Sonntag26. Oktober 2025

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Fond-de-Gras„Die Gewalt der Elemente“ – Ein Wochenende im Herzschlag der Eisenbahn

Fond-de-Gras / „Die Gewalt der Elemente“ – Ein Wochenende im Herzschlag der Eisenbahn
Jean-Marie Thill steht mit rußverschmiertem Gesicht im Führerstand bereit für die Abfahrt Foto: Carole Theisen

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Ein Tal voller Rauch, Rhythmus und rostiger Romantik: Beim Dampffestival im Fond-de-Gras erwachten am Wochenende Dampflokomotiven zu neuem Leben – und mit ihnen die Geschichten der Menschen, die sie zähmen.

„Es ist ein bisschen wie ein Instrument spielen“, sagt Jean‑Marie Thill, während er sich mit dem Handrücken den Ruß von der Stirn wischt. „Manche spielen besser, andere schlechter – aber wenn du den Rhythmus der Maschine spürst, dann lebt sie.“ Jean-Marie Thill ist Lokführer im Fond-de-Gras und fährt soeben seine Dampflok aus dem Depot in den Bahnhof.

Rauchschwaden legen sich über das Tal, während die Lok pfeifend losfährt
Rauchschwaden legen sich über das Tal, während die Lok pfeifend losfährt Foto: Carole Theisen

An diesem spätsommerlichen Samstag liegt ein schwerer, warmer, metallischer Dunst über dem Tal des Fond-de-Gras. Die Sonne scheint, doch die Luft ist trüb – nicht vom Wetter, sondern vom Atem der Lokomotiven, die am diesjährigen Dampffestival des Train 1900 teilnehmen.

Das Event hat das kleine Tal in eine andere Zeit katapultiert. Zwischen rostfarbenen Gleisen, alten Signalanlagen und dem Zischen der Maschinen drängen sich aberhunderte Besucher. Kinder halten sich lachend die Ohren zu, wenn eine Lok ihre Pfeife aufheulen lässt. Eltern zücken Handys, viele tragen sogar professionelle Kameras, um jede Niete einzufangen.

Die Züge transportieren die Besucher zwischen Petingen und dem Fond-de-Gras hin und her. In einigen der Wagen gibt es Stoffsessel, weich und nostalgisch. Im nächsten nur harte Holzbänke. Es rattert, es schaukelt, die Landschaft zieht vorbei – und plötzlich ist man nicht mehr im Jahr 2025, sondern irgendwo in der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Vom Kind im Kohlenstaub zum Lokführer

Jean-Marie Thills Geschichte beginnt früh: „Mein Vater war in den 1970ern Mitgründer des Vereins. Damit meine Mutter am Wochenende etwas Ruhe hatte, hat er mich einfach mitgenommen. Ab sechs Jahren war ich hier – habe im Dreck gewühlt, gestrichen, kleine Arbeiten gemacht. Irgendwann packte mich der Virus.“

Du nimmst einen Haufen Schrott und bringst ihn wieder zum Leben. Wenn der 35‑Tonnen‑Klotz dann nach Jahren Arbeit wieder fährt, wenn Pumpen und Zylinder arbeiten, das ist pure Magie.

Jean-Marie Thill, Lokführer

Jean-Marie Thill steht mit rußverschmiertem Gesicht im Führerstand bereit für die Abfahrt
Jean-Marie Thill steht mit rußverschmiertem Gesicht im Führerstand bereit für die Abfahrt Foto: Carole Theisen

Mit zwölf durfte er bei Rangierfahrten helfen, mit 16 machte er seinen Schein als Heizer und später als Lokführer. „Das lernt man nicht nur aus Büchern. Du musst wissen, welcher Hebel was macht, wie der Kessel reagiert, welches Ventil wann öffnet. Am besten lernst du das, indem du reparierst, revidierst und den alten Maschinisten zuschaust.“

