Russland erwartet nach eigenen Angaben eine Fortsetzung der Gespräche mit der Ukraine an diesem Donnerstag. „Wir warten morgen auf sie“, sagte der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, am Mittwochabend nach einer Meldung der Agentur Interfax. Die Ukrainer seien auf der Anreise. Zuvor hatte der ukrainische Delegationsleiter David Arachamija nach einer Meldung der Agentur Unian neue Gespräche bestätigt. Er hatte zunächst von Beratungen am Mittwochabend gesprochen. Es wären die zweiten Friedensgespräche seit dem Einmarsch russischer Truppen in das Nachbarland am Donnerstag voriger Woche.
Die russischen Angriffe auf ukrainische Städte dauerten auch am Mittwoch an – dem siebten Kriegstag. Die UN-Vollversammlung verurteilte den Angriff mit großer Mehrheit und forderte die Regierung in Moskau zum Ende der Aggression auf. Die Europäische Union und die USA verschärften Strafmaßnahmen gegen Russland und seinen Verbündeten Belarus. US-Präsident Joe Biden und Bundeskanzler Olaf Scholz schlossen ein militärisches Eingreifen der Nato erneut aus.
Zweite Runde Friedensgespräche
Der Leiter der russischen Delegation, Medinski, sagte nach einer Interfax-Meldung, es solle nach vorläufigen Angaben am Donnerstag in der ersten Tageshälfte zu dem Treffen mit ukrainischen Vertretern kommen. Als Ort des Gesprächs hätten sich beide Seiten auf die Region Brest im Westen von Belarus geeinigt. Das russische Militär werde einen „angemessenen Sicherheitskorridor“ einrichten. Die ersten Verhandlungen am Montag an der belarussisch-ukrainischen Grenze hatten keine greifbaren Ergebnisse gebracht.
Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, unterstrich die Forderungen Russlands: Die Regierung in Kiew müsse die „Volksrepubliken“ Luhansk und Donezk sowie Russlands „Souveränität“ über die Schwarzmeer-Halbinsel Krim anerkennen. Zudem fordert Russland eine „Demilitarisierung“ der Ukraine.
UN-Vollversammlung verurteilt Russlands Krieg
In New York stellten sich die meisten Länder der Welt hinter eine Resolution, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt. 141 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen stimmten bei einer Dringlichkeitssitzung der Vollversammlung dafür. 35 Länder enthielten sich, nur 5 lehnten den Beschluss ab. Als Minimalziel galten 100 Stimmen. Westliche Verbündete wollten vor dem größten UN-Gremium die Isolation Putins sichtbar machen. Es war erst das elfte Treffen dieser Art bei den Vereinten Nationen in mehr als 70 Jahren und das erste seit Jahrzehnten.
Das Kampfgeschehen
Sowohl die Ukraine als auch Russland berichteten am Mittwoch von militärischen Erfolgen. Das russische Militär erlangte eigenen Angaben zufolge die volle Kontrolle über die seit Tagen umkämpfte südukrainische Stadt Cherson – die Ukraine wies das zurück. Auch die ostukrainische Millionenstadt Charkiw erlebte erneut Angriffe.
Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministeriums wurden mehr als 5.840 russische Soldaten seit Kriegsbeginn getötet. Dem widersprach das russische Verteidigungsministerium. Nach dessen Angaben wurden bisher 498 russische Soldaten getötet. Zudem seien 1.597 Soldaten verletzt worden. Es waren die ersten offiziellen Zahlen dazu aus Russland seit Kriegsbeginn.
Auf ukrainischer Seite habe es bislang 2.870 getötete „Soldaten und Nationalisten“ sowie etwa 3.700 verletzte Menschen gegeben, erklärte das russische Verteidigungsministerium. Die Ukraine hat zu Verlusten der eigenen Armee keine aktuellen Angaben gemacht, sprach zuletzt aber von mindestens 2.000 getöteten Zivilisten. Diese Angaben sind nicht unabhängig zu überprüfen. Die UN sprachen zuletzt von 142 toten Zivilisten.
