angeht, so würde sie sogar den Wrestling-Neffen von Douglas Sirk (wenn es ihn denn gäbe) zu Tränen rühren. „The Iron Claw“ wird irgendwann zu einem waschechten Melodram, in dessen Zentrum hartgesottene Männer stehen, die hinter der Fassade alles andere als hartgesotten sind. Der Fluch, der über den Charakteren zu schweben scheint, ist einer, der tief in ihnen drin steckt und der seine Wurzeln in ihrem direkten Umfeld hat. „The Iron Claw“ wird eine bittertraurige Abhandlung über toxische Familienbeziehungen und wie schier unmöglich es ist, aus ihren Fesseln zu kommen. Zwei Szenen am Ende – eine, die aus dem Nichts ins Metaphysische rutscht und die allerletzte Szene – holen dann zum K.o.-Schlag in Richtung Zuschauerraum aus. Und wie bei allen großen Melodramen wird es auch hier diejenigen geben, die dem Film gegenüber eine emotionale Festung hochziehen und sich nicht berühren lassen werden.