Donnerstag30. Oktober 2025

Demaart De Maart

US-ZölleDie EU-Staaten wollen den Handelskrieg nicht ausweiten

US-Zölle / Die EU-Staaten wollen den Handelskrieg nicht ausweiten
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic (l.) und der polnische EU-Ratsvorsitzende Michal Baranowski sprachen nach der Ratstagung von einer großen Geschlossenheit der 27 angesichts des von Donald Trump ausgelösten Handelskonflikts Foto: Jean-Christophe Verhaegen/AFP

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Bei einem Sonderrat der EU-Außenhandelsminister in Luxemburg haben sich die EU-Staaten über ihr weiteres Vorgehen in dem von US-Präsident Donald Trump ausgelösten Handelskonflikt abgestimmt. Die 27 setzen weiterhin auf Verhandlungen mit den USA und wollen die Lage nicht eskalieren lassen. Doch sie halten sich alle Optionen für Gegenmaßnahmen offen. 

Unter dem Eindruck einbrechender Aktienkurse an den asiatischen Börsen kamen auf Kirchberg in Luxemburg die EU-Handelsminister zu Beratungen über die Auswüchse der US-Zollpolitik zusammen. Diese bezeichnete der EU-Handelskommissar Maros Sefcovic als den „größten Paradigmenwechsel in der globalen Handelspolitik seit dem Zweiten Weltkrieg“.

Luxemburgs auch für den Außenhandel zuständiger Außenminister Xavier Bettel riet vor dem Ratstreffen gegenüber dem Radiosender 100,7 dazu, zum einen Einigkeit zwischen den EU-Staaten zu wahren und nicht zu versuchen, „sein eigenes Süppchen zu kochen“. Zum anderen sprach sich Bettel für ein pragmatisches Vorgehen aus. Viele seiner Ministerkollegen äußerten sich in ähnlicher Weise. „Ein Handelskrieg bringt niemandem etwas“, sagte der österreichische Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer. „Wir bevorzugen Kooperation gegenüber Konfrontation“, sagte der delegierte Außenhandelsminister Laurent Saint-Martin.

Doch trotz aller Aufrufe, besonnen zu bleiben, weiterhin den Dialog zu suchen, nichts eskalieren zu lassen, waren sich viele Minister jedoch einig darin, vorbereitet zu sein, sollte die US-Regierung nicht einlenken und die angebotene Gesprächsbereitschaft nicht aufgegriffen werden. Wie Xavier Bettel weiter gegenüber 100,7 erklärte, habe sich die EU bislang Zeit genommen, um auf die bereits vor einigen Wochen von Trump eingeführten Zölle auf Stahl- und Aluminiumprodukte zu reagieren. Ab Mittwoch aber soll damit Schluss sein, wenn über eine Liste mit Gegenmaßnahmen abgestimmt wird, die am 15. April noch einmal angepasst werden sollen, und am gleichen Tag erste Abgaben in Kraft treten sollen, wie Maros Sefcovic nach der Ratstagung erklärte. Am 15. Mai sollen die verbleibenden Maßnahmen greifen.

Abschaffung von Zöllen auf Industrieprodukten

Wie die EU-Staaten auf die von Trump am 2. April verkündeten sogenannten „reziproken Zölle“ antworten will, darüber wurde am Montag eingehend in Luxemburg diskutiert. Schweden wolle gezielte und verhältnismäßige Gegenmaßnahmen, sagte Außenhandelsminister Benjamin Dousa. Vor den Beratungen wurden unter anderem Maßnahmen gegen die großen US-Digitalunternehmen genannt. Dies müsse vorbereitet werden, meinte etwa der noch amtierende deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck. Der irische Handelsminister Simon Harris hingegen befürchtet, dass ein Vorgehen gegen die digitale Wirtschaft der USA zu einer Eskalation führen würde. Andere sprachen sich für regulatorische Maßnahmen aus. Nach der Tagung sagte der EU-Handelskommissar jedoch, für die Position der EU-Kommission gegenüber den USA sei es wichtig, dass die 27 bereit sind, alle Optionen zu berücksichtigen.

Im Saal habe Geschlossenheit unter den 27 geherrscht, sagte der polnische EU-Ratsvorsitzende und Staatssekretär im polnischen Wirtschaftsministerium Michal Baranowski. Alle wollten einen Handelskrieg vermeiden, wollen, dass verhandelt wird. Die US-Märkte hätten fünf Billionen Dollar in nur zwei Tagen verloren. „Und die Woche hat erst begonnen“, so Baranowski weiter, der darauf hofft, dass die USA auch im eigenen Interesse ihre Position noch einmal überdenken. Denn: „Es wird keine Gewinner geben“, warnte der Pole.

„Alle Instrumente sind auf dem Tisch“ und es werde später entschieden, welche gebraucht werden, sagte ebenfalls EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Noch bevor die Außenhandelsminister in Luxemburg ihre Beratungen abgeschlossen hatten, berichtete die EU-Kommissionschefin am Rande eines Besuchs des norwegischen Premierministers Jonas Gahr Store von einem weitreichenden Angebot an die USA. Demnach habe Brüssel der Regierung in Washington angeboten, die gegenseitigen Zölle auf Industrieprodukte abzuschaffen. „Europa sei immer für ein gutes Geschäft bereit“, sagte die Kommissionschefin. Maros Sefcovic bestätigte in Luxemburg, dass er seinem US-Gesprächspartner dieses Angebot am 19. Februar gemacht habe. Der Vorschlag habe sich vor allem auf den Automobilsektor bezogen, so die EU-Kommissionspräsidentin weiter. Allerdings habe Washington „nicht adäquat“ darauf reagiert, bedauerte sie.

Importe in die EU-Staaten überwachen

Am einfachsten wäre es, wenn die USA die Zölle gegen die EU aussetzen und verhandeln würden, sagte der EU-Handelskommissar und verwies darauf, dass es sich bei dem Handelsdefizit, über das Trump klage, gerade mal um drei Prozent des gesamten Handelsumsatzes handeln würde. Dabei würde Trump nicht berücksichtigen, dass jährlich viele Milliarden an Euro an Investitionen über den Atlantik in die USA fließen. 380 Milliarden Euro an Exporten sind von den Zöllen betroffen, das seien 70 Prozent der Gesamtexporte der EU in die USA, die mit 20, 25 Prozent oder noch höheren Zöllen belegt würden, so Maros Sefcovic weiter. Der zudem darauf verwies, dass die EU und die USA vor denselben Herausforderungen stünden: globalen Überkapazitäten, dem Rennen um die Führerschaft bei Halbleitern und dem Zugang zu seltenen Erden. Der EU-Kommissar bevorzugt Verhandlungen. „Wir wollen nicht endlos warten“, warnte Maros Sefcovic.

Die EU-Staaten wollen angesichts der erratischen US-Handelspolitik nun ihre Handelsbeziehungen rasch diversifizieren. Ursula von der Leyen sprach davon, weitere Freihandelsabkommen vor allem mit Staaten in Asien, wie Indien, Thailand, Malaysia und Indonesien, anzustreben. Befürchtet wird in der EU jedoch auch, dass es vor allem aus China zu einer Umleitung der Warenströme nach Europa kommen könnte. Die Kommissionschefin erklärte, dass eine Task force eingerichtet werde, die die Importe in die EU-Staaten überwachen solle, um festzustellen, ob und in welchen Bereichen es zu plötzlichen Steigerungen kommt.