Seit Wochen beschuldigten führende Londoner Medien die für Korruption zuständige Politikerin schwerer Vergehen – ausgerechnet wegen Korruption. Doch Starmer hielt an der 42-Jährigen fest, zumal diese ihre Unschuld beteuerte. Erst als am Dienstag neue Vorwürfe bekannt wurden, endete die schmuddelige Affäre: Siddiq trat zurück, „um nicht von der Regierungsarbeit abzulenken“. Und nicht zum ersten Mal bleiben Zweifel am Urteilsvermögen des Premierministers.
Die Abgeordnete für den glamourösen Stadtteil Hampstead und Highgate ist in England geboren und in der Labour-dominierten Welt des Nord-Londoner Stadtbezirks Camden groß geworden, verfügt aber über beste Verbindungen nach Bangladesch. Ihr Großvater war nach der Unabhängigkeit von Pakistan 1971 erster Präsident des südostasiatischen Landes, ihre Tante Sheikh Hasina regierte die 175 Millionen Einwohner 15 Jahre lang als Premierministerin mit harter Hand. Die allumfassende Korruption führte im vergangenen Jahr zum Sturz des Regimes und zu Sheikh Hasinas Flucht nach Indien. Seither wird Bangladesch von dem Friedensnobelpreisträger und Ökonomen Muhammad Yunus, dem Begründer der Mikrofinanz-Bewegung, geleitet.
Siddiq fungierte in jungen Jahren als britische Sprecherin der Partei Awami-Liga, hat sich aber zuletzt von der Regierung ihrer Tante distanziert. In der Opposition machte ihr Wahlkreis-Nachbar und persönlicher Freund Starmer sie zur Ministerin für die City of London, das wichtigste internationale Finanzzentrum; gute Kontakte dorthin sind für die Sozialdemokraten eminent wichtig.
Unternehmer schenken Politikerin Immobilie
Schon diese Berufung verriet wenig Fingerspitzengefühl, umso mehr aber die logische Folge: Nach dem Wahlsieg vergangenen Juli behielt Siddiq diese Funktion auch in der Regierung. Dabei zählt zu den Zuständigkeiten des City-Postens auch der Kampf gegen internationale Korruption und die Geldwäsche diktatorischer Regime. Hätte es nicht im großen Team des Schatzkanzleramts unter Finanzministerin Rachel Reeves eine weniger exponierte Funktion für Siddiq gegeben? Schließlich war diese schon in früheren Jahren mit Medienfragen nach ihren Familienverbindungen und diversen Londoner Wohnungen konfrontiert gewesen; diese wurden allesamt, teils mit Prozessdrohungen, niedergebügelt.
Kurz vor Weihnachten und dann erneut zu Jahresbeginn erschreckte dann ausgerechnet die hochseriöse Financial Times die britische Öffentlichkeit mit Enthüllungen über die Korruptionsvorwürfe gegen die Ministerin. Dabei geht es um mehrere Immobilien, die von vermögenden Geschäftsleuten erworben und den Verwandten der langjährigen Premierministerin Sheikh zugeschanzt wurden. Siddiq und enge Familienangehörige lebten jahrelang und leben bis heute in diesen Wohnungen. Die Politikerin besitzt bis heute eine mittlerweile um die 770.000 Euro teure Immobilie, die ihr 2004 von einem Immobilienentwickler mit Geschäftsinteressen in Bangladesch geschenkt worden war.
Regierung steht unter hohem Druck
Dass Siddiq diesen offenkundigen Interessenkonflikt nicht wahrgenommen habe, sei doch „bedauerlich“, urteilte Starmers unabhängiger Ethikberater Laurie Magnus und fügte den ebenso eleganten wie tödlichen Satz hinzu: „Sie werden über ihre künftigen Zuständigkeiten nachdenken wollen.“ Diese Nachdenklichkeit vermied die Staatssekretärin durch ihren Rücktritt, nicht ohne dass der Premierminister ihr nachrief, für sie stehe „in Zukunft die Tür offen“. Gemeint damit ist eine andere Verwendung in der Regierung.
Diese steht zu Jahresbeginn unter hohem Druck, weil die Wirtschaftsdaten hartnäckig düster bleiben: Nullwachstum; die Inflation bei 2,5 Prozent und damit klar über dem Ziel der Zentralbank; deutliche Verteuerung britischer Schuldscheine, weil die Bondmärkte wenig Zutrauen in Labours Finanzpolitik haben. Ministerin Reeves kehrte am Wochenende von einer China-Reise mit neuen Investitionen im Wert von 600 Millionen Pfund zurück – üblich waren bei vergleichbaren Reisen bisher zweistellige Milliardensummen. Und zu allem Überfluss steht am Horizont drohend ein Handelskrieg mit Donald Trumps USA.
Am Mittwoch rühmte ein Labour-Sprecher den Chef für dessen vermeintlich rasches Handeln. Unbeantwortet blieb dabei, warum Starmer seine politische Weggefährtin überhaupt in ihr exponiertes Amt berufen hatte. Dass der 62-jährige frühere Chefstaatsanwalt wenig über Reputationsrisiken nachdenkt, brachten im vergangenen Sommer peinliche Enthüllungen über den „Schnorrerkönig“ (Medienspott) zum Vorschein: Jahrelang hatte sich der damalige Oppositionsführer von reichen Geschäftsleuten teure Anzüge und Brillen im Gesamtwert von weit mehr als zehntausend Pfund schenken lassen.
		    		
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