Die russischen Streitkräfte greifen nach Überzeugung von US-Präsident Joe Biden in der Ukraine gezielt auch Gegenden mit Zivilisten an. Biden bejahte vor seinem Abflug vom Weißen Haus in Richtung Minnesota und Wisconsin eine entsprechende Frage eines Reporters. Der US-Präsident fügte hinzu, es sei noch zu früh zu sagen, ob Russland Kriegsverbrechen begehe. Man verfolge die Entwicklungen aber genau.
Militärische Einschätzung des Westens
Bei einer langfristigen Besatzung der Ukraine müsste sich Russland nach Ansicht des britischen Verteidigungsministers Ben Wallace auf „Jahre des Widerstands“ einstellen.
Bundeskanzler Scholz (SPD) sagte bei seinem Besuch in Israel: „Wir werden nicht militärisch eingreifen. Das gilt für die Nato, das wird sie nicht tun, und auch für alle anderen.“ Auch US-Präsident Biden wiederholte, US-Truppen würden nicht in den Konflikt eingreifen.
Die Türkei verhinderte den Versuch Russlands, weitere Kriegsschiffe durch die türkischen Meerengen ins Schwarze Meer zu bringen, wie Außenminister Mevlüt Cavusoglu mitteilte.
Zahl der Flüchtlinge steigt
Hunderttausende Menschen aus der Ukraine suchen inzwischen Schutz vor dem Krieg. Bis Dienstag waren nach Angaben der Vereinten Nationen bereits mehr als 835.000 Menschen vor den russischen Angriffen aus dem Land geflohen. Das Bundesinnenministerium zählte zuletzt 5.000 registrierte Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine.
Sanktionen verschärft – Biden: „Nichts ist vom Tisch“
Die USA werden – wie zuvor die EU und Kanada – ihren Luftraum für russische Flugzeuge sperren. Die EU setzte ihre Sanktionen zum Ausschluss sieben russischer Finanzinstitute aus dem Banken-Kommunikationsnetzwerk Swift in Kraft. Die Banken werden keine internationalen Zahlungen mehr vornehmen können. Die größte russische Bank Sberbank sowie die Gazprombank sind nicht betroffen. Die britische Regierung drängt ihre Verbündeten weiterhin zum Ausschluss aller russischen Banken aus dem Kommunikationsnetzwerk Swift.
Die EU verständigte sich auch auf neue Sanktionen gegen Russlands Verbündeten Belarus. Betroffen seien dort die Holz-, Kali,- und Stahlindustrie. Zunächst wurden am Mittwochnachmittag aber Strafmaßnahmen gegen 22 hochrangige belarussische Offiziere im EU-Amtsblatt veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt.
Die Strafmaßnahmen treffen nach Kreml-Angaben zwar die heimische Wirtschaft. Dennoch habe das Land Reserven, den Druck auszuhalten, sagte Kremlsprecher Peskow laut Interfax. Auf die Frage, ob seine Regierung im Rahmen der Strafmaßnahmen gegen Moskau ein Importverbot für russisches Öl erwäge, antwortete US-Präsident Biden: „Nichts ist vom Tisch.“
Wirtschaftliche Folgen – Märkte unter Druck
Die Menschen in Deutschland müssen sich nach Einschätzung der Bundesbank wegen des Kriegs in diesem Jahr auf einen weiteren Anstieg der Verbraucherpreise einstellen.
Der Bund hat für 1,5 Milliarden Euro Gas als Reserve für die nächste Zeit gekauft. Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg und zur Beruhigung des Ölmarktes gab die Bundesregierung einen Teil der nationalen Ölreserve frei. Die Lage an den internationalen Finanzmärkten bleibt vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine angespannt.
Russland und Belarus bei Paralympics dabei
Sportler aus Russland und Belarus dürfen trotz des Krieges bei den am Freitag beginnenden Winter-Paralympics in Peking teilnehmen. Sie dürfen als neutrale Athleten dabei sein – sie treten also unter der paralympischen Flagge an. Ihre möglichen Erfolge werden nicht in den Medaillenspiegel aufgenommen.
De Maart
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