Drei Jahre dauert es, bis man richtig heizen kann. Jede Maschine ist anders, jede reagiert auf ihre eigene Weise. „Der Heizer macht das Feuer, den Druck, kocht das Wasser. Der Lokführer fährt, bremst, pfeift, achtet auf Signale. Ich bin heute der Mechaniker, der Lokführer – das ist die höchste Stufe.“

Was ihn antreibt? „Die Gewalt der Elemente: Feuer, Wasser, Dampf. Bei 1.500 Grad Celsius im Feuerloch zu arbeiten, die Hitze zu spüren, die Energie, die Kraft – das ist faszinierend. Und dann die Vielfalt jener, die an einer einfachen Fahrt beteiligt sind: Schlosser, Schweißer, Elektriker – an einer Dampflok arbeiten so viele Handwerke, dass es nie langweilig wird. Du nimmst einen Haufen Schrott und bringst ihn wieder zum Leben. Wenn der 35‑Tonnen‑Klotz dann nach Jahren Arbeit wieder fährt, wenn Pumpen und Zylinder arbeiten, das ist pure Magie.“

Doch wie funktioniert eigentlich eine Dampflok? Thill erklärt: „Stell dir einen Kochtopf vor. Feuer erhitzt Wasser, es entsteht Dampf. In einem geschlossenen Behälter steigt der Druck – bei uns bis zu 13 Bar, das sind rund 180 Grad. Der Dampf geht in die Zylinder, drückt über Stangen die Räder an – wie beim Fahrrad die Pedale. Mit Hebeln steuern wir Richtung und Leistung.“

Ein rollendes Bestiarium aus Stahl

Fünf Normalspur-Dampflokomotiven sind an diesem Wochenende im Einsatz – jede mit eigener Geschichte, eigenem Klang, eigenem Geruch. Die legendäre ADI 12, die bullige ALT3, die elegante Energie 507 des Train 1900. Dazu die majestätische Elna 158 aus Belgien – extra auf Tiefladern ins Tal gebracht – und die Tubize 2069 – wahre Rockstars in der Branche.

Neben den Giganten gibt es viele weitere Kuriositäten: dampfbetriebene Traktoren, eine alte Sägemaschine, sogar eine Luftballonpumpe. Alles funktioniert ohne Strom, nur mit Druck und Mechanik.

Im einen Waggon laden weiche Stoffsessel zum Träumen ein, im nächsten gibt es nur harte Holzbänke
Im einen Waggon laden weiche Stoffsessel zum Träumen ein, im nächsten gibt es nur harte Holzbänke Foto: Carole Theisen

Doch das Festival ist kein reines Technik‑Treffen. Es ist ein Volksfest. Kinder amüsieren sich mit Mini‑Loks, Modelleisenbahnen rattern durch winzige Landschaften, die Grubenbahn „Minièresbunn“ fährt ausnahmsweise über Tage.

Für Romain Baumann, Präsident des Vereins Train 1900, ist das Festival ein Ausnahmezustand: „Das ist eines unserer größten Projekte überhaupt. Wir machen das nur alle fünf Jahre, weil es ein riesiger organisatorischer Aufwand ist. Aber wenn hier alle Maschinen zusammenkommen, wenn Kollegen aus Belgien und Deutschland ihre Loks mitbringen – das ist ein Fest.“

Baumann selbst kam wie viele in seiner Jugend zum Verein. Für ihn geht es nicht nur um Nostalgie, sondern um ein komplettes System, das am Leben gehalten wird: „Ich wollte einfach helfen, den Zug am Leben zu halten. Aber wer hier fahren will, muss auch mit anpacken. Das gehört dazu. Wir haben eine richtige Formationsstruktur: Ob Dampflok, Diesel oder als Zugkontrolleur – jeder findet hier seine Nische. Wir sind mehr als ein Nostalgieclub; wir sind eine ganze Eisenbahn, mit Strecken, Werkstätten, allem, was dazugehört.“

De grengen Théo
8. September 2025 - 15.25

Schéin a super ëmweltfrëndlech.